Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten. Artur Hermann Landsberger

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Asiaten! Ein Liebesroman aus zwei Welten - Artur Hermann Landsberger


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des Nebelhorns über das Meer. Der Scheinwerfer mühte sich ab, versuchte durchzubrechen, sandte immer stärkere Massen von Licht. Aber der Nebel stand wie eine Wand und würgte es ab.

      Omasan wurde ängstlich. Sie schloß die Luke. Sie schlüpfte in den Morgenkimono und lief auf den Flur. Vor der Kabine des Barons Iwasaki blieb sie stehen, legte den Kopf an die Tür und lauschte. Der alte Herr schnarchte. Sie drückte behutsam die Klinke herunter und schob die Tür ins Zimmer. Das Licht des Scheinwerfers erhellte für einen Augenblick den Raum. Der Alte lag unbedeckt auf dem Rücken. Das verwitterte gelbe Gesicht stand voll Schweiß. Der blauseidene Pyjama stand offen. Dicke Büschel grauen Haars wuchsen ihm auf der Brust. Die Brust hob und senkte sich ruckweise. Er schien an Asthma zu leiden und schwer zu träumen. Vor dem Bett lag die grünseidene Schärpe vom Kimono Hana Tatsumis. Omasan tat einen Schritt ins Zimmer, bückte sich und hob sie auf.

      Behutsam glitt sie hinaus, schloß leise die Tür und — suchte Hana. Alles im Leben wiederholt sich, dachte sie. — Aehnlich war es einst ihr ergangen. Das lag nun bald zwanzig Jahre zurück. Aber sie wußte noch, als wäre es heute geschehen, wie ihr damals zumute war. — Sie überlegte. — Was hatte sie damals getan? Es hatte sie von den Menschen fortgetrieben. Der helle Saal mit den vielen Menschen, in den sie hätte zurückkehren müssen, schreckte sie. Sie, die sonst so Furchtsame, war mitten in der Nacht tief hinein in den Park gelaufen. Es trieb sie fort von den Menschen, sie wollte für sich sein. Eiskalt und erschöpft hatte man sie am nächsten Morgen gefunden.

      Omasan war sich gar nicht bewußt, daß sie im Banne der Erinnerungen zum Verdeck hinaufgestiegen war und sich durch die Nacht des Nebels tastete. Ihr war es, als erlebte sie alles noch einmal. Und so ging sie rein instinktiv den Weg Hanas. Sie hielt sich an der nassen Reeling fest, stieg die Treppe zum Zwischendeck hinunter, blieb, wenn das Licht des Scheinwerfers über das Deck strich, um sich zu orientieren, stehen und stand plötzlich dicht neben Hana. Sie hockte sich behutsam neben ihr nieder, legte den Arm um sie und sagte, so weich es ihre Stimme zuließ:

      „Was bedeutet denn das?“

      Hana blieb völlig ruhig, wandte sich um und sagte, bestimmter als Omasan es von ihr gewöhnt war:

      „Laß mich allein!“

      Aber Omasan umschlang sie nur um so fester.

      „Steh auf!“ befahl sie und hob sie in die Höhe. „Wie lange hockst du hier schon? Bei diesem Wetter?“

      „Ich weiß es nicht.“

      „Weshalb bist du nicht in deiner Kabine?“

      „Sie gehört dir. — Und ich muß tun, was du willst.“

      „Du brauchst nicht, wenn du nicht willst. — Sage es, und wir kehren um.“

      „Nun nicht mehr!“

      Omasan lächelte. Hana sah es nicht. — Omasan hatte ihren Zweck erreicht. Die Gefahr der Rückkehr war behoben.

      4

      Bis Yokohama blieb Hana Tatsumi unsichtbar. Sie klagte, so oft Omasan versuchte, sie in ein Gespräch zu ziehen, über Schmerzen im Kopf und im Rücken. Sie erklärte sich außerstande, an Deck zu gehen. Den Arzt lehnte sie ab. Sie sprach nicht und berührte die Speisen kaum, die man ihr in die Kabine brachte. Und doch litt sie nicht übermäßig. Was geschehen war, nahm sie als Schicksal. So war es bestimmt, so mußte es kommen! Sie hatte darüber nie nachgedacht.

      Was also empfand Hana, als der Baron Besitz von ihr ergriff? — Daß sie Taizo Hodsumi liebte. Daß dieser Liebe ein Unrecht geschah. Daß sie sich nach ihm sehnte. Plötzlich sich einsam fühlte — und doch nicht wünschte, zu ihm zurückzukehren. — Die Liebe war beleidigt. Nicht der Mensch.

      Omasan ließ sie gewähren. Sie wußte, was in Hana vorging, und war sich über deren Gefühl klarer als Hana selbst. Deren Zukunft verlangte diesen Eingriff. Je früher es geschah, um so besser für sie. — Sie überließ Hana ihrer Stimmung. Es gibt Dinge, die das Laute nicht vertragen, die man durch gutes Zureden daher nicht bessert. An die man am besten gar nicht rührt und die man sich selbst überläßt. Dann schlummern sie ein.

