Seewölfe Paket 34. Fred McMason
Читать онлайн книгу.und tätschelte eins seiner Geschütze. Die Sachen klebten ihm am Körper, das Haar hing ihm in triefenden, wirren Strähnen ins Gesicht.
„He, Al, Mister Conroy, zieh kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter!“ röhrte der Profos. „Bewegung, wenn ich bitten darf! Oder wartest du auf bessere Zeiten?“
„Du hättest dich nicht mit Shane anlegen sollen.“
„Was hat Shane mit deinen Culverinen zu tun?“
„Wenig – außer, daß er mit einem Langbogen selbst beim miesesten Wetter auf hundert Schritte ein Segel trifft.“
„Das solltest du auch versuchen.“ Carberry wischte sich mit dem Ärmel die Nässe aus dem Gesicht – ein vergebliches Unterfangen. „Scheißwetter!“ schimpfte er.
Inzwischen waren die Kerle auf der „Ghost“ auf die Verfolger aufmerksam geworden. Sie fielen nach Steuerbord ab, konnten aber nicht verhindern, daß die Schebecke weiter aufschloß. Als die Sinnlosigkeit des Kurswechsels offenbar wurde, ließ Ruthland wieder sämtliches Tuch setzen.
„Die haben die Hosen jetzt schon voll!“ schrie Old Donegal Daniel O’Flynn.
Auf zweihundertfünfzig Schritte Distanz waren trotz der schlechten Sicht Einzelheiten zu erkennen. Auf dem Achterdeck der Karavelle schienen Ruthland und Lefray zu Salzsäulen erstarrt zu sein. Unverwandt starrten sie durch ihre Spektive.
Carberry trat ans Schanzkleid und winkte mit der Faust. Er setzte ein ziemlich wüstes Gesicht auf, das jedem, der ihn nicht kannte, das Herz in die Hosen rutschen ließ.
„Freut mich wirklich, euch zu sehen“, murmelte er. „Freut mich sogar ganz außerordentlich, ihr verdammten Affenärsche.“
Auf der Karavelle wurden die Geschütze ausgerannt.
„He, Mister Conroy, wartest du, bis auf deinen Culverinen Blumen sprießen? Dieser lausige Affe Ruthland läßt auf uns schießen und du stehst rum und starrst Löcher in die Luft.“
Al Conroy starrte nicht in die Luft, er blickte vielmehr zum achteren Niedergang, wo jeden Moment die Zwillinge erscheinen mußten, die er zum Munition holen geschickt hatte. Erst als Philips Haarschopf in der Öffnung auftauchte, riß er mit einem Ruck die Plane von einem Geschütz.
Der Regen prasselte unaufhörlich. Im Nu stand das Wasser auf dem Bronzerohr.
Philip hatte sich ein trockenes Hemd übergezogen und barg darunter, zusätzlich in einen Fetzen Segeltuch eingewickelt, eine Kartusche. Aber schon der kurze Moment, in dem er die Pulverladung dem Stückmeister reichte und der sie ins Rohr wuchtete, genügte, um das Leinensäckchen zu durchnässen.
Hasard junior schleppte die Kugel und genügend Werg zum Verdammen herbei. Mit Akribie rammte Al Geschoß und Dämmaterial fest, danach wischte er mit der Hand und mit einem restlichen Ballen Werg das Wasser rund um das Zündloch weg und forderte Hasard auf, die Hände über das noch mit einem Stopfen gesicherte Loch zu halten.
Er konnte aber nicht verhindern, daß beim Anstechen der Kartusche Nässe auf die Pfanne rann.
Philip junior brachte einen Becher voll feinkörniges Pulver. Die Öffnung hatte er mit einem Plankenstück abgedeckt. Al nickte ihm dankbar zu, schüttete das Pulver aber noch nicht ins Zündloch.
Aus der Kombüse klang undeutliches Schimpfen an Deck. Der Kutscher war gar nicht damit einverstanden, daß Batuti und Shane die glühende Holzkohle aus seinem Herd in einen kupfernen Feuerkessel schaufelten. Aber selbst seine Drohung, nur kaltes Essen aufzutischen, verfehlte die Wirkung.
Die Männer auf der „Ghost“ verloren inzwischen angesichts der bedrohlich nahe aufschließenden Schebecke die Nerven.
„Wahrschau!“ rief Dan, als er das Blaken einer Fackel sah, die auf das Zündloch einer Kanone gesenkt wurde. Eine Fackel war in der Tat nötig, denn der Regen hätte jede Lunte ausgelöscht.
