Zwei Jahre Ferien. Jules Verne

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Zwei Jahre Ferien - Jules Verne


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so lan­ge wir uns nicht mit ei­ge­nen Au­gen über­zeugt ha­ben …«

      »Das soll sehr bald ge­sche­hen«, un­ter­brach ihn Gor­don, »denn wir müs­sen wis­sen, wor­an wir sind.«

      »Und ich möch­te hin­zu­fü­gen«, mel­de­te sich Bax­ter, »dass wir kei­nen Tag zu ver­lie­ren ha­ben, wenn wir noch, im Fal­le wir auf ei­nem Fest­land sind, vor Ein­tritt der schlech­ten Jah­res­zeit wei­ter­zie­hen wol­len.«

      »Schon mor­gen«, nahm Gor­don wie­der das Wort, »wer­den wir, falls die Wit­te­rung es er­laubt, einen auf meh­re­re Tage aus­ge­dehn­ten Aus­flug un­ter­neh­men. Ich sage, wenn es schö­nes Wet­ter ist; denn sich in die dich­ten Wäl­der des In­ne­ren bei schlech­tem Wet­ter zu wa­gen, wür­de eine ent­schie­de­ne Tor­heit sein …«

      »Ganz recht, Gor­don«, be­stä­tig­te Bri­ant, »und wenn wir die ent­ge­gen­ge­setz­te Sei­te der In­sel er­reicht ha­ben …«

      »Im Fall es eine In­sel ist!« rief Do­ni­phan da­zwi­schen, der un­gläu­big mit den Ach­seln zuck­te.

      »Es ist aber eine In­sel«, ver­setz­te Bri­ant un­ge­hal­ten. »Ich habe mich nicht ge­täuscht! Mit volls­ter Deut­lich­keit habe ich im Os­ten das Meer er­kannt. Do­ni­phan ge­fällt sich nur dar­in, mir, sei­ner Ge­wohn­heit ge­mäß, zu wi­der­spre­chen …«

      »Oh, du bist nicht un­fehl­bar, Bri­ant!«

      »Nein, das bin ich nicht; doch die­ses Mal wer­det ihr ja se­hen, ob ich mich ge­irrt habe! Ich wer­de selbst aus­zie­hen, die­ses Land nä­her zu be­sich­ti­gen, und wenn Do­ni­phan mich be­glei­ten will …«

      »Na­tür­lich geh’ ich mit!«

      »Und wir eben­falls!« rie­fen drei oder vier der grö­ße­ren Kna­ben.

      »Gut …! Schon gut …!« mein­te Gor­don; »nur nicht über den Strang ge­schla­gen, mei­ne Freun­de! Wenn wir auch noch Kin­der sind, wol­len wir doch gleich Män­nern han­deln. Un­se­re Lage ist sehr ernst, und eine Unklug­heit könn­te sie nur noch ver­schlim­mern! Nein, alle dür­fen wir nicht durch jene Wäl­der zie­hen. Die Klei­nen könn­ten uns da­hin doch nicht fol­gen, und sol­len wir die­se al­lein auf dem »Sloug­hi« zu­rück­las­sen? Mö­gen Do­ni­phan und Bri­ant sich dort­hin auf den Weg ma­chen, und zwei ih­rer Ka­me­ra­den sie be­glei­ten …«

      »Ich!« mel­de­te sich Wil­cox.

      »Und ich!« rief Ser­vice.

      »Mei­net­we­gen«, ant­wor­te­te Gor­don; »drei wer­den üb­rig ge­nug sein. Kommt ihr nicht recht­zei­tig zu­rück, so könn­te euch im­mer noch ei­ner von uns ent­ge­gen­ge­hen, wäh­rend die an­de­ren auf dem Scho­ner ver­blei­ben. Ver­ge­sst nicht, dass hier un­ser La­ger, un­ser ›Haus‹ ist, und das dür­fen wir nicht ver­las­sen, au­ßer wenn wir si­cher sind, uns auf ei­nem Fest­land zu be­fin­den.«

      »Wir sind auf ei­ner In­sel!« er­wi­der­te Bri­ant. »Ich blei­be bei mei­ner Be­haup­tung!«

      »Das wer­den wir se­hen!« sag­te Do­ni­phan.

