Bullseye - Bull & Tiger. Monica James

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Bullseye - Bull & Tiger - Monica James


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      Wäre ich mehr wie mein älterer Bruder Damian gewesen, könnte ich jetzt ein verdammter Astronaut sein. Ich werfe meinen Eltern nicht vor, wo ich gelandet bin, denn es war nicht ihre Schuld. Es war meine. Ich war faul und geriet auf die schiefe Bahn.

      Blut.

      So viel Blut.

      Ich verdränge die Erinnerung, die mich jedes Mal quält, wenn ich die Augen schließe. Wenn ich das hier überlebe, dann muss ich lernen, mit offenen und geschlossenen Augen zu leben. Nur so ende ich nicht wieder im Knast.

      Es weht eine kühle Brise, und ich ziehe die Kapuze über meinen rasierten Kopf, denn die dunklen Sturmwolken vor mir sehen bedrohlich aus. Kurz darauf öffnet der Himmel seine Schleusen und die blöden Engel pissen mich voll. Ich beschleunige mein Tempo, bis ich renne. Endlich sehe ich das rot leuchtende Schild des Hudson Hotels ein paar Blocks vor mir.

      Auch wenn sich der Name geändert hat, ist es immer noch dasselbe heruntergekommene Drecksloch, das es vor zwölf Jahren war. Auch noch so viel Farbe kann dieses Scheißding nicht aufpolieren. Aber dieses Drecksloch wird mein Zuhause sein, bis ich meinen Plan in die Tat umsetzen kann. Also wird es mein trautes Heim.

      Die Glocke über der Tür klingelt schwächlich, als ich die Holztür aufdrücke und glücklich bin, der Sintflut draußen zu entkommen. Hinter dem weißen Empfangstresen sitzt eine Frau mittleren Alters, die in einem Magazin blättert und eine dünne Zigarre raucht.

      Ihre blauen Augen richten sich auf mich. „Hey, Süßer. Du bist ja ganz nass. Bist du im Regen hergelaufen?“

      Ich nicke, streife die Kapuze vom Kopf und streiche über die kurzen, dunklen Stoppeln auf meinem Schädel. Dann lange ich in meine Gesäßtasche und ziehe einen Hundertdollarschein heraus. Das Totenschädel-Tattoo auf meinem Handrücken erregt ihre Aufmerksamkeit. „Wie viele Nächte kann ich dafür hierbleiben?“

      Ihre roten Fingernägel sind wie Krallen, als sie den zerfledderten Geldschein zu sich zieht. Sie befühlt den Schein und sieht mich aufmerksam an. „Bist du gerade rausgekommen?“

      Ich nicke nur. Sie muss den Verbrecher an mir riechen. „Für dich, Süßer, reicht das für eine Woche.“

      „Danke.“

      „Kein Problem.“ Sie fasst in ihren tiefen Ausschnitt und holt eine zerknitterte weiße Visitenkarte hervor. „Wenn du etwas brauchst, ruf mich an.“

      Sie beugt sich über den Tresen und hält mir die Karte zwischen zwei Fingern hin. Ich nehme sie und lese den Namen.

       Venus Bisset – Managerin

      „Vielen Dank“, sage ich und halte die Karte hoch.

      „Oh, Süßer“, schnurrt sie. „Jemand mit so schönen Augen wie du darf mich immer anrufen. Tag und Nacht.“ Sie zwinkert mit ihren lächerlich langen falschen Wimpern, die aussehen, als wären Raupen auf ihren Lidern mutiert.

      „Danke, Venus.“

      „Ich danke dir. Ich habe noch nie zuvor jemanden mit zwei verschiedenen Augenfarben gesehen. Es ist, als ob Himmel und Hölle einen persönlichen Krieg führen und die andere Seite erobern wollen“, sagt sie mit scheinbarer Ehrfurcht vor meiner genetischen Anomalität.

      Ihr Blick schießt von meinem linken Auge, das hellblau ist, zu meinem rechten, das je nach Lichtverhältnissen grün oder fast bernsteinfarben ist. Ihre Aufmerksamkeit kehrt zum linken zurück. Das Blau scheint immer zu gewinnen.

      „Welche Seite gewinnt?“, fragt sie, während ich mir wieder die Kapuze über den Kopf ziehe.

      „Frag mich das nächste Woche.“

      Sie lächelt spöttisch, leckt sich über die rot geschminkten Lippen und wühlt dann in einer Schublade herum, in der sich ein Stapel weiße Schlüsselkarten befindet. „Ich checke dich ein. Wie heißt du?“

      Ich trete von einem Bein aufs andere und nenne ihr den Namen, unter dem ich seit jener Nacht bekannt bin. Aber dieser Name passt auch zu dem, zu dem ich geworden bin. „Bullseye. Aber nenn mich Bull.“

      „Du redest nicht viel, was?“

      Ich nicke kurz, denn sie hat recht. Ich fülle die Leere nicht mit Unsinn. Ich rede nur, wenn es nötig ist.

