Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik. Immanuel Kant

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Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik - Immanuel Kant


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aufgeklärten Nationen allmählig zu uns gelangt ist, episodisch hinzuthut: so wird man einen regelmäßigen Gang der Verbesserung der Staatsverfassung in unserem Welttheile (der wahrscheinlicher Weise allen anderen dereinst Gesetze geben wird) entdecken. Indem man ferner allenthalben nur auf die bürgerliche Verfassung und deren Gesetze und auf das Staatsverhältnis Acht hat, in so fern beide durch das Gute, welches sie enthielten, eine Zeitlang dazu dienten, Völker (mit ihnen auch Künste und Wissenschaften) empor zu heben und zu verherrlichen, durch das Fehlerhafte aber, das ihnen anhing, sie wiederum zu stürzen, so doch, daß immer ein Keim der Aufklärung übrig blieb, der, durch jede Revolution mehr entwickelt, eine folgende noch höhere Stufe der Verbesserung vorbereitete: so wird sich, wie ich glaube, ein Leitfaden entdecken, der nicht bloß zur Erklärung des so verworrenen Spiels menschlicher Dinge, oder zur politischen Wahrsagerkunst künftiger Staatsveränderungen dienen kann (ein Nutzen, den man schon sonst aus der Geschichte der Menschen, wenn man sie gleich als unzusammenhängende Wirkung einer regellosen Freiheit ansah, gezogen hat!); sondern es wird (was man, ohne einen Naturplan vorauszusetzen, nicht mit Grunde hoffen kann) eine tröstende Aussicht in die Zukunft eröffnet werden, in welcher die Menschengattung in weiter Ferne vorgestellt wird, wie sie sich endlich doch zu dem Zustande empor arbeitet, in welchem alle Keime, die die Natur in sie legte, völlig können entwickelt und ihre Bestimmung hier auf Erden kann erfüllt werden. Eine solche Rechtfertigung der Natur – oder besser der Vorsehung – ist kein unwichtiger Bewegungsgrund, einen besonderen Gesichtspunkt der Weltbetrachtung zu wählen. Denn was hilfts, die Herrlichkeit und Weisheit der Schöpfung im vernunftlosen Naturreiche zu preisen und der Betrachtung zu empfehlen, wenn der Theil des großen Schauplatzes der obersten Weisheit, der von allem diesem den Zweck enthält, – die Geschichte des menschlichen Geschlechts – ein unaufhörlicher Einwurf dagegen bleiben soll, dessen Anblick uns nöthigt unsere Augen von ihm mit Unwillen wegzuwenden und, indem wir verzweifeln jemals darin eine vollendete vernünftige Absicht anzutreffen, uns dahin bringt, sie nur in einer andern Welt zu hoffen?

      Daß ich mit dieser Idee einer Weltgeschichte, die gewissermaßen einen Leitfaden a priori hat, die Bearbeitung der eigentlichen bloß empirisch abgefaßten Historie verdrängen wollte: wäre Mißdeutung meiner Absicht; es ist nur ein Gedanke von dem, was ein philosophischer Kopf (der übrigens sehr geschichtskundig sein müßte) noch aus einem anderen Standpunkte versuchen könnte. Überdem muß die sonst rühmliche Umständlichkeit, mit der man jetzt die Geschichte seiner Zeit abfaßt, doch einen jeden natürlicher Weise auf die Bedenklichkeit bringen: wie es unsere späten Nachkommen anfangen werden, die Last von Geschichte, die wir ihnen nach einigen Jahrhunderten hinterlassen möchten, zu fassen. Ohne Zweifel werden sie die der ältesten Zeit, von der ihnen die Urkunden längst erloschen sein dürften, nur aus dem Gesichtspunkte dessen, was sie interessiert, nämlich desjenigen, was Völker und Regierungen in weltbürgerlicher Absicht geleistet oder geschadet haben, schätzen. Hierauf aber Rücksicht zu nehmen, imgleichen auf die Ehrbegierde der Staatsoberhäupter sowohl als ihrer Diener, um sie auf das einzige Mittel zu richten, das ihr rühmliches Andenken auf die späteste Zeit bringen kann: das kann noch überdem einen kleinen Bewegungsgrund zum Versuche einer solchen philosophischen Geschichte abgeben.

      Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit

       Inhaltsverzeichnis

       I

       II

       III

      I

       Inhaltsverzeichnis

      Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit von Joh. Gottfr. Herder.

       Quem te Deus esse iussit et humana qua parte locatus es in re disce.

      Erster Theil. S. 318. 4. Riga und Leipzig bei Hartknoch 1784.