      Die klu­gen Ratschlä­ge Gor­d­ons hat­ten der Mei­nungs­ver­schie­den­heit die­ser jun­gen Starr­köp­fe ein Ende ge­macht. Auch Bri­ant er­kann­te gern an, dass es not­wen­dig sei, durch die gan­ze Brei­te der Wäl­der des In­ne­ren zu ge­hen, um bis zu der von ihm ge­se­he­nen Was­ser­li­nie selbst zu ge­lan­gen. An­ge­nom­men, es war das Meer, das sich da im Os­ten vor ih­nen aus­dehn­te, so konn­ten in der­sel­ben Rich­tung ja auch noch an­de­re, viel­leicht nur durch einen schma­len Kanal ge­trenn­te In­seln lie­gen, nach de­nen sie ohne Schwie­rig­kei­ten über­set­zen konn­ten. Und wenn die­se In­sel ei­nem Archi­pel an­ge­hör­te, wenn am Ho­ri­zont sich grö­ße­re Hö­hen zeig­ten, so muss­te man sich doch wohl da­von ge­naue­re Kennt­nis ver­schaf­fen, ehe ein Ent­schluss be­züg­lich der Ret­tung al­ler ge­fasst wer­den konn­te. Un­zwei­fel­haft war ja nur, dass nach Wes­ten hin kein Land lag zwi­schen die­sem Teil des Stil­len Ozeans und den Küs­ten von Neu­see­land. Die jun­gen Schiff­brü­chi­gen durf­ten also nur hof­fen, ein be­wohn­tes Ge­biet zu fin­den, wenn sie ein sol­ches nach der Sei­te des Son­nen­auf­gangs such­ten.

      Je­den­falls schi­en es ge­ra­ten, die­se Nach­for­schung nur bei ganz gu­tem Wet­ter an­zu­stel­len, und so wie Gor­don ge­sagt hat­te, ge­ziem­te es sich für sie, nicht wie Kin­der, son­dern wie Män­ner zu han­deln. Bei den Um­stän­den, un­ter de­nen sie sich be­fan­den, bei den noch in Zu­kunft dro­hen­den Ge­fah­ren, muss­te ihre Lage, wenn die Kna­ben nicht eine früh­rei­fe Ein­sicht ent­wi­ckel­ten, wenn der leich­te Sinn, die na­tür­li­che In­kon­se­quenz ih­res Le­bensal­ters sie vor­wie­gend be­ein­fluss­ten und zwi­schen ih­nen viel­leicht gar noch Un­ei­nig­keit ein­trat — wel­che an sich schon be­denk­lich ge­nug er­schi­en —, eine ge­ra­de­zu ver­zwei­fel­te wer­den, und in Er­wä­gung des­sen war Gor­don fest ent­schlos­sen, al­les zu tun, um eine ge­wis­se Ord­nung un­ter sei­nen Ka­me­ra­den zu er­hal­ten.

      So ei­lig es Bri­ant und Do­ni­phan in­des mit ih­rem Aus­flug hat­ten, zwang sie ein Um­schlag der Wit­te­rung doch, die­sen zu ver­ta­gen. Am nächs­ten Mor­gen fiel näm­lich mit ein­zel­nen Un­ter­bre­chun­gen ein recht kal­ter Re­gen her­ab. Das fort­wäh­ren­de Fal­len des Baro­me­ters stell­te eine Pe­ri­ode un­s­te­ter Wit­te­rung in Aus­sicht, von der nie­mand vor­her wis­sen konn­te, was sie mit sich brin­gen wür­de. Un­ter sol­chen un­güns­ti­gen Be­din­gun­gen wäre es mehr als toll­kühn ge­we­sen, sich wei­ter hin­aus zu wa­gen.

      Üb­ri­gens war das ge­wiss nicht be­son­ders zu be­kla­gen. Es ver­steht sich zwar von selbst, dass es alle — von den Kleins­ten kann hier­bei nicht die Rede sein — ver­lang­te zu wis­sen, ob das Meer sie von al­len Sei­ten um­schloss. Doch wenn sie auch die Ge­wiss­heit er­lang­ten, auf ei­nem Fest­land zu sein, hät­ten sie wohl dar­an den­ken kön­nen, quer durch ein ih­nen völ­lig un­be­kann­tes Land zu wan­dern, und noch oben­drein, wenn der Ein­tritt schlech­te­rer Jah­res­zeit al­len An­zei­chen nach so nahe be­vor­stand? Konn­ten sie die An­stren­gung ei­nes Mar­sches aus­hal­ten, der sich mög­li­cher­wei­se über Hun­der­te von Mei­len hin er­streck­te?

      Hät­te der Kräf­tigs­te von ih­nen Aus­dau­er ge­nug be­ses­sen, ein so fer­nes Ziel zu er­rei­chen? Nein! Um ein sol­ches Un­ter­neh­men vor­aus­sicht­lich glück­lich durch­zu­füh­ren, muss­te das­sel­be bis zur­zeit der lan­gen Tage ver­scho­ben wer­den, wo kei­ne Un­bill der Wit­te­rung, wie sie der Win­ter mit sich bringt, zu be­fürch­ten war. Die klei­ne Ge­sell­schaft muss­te sich wohl oder übel ent­schlie­ßen, die kal­te Jah­res­zeit auf dem »Sloug­hi« aus­zu­hal­ten.


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