Seewölfe Paket 34. Fred McMason

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Seewölfe Paket 34 - Fred McMason


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Einige Überlebende, die sich an den Maststümpfen festgeklammert hatten, klatschten ins Wasser. Ihre Schreie waren bis zur „Aguila“ zu vernehmen.

      „Das war unnötig“, sagte Juarez Molina neben dem Kapitän. „Die Engländer sind Bestien, jeder von ihnen verdient den Strick.“

      Die Karavelle bäumte sich auf, ruckartig sackte das Heck ab, während der Bug aus dem Wasser stieg. Für eine Weile verharrte sie so, dem unvermeidlichen Ende trotzend, dann setzte eine schneller werdende Drehbewegung ein, ein Sog, der das Schiff und alles in seiner Nähe unerbittlich in die Tiefe zog.

      Die Männer auf der „Aguila“ hielten den Atem an. Augenblicke später waren nur noch die Toppen und aufschwimmende Segelfetzen zu sehen. Bevor sich das Meer wieder glättete, kehrte die Stille zurück.

      „Kurs halten!“ befahl der Kapitän.

      Knapp 400 Schritte hinter dem Piratenschiff zog die „Aguila“ vorbei. Ein erwartungsvoller Zug hatte sich um Garcias Mundwinkel eingegraben. Er dachte nicht daran, nach eventuellen Überlebenden Ausschau zu halten – dafür war später Zeit, sobald er Killigrew zur Strecke gebracht hatte. Außerdem lag die Küste verhältnismäßig nahe. Und was zählen schon ein oder zwei Menschenleben, wenn es darum ging, weitere Schiffsbesatzungen vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren?

      Garcias Entscheidung, Höhe zu gewinnen, nahm den Piraten die Möglichkeit, anzuluven. Wenn sie fliehen wollten, blieb ihnen nur die Wahl, vor den Wind zu gehen, und auf einem solchen Kurs war das spanische Kriegsschiff überlegen.

      „Wieviel Zeit brauchen die Bastarde, um ihre Geschütze nachzuladen?“ fragte der Kapitän.

      Molina zuckte mit den Schultern.

      „Ich weiß nicht“, sagte er. „Mit unseren Leuten können sie sich bestimmt nicht messen.“

      Mittlerweile segelte die „Aguila“ gut dreihundert Schritte südlicher als die Piraten.

      „Abfallen!“ befahl Garcia.

      Die Schoten wurden gefiert. Mit vollen Segeln schwenkte der Viermaster herum.

      „Setzt die Blinde!“

      Die Distanz zu den Verfolgern schrumpfte sichtlich. Juarez Molina folgte dem Kapitän an die Steuerbordverschanzung. Garcia warf einen flüchtigen Blick durch sein Spektiv und reichte es an den Ersten weiter.

      „Killigrew hat zu wenig Leute“, sagte er spöttisch. „Sie sind jetzt noch dabei, die Geschütze auszuwischen und neue Ladungen zu setzen.“ Er hob die rechte Hand und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Wie eine Laus werde ich den Bastard zerquetschen.“

      Die Galeone mit den schwarzen Segeln wechselte auf den anderen Bug. Der Engländer wollte Zeit gewinnen, bis seine halbe Batterie an Backbord wieder klar war. Erst ein einziges Rohr ragte unmittelbar über der Wasserlinie aus der Pforte. Ein zweites Geschütz wurde soeben ausgerannt.

      „Lächerlich“, schnaubte Garcia. „Auf die Weise lasse ich mich nicht in die Leeposition drängen.“

      Die „Aguila“ verwandelte sich in eine Tod und Verderben speiende Festung. Nacheinander entluden sich die zwölf Culverinen unter Deck und die vier Kanonen auf der Kuhl. Die unmittelbar aufeinanderfolgenden Detonationen wurden zu einem einzigen ohrenbetäubenden Donnerschlag. Das Schiff ächzte und stöhnte in seinen Verbänden und krängte weit nach Backbord. Pulverdampf verschleierte die Sicht.

      „Ruder hart Steuerbord!“

      Die Segel schlugen und flappten, weil sie nicht schnell genug herumgeholt werden konnten. Aber innerhalb kürzester Zeit stand das Tuch wieder so prall wie zuvor.

      Noch wurde das Feuer nicht erwidert.

      „Auf was wartet der Kerl?“ blaffte Garcia. „Bis wir nahe genug heran sind?“

      „Vermutlich“, sagte Molina.