      Erst kurz vor Mito hielt Omasan es an der Zeit, Hana daran zu erinnern, daß das Leben aus Pflichten bestehe und daß kein Mensch sich den Luxus gestatten könne, seinen Stimmungen zu leben.

      „Ich weiß, daß du gut zu mir warst,“ erwiderte Hana, „und ich danke dir, daß du mich daran erinnerst.“

      „Ich will aus dir machen, was mir einst für mich vorschwebte. Du darfst meine Fehler nicht wiederholen. Ich will mich in dir erneuern. Denn ich bin wie ein leeres Gefäß, seit Krankheit mich aus der Bahn warf — mitten während des Aufstieges.“

      „Wenn ich deinen starken Willen hätte!“

      „Ich werde ihn für dich haben. Aber versprich, mir in allem zu folgen. Ich sehe eher als du, wenn du dich verlierst.“

      „Was könnte ich anderes tun, als dir folgen? Was ich gelernt habe, verdanke ich dir. Wüßte ich doch nicht einmal, es zu verwerten.“

      *

      Yokohama war noch immer ein Riesen-Trümmerhaufen. Das Innere der um drei Fuß gesunkenen Stadt mit den selbst für Japan niedrigen Häusern glich einem Lager von Baracken. Selbst die Räumungsarbeiten machten einen trostlosen Eindruck. Etwa: ‚Wozu die Mühe, wo es jeden Augenblick von neuem losgehen kann?‘ — Das schien überhaupt das Gebot der Stunde, nach dem man hier lebte, und der Schlüssel zum Verständnis von allem, was diese Stadt betraf.

      Die großen ausgebrannten Staatsgebäude, Banken und Geschäftshäuser standen nach acht Monaten noch wie am Tage der Katastrophe. Die klaftertiefen Gruben und Löcher in der Erde waren noch nicht zugeschüttet, zum Ueberschreiten mit schmalen Brettern belegt und bei Dunkelheit durch Papierlaternen beleuchtet. An der Wiederherstellung der Straßen, in denen man bis zum Knöchel in Lehm watete, hatte noch keine Hand gerührt. Saß man in einer Rikscha, so spritzte der Schmutz einem in das Gesicht, und die armen Kulis mühten sich, den alle paar Minuten festgefahrenen Rikschawagen aus dem Schlamm zu ziehen.

      Hana weinte, als sie das sah und hörte, daß unzählige Tote, die man nicht bergen konnte, noch unter den Trümmern lagen. Sie hatte den Wunsch: schnell fort von hier. Aber Osmana erklärte:

      „Der Teil von Yokohama, der uns interessiert, ist wieder aufgebaut.“

      Sie stiegen bei einer Bekannten Omasans im Innern der Stadt ab. Sie wohnte in einem Häuschen, das wie alle anderen einer Baracke glich und in einer aufgewühlten, schmalen Straße lag. Sie hieß Matsu Shuto, war alt und häßlich, aber freundlich und gut gekleidet. Die Begrüßung war herzlich. Die Verbeugungen wiederholten sich immer wieder. Und vor allem Hana wurde mit einer Wärme empfangen, die ihr völlig neu war. Es zeigte sich, daß sie Hanas Verhältnisse genau kannte, und obschon Hana sonst nicht viel nachdachte, so sagte sie sich doch, daß sie alles das nur von Omasan wissen konnte.

      „Ein Kind ohne Eltern ist schlecht dran,“ sagte sie, „aber wohl ihm, wenn sich andere seiner annehmen, wie Omasan sich deiner angenommen hat.“

      „Mein Onkel Yamakana war gut zu mir,“ erwiderte Hana. Aber die Alte hob die Arme und sagte:

      „Laß nur, laß! Eine Mutter kann nur eine Frau ersetzen. Und was du bei Omasan gelernt hast, hätte dir auch eine Mutter nicht beigebracht.“

      Sie klatschte in die Hände.

      Vier junge Nesans (bessere Mägde) erschienen, nahmen die Sachen von Hana und Omasan und trugen sie durch eine Tür, die Matsu Shuto aufgezogen hatte. Man sah in einen hellen, sauberen Raum, der mit Blumen geschmückt war. Gleich darauf brachten die Mägde kleinere Schalen, allerlei Leckerbissen und eine weiße, mit Messing eingefaßte Holzschale voll Reis, die einer Trommel glich. Die Mägde schöpften die Körner aus dem Brei heraus und taten sie in eine Schüssel aus Porzellan.

      Matsu Shuto drängte vor allem Hana beständig, zu essen und die Sakeschale zu leeren, die eine Magd auf ihr Zeichen schon zum dritten Male füllte.

      Nach Verlauf etwa einer


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