      „Ich sorge dafür, dass du keine Probleme kriegst. Ich will keinen Ärger.“ Sie schiebt mir den Schlüssel zu und fragt nicht nach meinem Spitznamen.

      „Ich auch nicht.“ Ich greife nach der Schlüsselkarte, doch Venus legt ihre Hand über meine. Ich balle die Hand sofort zur Faust, und mein ganzer Körper geht in Kampfbereitschaft. Doch ich atme kurz durch und zügle den Drang, Schmerz zuzufügen.

      „Die Eismaschine ist gleich um die Ecke. Das Rauchen ist in allen Zimmern verboten.“ Man würde ja auch nicht wagen, diese reinliche Einrichtung zu verschmutzen.

      Sie lässt meine Hand los und lächelt. „Genieß deinen Aufenthalt. Du hast Zimmer vierzehn. Wenn du mich brauchst, hast du meine Nummer.“

      Ich ziehe meine Hand sofort zurück und lockere die Faust. Venus scheint von meinem merkwürdigen Verhalten unbeeindruckt.

      Mit der Schlüsselkarte in der Hand bedanke ich mich bei Venus und gehe aus der Tür. Sobald ich draußen bin, atme ich ein paar Mal tief durch, um die wilden Dämonen in mir unter Kontrolle zu bringen. Berührt zu werden, überschreitet eine meiner Grenzen. Wenn man mich nicht berührt, gibt es keine Probleme.

      Ich mag es nicht, wenn Menschen mir auf die Pelle rücken. Wenn man so lange im Knast war, vergisst man die Berührungen anderer Menschen und lernt, damit zu leben. Und nach einer Weile begann es, mir zu gefallen. Ich mochte die Einsamkeit, denn Berührungen schaffen Verbindungen zu anderen Menschen, und daran bin ich nicht interessiert. Ich reiße mich zusammen und gehe den betonierten Fußweg hinunter. Mein Zimmer ist die vorletzte Tür auf der linken Seite. Ich ziehe die Karte über den Sensor und warte auf das Piepen, das mir Einlass gewährt. Als ich die Tür aufschiebe, quietscht die Vier in meiner Zimmernummer plötzlich und verrutscht. Auf dem Kopf hängend schwingt sie hin und her. Ihr verfallener Zustand offenbart, auf was ich mich beim Eintreten gefasst machen muss.

      Ohne weiteres Zögern betrete ich mein Zimmer. Es ist genauso, wie ich es erwartet habe – klein, einfach möbliert, mit angrenzendem Bad. Ich mache die Tür zu und verschließe sie. Dann streife ich die Stiefel ab und schalte die Wandheizung ein. Der rote Teppich ist schmutzig und die Brandflecken zeigen mir, dass den Mietern vor mir das Rauchverbot scheißegal war.

      Ich gehe durchs Zimmer und ins Bad. Dort schalte ich das schwache Licht an und sehe, dass ich ein Duschbad, ein Waschbecken, einen Spiegel und eine Toilette habe. Ein paar billige Pflegeartikel sind ordentlich auf dem gerissenen Marmor der Abstellfläche arrangiert worden. Ich sehe die kleine Dusche an und weiß, dass ich sie am meisten genießen werde. Warm zu duschen, ohne ständig über die Schulter schauen zu müssen aus Angst, dass man wegen seiner Seife abgestochen oder gefickt wird, wird schön sein.

      Ich ziehe mich aus, hänge meine Sachen an dem silberfarbenen Haken auf, und stelle das Wasser auf Heiß. Es ist mir egal, dass mir die Hitze auf der Haut brennt. Ich trete unter den Wasserstrahl, und das ständige Kältegefühl verschwindet langsam aus meinen Knochen, während ich mich von Seite zu Seite drehe.

      Dass mir die einfachsten Freuden des Lebens genommen wurden, scheint unfair zu sein, aber ich habe es verdient. Ich habe alles verdient.

      Als ich daran denke, wie ich jemandem die einfachsten, alltäglichen Annehmlichkeiten geraubt habe, habe ich plötzlich das Gefühl, dass ich dieses kleine Stück Glück nicht verdient habe. Ich verdiene kein Glück. Dieses Recht habe ich verwirkt, als ich den größten Fehler meines Lebens machte.

      Ich kneife die Augen zusammen, während die Erinnerung über mich hereinbricht, und drehe den Wasserhahn auf Kalt. Ich lege die Handflächen an die geflieste Wand und lasse den Kopf zwischen meine ausgebreiteten Arme sinken. Die Silberkette baumelt wie ein Pendel um meinen Hals. Ich bete, dass das kalte Wasser meine Sünden wegwäscht, doch


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