Daniela und der Klassenschreck. Marie Louise Fischer

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Daniela und der Klassenschreck - Marie Louise Fischer


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dir solche Bemerkungen! So etwas sähe Sabine gar nicht ähnlich.“ Frau Kern setzte sich zu Tisch. „Ich wünsche euch allen einen guten Hunger!“

      Auch die Kinder rückten ihre Stühle heran und nahmen Platz.

      Während der Mahlzeit kümmerte sich niemand um Sabine, und sie war froh, daß man sie in Ruhe ließ. Essen war für Kaspar und Hannes immer eine Beschäftigung, die sie voll und ganz in Anspruch nahm.

      Erst als auch der letzte Rest des Schokoladenpuddings vertilgt war, standen sie auf. Hannes, der zwei Wochen mit einer Halsentzündung im Bett gelegen hatte und gestern zum erstenmal aufgestanden war, wurde ins Jungenzimmer geschickt. Er sollte sich ausruhen. Kaspar bekam den vollen Mülleimer in die Hand gedrückt, den er unten im Hof in die Mülltonnen ausleeren sollte. Sabine mußte ihrer Mutter beim Geschirrtrocknen helfen.

      Als Frau Kern mit ihrer Tochter allein war, fragte sie behutsam: „Sei mal ehrlich, Sabine, die Sache mit dem Amtsarzt … ist das der Ärger, den du in der Schule gehabt hast?“

      „Nicht nur.“

      „Was denn sonst noch?“

      Sabine nahm den Teller, den die Mutter auf die Abtropfplatte gestellt hatte, und begann ihn blankzureiben. „Du weißt doch, wie sie sind“, sagte sie.

      „Nein, das weiß ich nicht!“ sagte Frau Kern. „Zu meiner Zeit … als ich noch in die Schule ging, da hatte ich eine Menge dicker Freundschaften! Daß es auf der alten Schule ein bißchen schwer für dich war, das habe ich ja verstanden. Aber ich hatte gedacht … ich hatte so gehofft, Sabine, du würdest hier ein paar nette Freundinnen finden.“

      „Wozu? Was soll ich damit?“

      „Ich bitte dich, red doch nicht so daher! Man braucht Freundinnen, um … um …“ Frau Kern fand nicht gleich die richtigen Worte.

      Sabine lachte. „Gib’s auf, Mutter, du weißt es selber nicht.“ Ihr Gesicht verdüsterte sich sofort wieder. „Ich brauche wirklich keine Freundin. Sie sollen mich nur in Ruhe lassen, weiter will ich nichts. Ich möchte bloß wissen, warum alle immer auf mir rumhacken müssen … alle!“

      „Wer hat das getan, Sabine?“

      „Ich sag dir ja, alle! Weißt du, die haben so eine Angeberin in der Klasse … ein gräßliches Mädchen. Faul und dumm und immer das große Wort. Aber alle bewundern sie. Dany hin und Dany her, so geht das den ganzen Tag. … Selbst die Lehrer fassen sie mit Samthandschuhen an.“

      „Aber warum, Sabine? Warum tun sie das? Es muß doch einen Grund geben, daß dieses Mädchen so beliebt ist?“

      „Keine Ahnung. Vielleicht, weil ihre Eltern klotzig Geld haben.“

      Frau Kern sah ihre Tochter zweifelnd an. „Daß das der einzige Grund sein sollte, weshalb ein Mädchen vorgezogen wird … Nein, Sabine, das kann ich nicht recht glauben.“

      „Aber es ist so!“ rief Sabine heftig. „Ich sag’s dir, Mutter, es ist nichts drum und nichts dran an dieser Ziege. Dumm wie Bohnenstroh! Ja, vielleicht“, gab sie zu, „vielleicht Könnte man sagen, daß sie ganz nett aussieht … weißt du, sie ist so eine mit blonden Locken und … ja, kokett ist sie! Sie macht allen schöne Augen! So ein Unschuldsblick, weißt du!“

      „Das ist schlimm“, sagte die Mutter. „Mir scheint, diese … wie heißt sie doch gleich?“

      „Dany! Das ist auch wieder so ein Quatsch. Daniela heißt sie, Daniela Wilde! Und Dany nennt sie sich!“

      „Ich wollte sagen, diese Dany scheint ja wirklich kein sehr angenehmes Mädchen zu sein. Trotzdem, Sabine … trotzdem möchte ich dir raten, dich gut mit ihr zu stellen. Wenn sie nun einmal tonangebend in der Klasse ist.“