Das Dröhnen der Pulverexplosion blieb aus. Ebenso die übliche grelle Stichflamme. Lediglich ein flackerndes Aufleuchten erfüllte für einen Augenblick die Stückpforte, gefolgt von dichtem weißem Rauch.
Der Profos begann, sein Rammkinn zu massieren.
„Ein Böller“, sagte er. „Das gönne ich den Säcken.“
Nach dem zweiten mißglückten Versuch, der immerhin eine winzige Stichflamme zeigte, lästerte er: „Die sind tatsächlich zu bescheuert, eine Kugel rüberzuschicken. Mein Gott, was treiben die, falls sie jemals auf Spanier treffen?“
Der dritte Schuß entlockte ihm ein vergnügtes Wiehern. Er schlug sich auf die Schenkel, daß es dröhnte.
„Zeig’s ihnen, Al! Rasier ihnen die Masten weg, daß sie nicht mehr wissen, woher der Wind weht. Na los, auf was wartest du?“
Der Stückmeister der Arwenacks bedachte ihn mit einem schiefen Blick. Die Euphorie Carberrys durch die Nähe der Karavelle hervorgerufen, wich endlich einer nüchternen Betrachtungsweise. Der Profos blickte entgeistert auf den Kupferkessel mit der zischenden, brodelnden Holzkohle und die darin heftig flackernde Fackel und verlegte sich darauf, seinen Schädel zu kratzen.
„Ein schöner Mist ist das“, murmelte er. „Kriegst du wirklich kein Kügelchen rüber?“
„Al könnte versuchen, den Kanönchen gut zuzureden“, sagte Philip junior forsch.
„Genau das ist es.“ Carberry strahlte, als gäbe es frischen Honigkuchen zum Kosten.
Der Wind wehte Funken davon, als Al Conroy nach der Fackel griff. Er mußte sie tief auf das Zündloch halten. Nach einer Weile zischte und brodelte es, Qualm stieg auf, und dann erklang ein dumpfes, klatschendes Geräusch, ungefähr so, als hätte jemand einen Korken aus einer Weinflasche gezogen. Funken und glimmende Teile der Kartusche sprühten aus der Mündung, das meiste davon wirbelte ins Meer.
Dreißig Yards entfernt stieg eine mickrige Fontäne in die Höhe.
„Immerhin“, sagte der Profos, der in dem Moment wirklich nicht wußte, ob er weinen oder lachen sollte, „wenn wir ganz nahe an die ‚Ghost‘ rangehen, triffst du.“
Das mit dem „ganz nahe rangehen“, wie es sich Edwin Carberry vorstellte, klappte nicht. Die „Ghost“ offenbarte eine außerordentliche Manövrierfähigkeit.
„Die Kerle segeln dem Teufel den Schwanz ab“, mußte der Profos anerkennend eingestehen. Aber er fügte sofort hinzu: „Kein Wunder. Wenn ich die Hosen voll hätte, würde ich auch auf Biegen und Brechen jeden Kurs nehmen.“
Bis zum Einbruch der Nacht waren es bestenfalls noch zwei Stunden. Zweifellos hofften Ruthland und seine Kumpanen, in völliger Finsternis der Schebecke davonlaufen zu können. Falls die Wolkendecke nicht bald aufriß, würde nicht ein Stern zu sehen sein.
Die Jagd führte zunächst dicht unter Land. Die Küste dampfte von den unablässig niedergehenden Regengüssen. Die Nässe wirkte zermürbend.
Die Nacht brach früher herein als erwartet. Zu dem Zeitpunkt lief die „Ghost“ wieder Kurs auf das Arabische Meer.
„Ruthland weiß, daß er in der Dunkelheit nur weit draußen sicher ist“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Er kann mit einer halben Kabellänge Distanz an uns vorbeisegeln, und wir werden ihn nicht bemerken.“
Während der letzten Stunde waren Batuti und Big Old Shane nicht mehr an Deck der Schebecke gesehen worden. Die Männer munkelten allerlei, und sie trafen wohl auch den Kern der Sache, ohne jedoch zu erraten, was der Gambiamann und Old Shane tatsächlich ausheckten. Das stellte sich erst heraus, als beide kurz vor Einbruch der Dämmerung wieder auf der Kuhl erschienen.
Batuti trug seinen Langbogen und einen Köcher voll Pfeile, Shane schleppte ein seltsames Gebilde, eine Kupferschüssel mit Dach.
Zum zweitenmal an diesem Tag war die Kombüse geplündert worden. Aus Protest ließ sich Mac Pellew überhaupt nicht mehr blicken, und der Kutscher sagte aufgebracht: „Kein Feuer im Herd, keine Schüssel mehr – ich schlage