      Wie viele Treffer die Galeone abgekriegt hatte, ließ sich nicht feststellen. Die Großrah war zersplittert, das Segel hing halb außenbords, und einige Männer schickten sich an, das Gewirr aus Tuch und Tauen zu kappen.

      Ohne Großsegel hatte Killigrew keine Chance mehr, den Verfolgern davonzulaufen.

      Garcia triumphierte.

      „Backbordbatterie klar zum Feuern! Haltet auf die Geschützpforten!“

      Die „Aguila“ bereitete ihrem Namen alle Ehre. Sie erinnerte tatsächlich an einen Adler, der schnell und zielstrebig sein Opfer angriff.

      César Garcia kaute auf seiner Unterlippe – ein deutliches Zeichen seiner inneren Erregung. Aufmerksam blickte er zu der Galeone hinüber. Die Engländer lauerten ebenso wie seine Leute auf den günstigsten Moment.

      „Capitán …?“ fragte der Erste Offizier.

      Garcia hielt ihn mit einer knappen Handbewegung hin. Die Anspannung wurde fast körperlich spürbar. Niemand sagte ein Wort. Das Raunen des Windes in der Takelage und das Stampfen des Schiffes blieben die einzigen Geräusche.

      Noch zweihundert Schritte Distanz.

      Einhundertfünfzig.

      César Garcia nickte knapp, Molina winkte befehlend zur Kuhl, und der Bootsmann gab den Feuerbefehl.

      Die „Aguila“ schien auseinanderbrechen zu wollen, so heftig war die erneute Breitseite. Weit holte der Viermaster über, als ein Feuerball in Lee entlangzuckte. Das Dröhnen der Explosionen vermischte sich mit dem Splittern und Bersten der Einschläge und dem Abschuß der gegnerischen Kanonen zu einem schier ohrenbetäubenden Inferno, in dem menschliche Stimmen bedeutungslos wurden.

      Kein halbwegs erfahrener Stückmeister konnte auf die geringe Entfernung danebenschießen.

      Fast auf der Höhe des Großmastes zerspellte das Schanzkleid der „Aguila“. Die herumwirbelnden Splitter trafen einige Decksleute, die schreiend zu Boden gingen. Das Geschoß fegte über die Kuhl und hinterließ sogar noch an Steuerbord ein beachtliches Loch.

      Die Blinde wurde zusammen mit dem größten Teil des Bugspriets regelrecht abrasiert. Weitere Einschläge erfolgten auf dem Viermaster jedoch nicht.

      „Die Geschütze neu laden! Geit auf das Großsegel!“

      Garcia durfte es sich erlauben, Segelfläche wegzunehmen. Abgesehen davon, daß die „Aguila“ danach immer noch schnell genug war, hatte die Breitseite auf dem Piratenschiff eine unübersehbare Spur der Verwüstung hinterlassen. Ausgezackte, geschwärzte Löcher gähnten an der Stelle von drei Stückpforten, in zwei anderen hatten sich die Geschütze verkeilt.

      „Klar zum Entern!“

      In spitzem Winkel lief die „Aguila“ auf die Galeone zu. Die Drehbassen auf Back und Achterdeck jagten ihre tödlichen Geschosse zwischen die Piraten. Bei knapp fünfzig Schritten Distanz sprachen noch einmal die Culverinen des Batteriedecks.

      Ihre Wirkung war verheerend, die Galeone wurde abgetakelt und endgültig zum Wrack geschossen. An Bord entstand heillose Verwirrung, als die Segelfetzen wie Leichentücher niedersanken und sich stehendes und laufendes Gut zu einem unentwirrbaren Durcheinander verknoteten.

      „Ich will den Seewolf lebend!“ brüllte César Garcia aus Leibeskräften, als die erste Reihe seiner Soldaten die Musketen abfeuerten und die zweite Reihe ans Schanzkleid trat.

      Krachend schrammten die Schiffsrümpfe aneinander. Auf der kleineren Galeone brachen Rüsten und Berghölzer.

      Der Kampf Mann gegen Mann, mit unbarmherziger Härte geführt, begann. Mit Schiffshauern, Degen und Äxten drangen Soldaten und Piraten aufeinander ein, wobei die Spanier von vornherein in der Überzahl waren.

      Musketen und Arkebusen waren in dem Getümmel noch als Schlagwaffen zu gebrauchen, und einzig Pistolenschüsse krachten hin und wieder. Aber keiner der Schützen fand Gelegenheit zum Nachladen.

      César Garcia und Juarez Molina verfolgten das Gemetzel vom Achterdeck des Viermasters aus. Auf der Piratengaleone wurde es eng.


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