      „Aber ich denke nicht daran!“ rief Sabine und stellte den Teller, den sie in der Hand hatte, so heftig auf den Tisch, daß die Mutter erschrocken zusammenfuhr. „Ich denke nicht daran! Das habe ich nicht nötig! Ich gehe ja nicht in die Schule, um … um mich bei jemandem lieb Kind zu machen, sondern um zu lernen. Im Lernen bin ich ihnen allen über, darauf kannst du dich verlassen, Mutter.“

      „Ja, ja, ich weiß, du bist mein gescheites Mädchen!“ sagte Frau Kern, aber ihre Stimme klang alles andere als glücklich. „Nur … ich muß so oft denken, ob du es nicht übertreibst?“

      „Das Lernen? Kann man das denn übertreiben?“

      Frau Kern seufzte. „Ich brauche dir ja nichts vorzumachen, Sabine, du weißt, ich war nie so gescheit wie du. Immer bloß gute Mitte. Aber … wieviel Spaß haben wir in der Schule gehabt! Und heute noch … Tante Lore, der ich immer noch schreibe, ist mit mir zusammen in die Klasse gegangen. So gute Freundinnen waren wir damals. Ich denke, daß das auch wichtig ist.“

      „Für mich nicht.“

      Frau Kern ließ das Spülwasser ab, wischte das Becken aus. „Andere Mütter“, sagte sie seufzend, „andere Mütter wären wahrscheinlich froh, wenn sie ein so fleißiges und kluges Kind hätten. Sicher ist es undankbar von mir, daß ich nicht mit dir zufrieden bin. Sieh mich nicht so an, Sabine … ich muß es dir einmal sagen. Ich wünschte mir so sehr, du würdest ein bißchen fröhlicher sein, lockerer!“

      „Dazu habe ich wohl kaum einen Grund“, sagte Sabine finster.

      „Siehst du, da bin ich eben ganz anderer Meinung. Natürlich, uns fliegen nicht gerade die gebratenen Tauben in den Mund. Wir sind gesund, haben uns lieb … und du wirst sehen, ich werde bald sehr schön verdienen. Es gibt viele Leute, denen es schlechter geht als uns.“

      „Andere Leute interessieren mich nicht.“

      „Grade das ist dein Fehler! Du denkstimmerzu nur an dich! Denk doch auch mal ein bißchen an andere. Kümmere dich mehr um deine Brüder! Ja, ich weiß, sie sind auch nicht sehr nett zu dir, aber wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Versuche einmal freundlich und herzlich zu deinen Klassenkameradinnen zu sein, ich bin sicher …“

      „Ach, Mutter, das hat doch keinen Zweck!“ sagte Sabine. „Ich hätte dir gar nichts erzählen sollen. Du verstehst mich doch nicht.“

      „Du willst nicht verstanden werden!“ sagte Frau Kern.

      Sie hätte gern noch länger mit ihrer Tochter gesprochen, aber in diesem Augenblick kam Kaspar mit dem leeren Mülleimer zurück.

      „So, Mutter, da hast du!“ sagte er, dann wandte er sich an seine Schwester. „Was ist nun, Sabine, erklärst du mir die Aufgabe, ja oder nein?’“

      „Nein!“ sagte Sabine. „Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich keine Zeit habe.“

      „Na hör mal, nun sei doch nicht so! Es dauert doch nur fünf Minuten!“

      „Schon zuviel. Ich habe einen schweren Hausaufsatz zu schreiben und sonst noch allerlei. Und dann muß ich, wie du weißt, heute noch zum Arzt.“

      „Also weißt du, Sabine, das finde ich richtig gemein! Andere Schwestern …“

      „Bitte, reg dich nicht auf, Kaspar“, sagte die Mutter und fuhr ihm mit der Hand durch das struwwelige Haar. „Wie wär’s, wenn du mal meinen Rat einholen würdest? Ich bin zwar, was Schule betrifft, nicht ganz so gescheit wie unsere Sabine, aber vielleicht kann ich dir ausnahmsweise doch helfen!“

      Kaspar schlang die Arme um die Mutter, drückte sie mit aller Kraft. „Ach ja, bitte, Mami“, sagte er begeistert. „Herrje, wenn wir dich nicht hätten! Der Mann, der später mal auf Sabine reinfällt, der ist wirklich angeschmiert.“

      Sabine hätte gern geantwortet, daß sie gar nicht daran dächte, zu heiraten, aber sie zwang sich zu schweigen. Sie fühlte, daß Kaspar nur auf eine solche Bemerkung wartete, um sich mit ihr streiten zu können. Sie schlug ihr neues Hausaufsatzheft auf, schrieb über die Mitte der Seite fein säuberlich: „Gesundheit und Krankheit“, dachte nach.

      Mutter und Bruder setzten sich ihr gegenüber an den Tisch, sie sprachen halblaut miteinander.

      Sabine


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