Die Klasse ist für Petra. Marie Louise Fischer

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Die Klasse ist für Petra - Marie Louise Fischer


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sie begriffen hatte, war, daß sie aufgenommen war — alles andere interessierte sie nicht mehr. Sie zappelte vor Ungeduld von einem Bein auf das andere.

      „So“, sagte der Direktor, „na schön, du weißt, die Schule fängt am Dienstag an. Du gehörst in die Quarta b, merk dir das, Quarta b … ich denke, ich brauche dir deine Klasse nicht zu zeigen, die wirst du leicht selber finden. Bitte, bestell deinem Vater einen schönen Gruß von mir …“

      „Danke, Herr Direktor!“

      Der Direktor schüttelte Petra die Hand, sie machte eine Verbeugung, die schon besser ausfiel als das erste Mal, und ging dann gemessenen Schrittes zur Tür. Kaum aber war die Tür des Direktorzimmers hinter ihr ins Schloß gefallen, da rannte sie schon den Gang hinunter — „Wie ein Schimpanse, den man aus dem Käfig gelassen hatte“, brummelte der Pedell mißbilligend — und auf die Straße hinaus.

      Am liebsten hätte sie laut gesungen vor Freude, aber rennen und gleichzeitig singen, das ist wohl zuviel.

      Babette und der Vater warteten schon auf sie mit dem Mittagessen, als sie in die Wohnung hineingeschossen kam.

      „Pappi“, brüllte Petra statt jeder Begrüßung, „ich habe die Wette gewonnen … gewonnen … gewonnen!“

      „Was für eine Wette?“ antwortete der Vater verblüfft. „Ich wüßte nicht, daß ich mit dir gewettet hätte.“

      Dann erst sah er ihren Aufzug. „Um Himmels willen, Petra! Wie siehst du denn aus? Hast du Theater gespielt oder was ist mit dir los?“

      „Das gehört doch dazu, Pappi, begreifst du denn nicht?“

      „Woher hast du überhaupt diesen Anzug? Was ist mit deinem Haar passiert? Du siehst ja wahrhaftig aus wie ein richtiger Junge!“

      „Das wollte ich doch grade, Pappi, das mußte doch so sein, sonst hätten sie mich doch nicht im Gymnasium aufgenommen …“

      „Hast du dich etwa angemeldet?“

      „Ja, Pappi, und der Direktor sagt, daß alles in Ordnung ist, ich komme in die Quarta b. Ist das nicht wundervoll?!“

      „Halt mal … jetzt erzähl mir die ganze Geschichte der Reihe nach! Hast du dem Direktor etwa weisgemacht, daß du ein Junge bist?“

      „Überhaupt nicht“, sagte Petra, „weil ich in Jungenkleidern gekommen bin, hat er das einfach geglaubt … ich habe bestimmt kein Wort davon gesagt, ich lüge doch nicht.“

      „Ist es ihm denn nicht aufgefallen, daß du Petra heißt?“

      „Doch. Schon. Aber da habe ich gesagt, ihr hättet euch so sehr ein Mädchen gewünscht … das stimmt doch, nicht wahr, Pappi? Das war doch nicht gelogen. Ihr habt euch doch wirklich ein Mädchen gewünscht!“

      „Was hat er dazu gesagt?“

      „Ich habe ihm gesagt, daß du Sänger bist … und da hat er gesagt: ‚Ach so‘.“

      „Petra … Petra …Petra …“, sagte der Vater kopfschüttelnd. „Sachen machst du. Hast du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, wie die Geschichte jetzt weitergehen soll?“