      Der Geist unsers sinnreichen und beredten Verfassers zeigt in dieser Schrift seine schon anerkannte Eigenthümlichkeit. Sie dürfte also wohl eben so wenig, als manche andere aus seiner Feder geflossene nach dem gewöhnlichen Maßstabe beurtheilt werden können. Es ist, als ob sein Genie nicht etwa blos die Ideen aus dem weiten Felde der Wissenschaften und Künste sammelte, um sie mit andern der Mittheilung fähigen zu vermehren, sondern als verwandelte er sie (um ihm den Ausdruck abzuborgen) nach einem gewissen Gesetze der Assimilation auf eine ihm eigene Weise in seine specifische Denkungsart, wodurch sie von denjenigen, dadurch sich andere Seelen nähren und wachsen (S. 292), merklich unterschieden und der Mittheilung weniger fähig werden. Daher möchte wohl, was ihm Philosophie der Geschichte der Menschheit heißt, etwas ganz anderes sein, als was man gewöhnlich unter diesem Namen versteht: nicht etwa eine logische Pünktlichkeit in Bestimmung der Begriffe, oder sorgfältige Unterscheidung und Bewährung der Grundsätze, sondern ein sich nicht lange verweilender, viel umfassender Blick, eine in Auffindung von Analogien fertige Sagacität, im Gebrauche derselben aber kühne Einbildungskraft, verbunden mit der Geschicklichkeit, für seinen immer in dunkeler Ferne gehaltenen Gegenstand durch Gefühle und Empfindungen einzunehmen, die als Wirkungen von einem großen Gehalte der Gedanken, oder als vielbedeutende Winke mehr von sich vermuthen lassen, als kalte Beurtheilung wohl gerade zu in denselben antreffen würde. Da indessen Freiheit im Denken (die hier in großem Maße angetroffen wird), von einem fruchtbaren Kopfe ausgeübt, immer Stoff zum Denken giebt, so wollen wir von den Ideen desselben, soweit es uns glücken will, die wichtigsten und ihm eigenthümlichsten auszuheben suchen und in seinem eigenen Ausdrucke darstellen, zuletzt aber einige Anmerkungen über das Ganze hinzufügen.

      Unser Verfasser hebt damit an, die Aussicht zu erweitern, um dem Menschen seine Stelle unter den übrigen Planetenbewohnern unserer Sonnenwelt anzuweisen, und schließt aus dem mittleren, nicht unvortheilhaften Stande des Weltkörpers, den er bewohnt, auf einen bloß "mittelmäßigen Erdverstand und eine noch viel zweideutigere Menschentugend, darauf er hier zu rechnen habe, die aber doch - da unsere Gedanken und Kräfte offenbar nur aus unserer Erdorganisation keimen und sich so lange zu verändern und verwandeln streben, bis sie etwa zur Reinigkeit und Feinheit gediehen sind, die diese unsere Schöpfung gewähren kann, und, wenn Analogie unsere Führerin sein darf, es auf anderen Sternen nicht anders sein werde - vermuthen lassen, daß der Mensch mit den Bewohnern der letzteren Ein Ziel haben werde, um endlich nicht allein einen Wandelgang auf mehr als einen Stern anzutreten, sondern vielleicht gar zum Umgange mit allen zur Reife gekommenen Geschöpfen so vieler und verschiedener Schwesterwelten zu gelangen." Von da geht die Betrachtung zu den Revolutionen, welche der Erzeugung der Menschen vorher gingen. "Ehe unsere Luft, unser Wasser, unsere Erde hervorgebracht werden konnte, waren mancherlei einander auflösende, niederschlagende Stamina nöthig; und die vielfachen Gattungen der Erde, der Gesteine, der Krystallisationen, sogar der Organisation in Muscheln, Pflanzen, Thieren, zuletzt im Menschen, wie viel Auflösungen und Revolutionen des Einen in das Andere setzten die nicht voraus? Er, der Sohn aller Elemente und Wesen, ihr auserlesenster Inbegriff und gleichsam die Blüthe der Erdschöpfung, konnte nichts anders als das letzte Schooßkind der Natur sein, zu dessen Bildung und Empfang viel Entwickelungen und Revolutionen vorhergehen mußten."

      In der Kugelgestalt der Erde findet er einen Gegenstand des Erstaunens über die Einheit, die sie bei aller erdenklichen Mannigfaltigkeit veranlaßt. "Wer, der diese Figur je beherzigt hätte, wäre hingegangen, zu einem Wortglauben in Philosophie und Religion zu bekehren, oder dafür mit dumpfem, aber heiligem Eifer zu morden?" Eben so giebt ihm die Schiefe der Ekliptik Anlaß zur Betrachtung der Menschenbestimmung: "Unter unserer schräge gehenden Sonne ist alles Thun der Menschen Jahresperiode." Die nähere Kenntniß des Luftkreises, selbst der Einfluß der Himmelskörper auf denselben, wenn er näher gekannt sein wird, scheint ihm auf die Geschichte


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