      „Ich darf aufs Gymnasium gehen, das ist die Hauptsache!“

      „Ja, das ist wahr, aber die Hauptsache ist es nicht. Die Hauptsache ist, daß sie dich als Jungen aufgenommen haben, und nicht als Mädchen. Wenn du also wirklich aufs Gymnasium gehen willst, mußt du weiter als Junge dorthin gehen. Jeden Tag. Du mußt in eine Jungenklasse gehen, und die Jungens werden dich nicht anders behandeln, als jeden anderen ihrer Mitschüler. Du wirst nie mehr ein schönes Kleid anziehen können, denn sonst kommt alles heraus. Nicht einmal eine Freundin wirst du finden, wenn alle dich für einen Jungen halten. Was sollen wir Mutter sagen, wenn sie Weihnachten nach Hause kommt?“

      „Weihnachten?“ Petra lachte. „Bis Weihnachten, das dauert doch noch eine Ewigkeit!“

      „Drei Monate“, sagte der Vater.

      „Was die blöden Röcke betrifft, darauf pfeife ich. Ich möchte viel, viel lieber ein Junge sein … Pappi, bitte, laß mich doch! Du weißt ja gar nicht, was für ein Heidenspaß das sein wird. Stell dir bloß vor, ich werde endlich Fußball spielen können und Eishockey und ich weiß nicht was, und niemand wird mehr sagen … das schickt sich nicht für ein Mädchen. Bitte, bitte, lieber Pappi, sag ja!“

      „Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann“, sagte der Vater.

      „Doch, das kannst du! Ganz bestimmt. Was soll denn schon passieren?“

      „Wenn es herauskommt, fliegst du von der Schule.“

      „Aber es braucht doch gar nicht herauszukommen, Pappi. Wenn du mitmachst …“

      „Aha, da haben wir es. Ich soll also mitmachen. Babette natürlich auch, und womöglich auch noch deine Mutter und Siegfried. Wir alle sollen lügen und schwindeln, nur damit du nicht erwischt wirst. Ist das nicht ein bißchen viel verlangt?“

      „Gar nicht“, behauptete Petra überzeugt. „Ihr braucht nichts weiter zu tun, als Peter zu mir zu sagen und mich zu behandeln, als wenn ich ein Junge wäre. Ich schwöre dir, der Direktor ist gar nicht darauf gekommen, daß ich vielleicht ein Mädchen sein könnte. Niemand wird darauf kommen, wenn man es ihm nicht auf die Nase bindet. Daß ihr das nicht tut, das ist alles, was ich von euch verlange!“

      „Du verlangst es?“

      „Bitte, wollte ich natürlich sagen … bitte, bitte, lieber Pappi, mach mit! Sieh mal, du weißt doch genau, wie es bei uns ist … vielleicht sind wir im nächsten Jahr schon wieder in einer anderen Stadt. Dann kann ich auch wieder eine Mädchenschule besuchen. Pappi, verstehst du denn nicht? Mir kommt es doch nur aufs Lernen an!“

      „Nur?“ fragte der Vater augenzwinkernd.

      „Na ja“, gab Petra zu. „Nicht nur. Aber hauptsächlich. Das andere, das ist doch ein herrlicher Spaß! Nicht wahr, Pappi, du gehst nicht zum Herrn Direktor, du darfst mich nicht so blamieren. Hörst du?“—

      An diesem Abend schrieb Paul Sartorius einen langen Brief an seine Frau in Argentinien. Er erzählte die ganze Geschichte, und zum Schluß schrieb er: „Du kannst dir vorstellen, liebe Helene, daß ich nur schweren Herzens mein Einverständnis zu dieser tolldreisten Komödie gegeben habe. Ich weiß, du wirst über uns den Kopf schütteln und denken: Solche Dummheiten können auch nur passieren, wenn ich nicht zu Hause bin. Aber vielleicht ist es auch gar keine Dummheit, Helene. Vielleicht wird Petra, wenn sie jetzt als Junge in eine Jungenschule gehen darf und muß, ganz plötzlich entdecken, daß es doch auch sehr schön ist, ein Mädchen zu sein. Vielleicht wird sie dann endlich so werden, wie du dir deine Tochter gewünscht hast — ein richtiges Mädchen, das gelernt hat, sich mädchenhaft zu betragen.“

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