Josi und ihre Freunde. Lise Gast

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Josi und ihre Freunde - Lise Gast


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Josi-Gesicht!

      „Du, Josi, der Kerl mit ‚Türen schließen‘ wird gleich kommen. Darf ich dich noch um was bitten, eh’ du fährst? Ja?“

      „Natürlich. Klar. Was möchtest du denn?“

      „Du sollst... du sollst mir glauben, daß ich dich... daß du mir... daß...“ Er verhaspelte sich.

      „Willst du mir in aller Geschwindigkeit noch eine Liebeserklärung machen?“ fragte Josi, auf einmal zwischen Lachen und Weinen. Ihr war plötzlich entsetzlich traurig zumute.

      „Eigentlich ja – oder doch beinahe.“ Auch er war sehr durcheinander. „Versprich mir, daß du mein Freund bleibst!“

      „Das ist doch sowieso klar.“ Sie stand in der Tür des Waggons, es war Zeit, daß sie einstieg. Er dachte an damals im Fasching, als sie die Arme um seinen Hals gelegt hatte. Wenn sie das jetzt wieder tun würde... Aber so leicht wurde es ihm nicht gemacht. Sie gab ihm die Hand, zögernd. Da mußte er schon selbst handeln.

      „Auf Wiedersehen. Josi!“ sagte er, gab sich einen Stoß und küßte sie auf den kleinen, traurigen Mund. Sie stand ganz erstarrt. „Auf Wiedersehn, hörst du. Josi?“

      „Abfahrt. Einsteigen. Die Türen schließen!“

      Josi zwängte sich neben den Dicken ans Fenster, sie schien noch etwas sagen zu wollen, aber Leo konnte es nicht mehr verstehen. Die Lok ruckte an.

      Er lief ein Stück neben dem Zug her, winkte und blieb dann zurück. Noch immer sah er ihr unter Tränen lächelndes Gesicht, fühlte er ihre bebenden Lippen. Hatte er versäumt, etwas Wichtiges zu sagen? Und wenn, war es nachzuholen?

      Sie fuhr heim, gewiß. Aber dort blieb sie nicht. Wohin würde das Leben sie führen? Wieder hierher? Er glaubte es nicht. Ich schreibe ihr, dachte er und nahm es sich fest vor. Sobald ich eine Bude in Leverkusen habe, schreib’ ich ihr, sie muß es doch wissen!

      Was denn? Was wollte er ihr schreiben? Was mußte sie wissen? Leo marschierte in tiefen Gedanken durch das Menschengewühl und wußte nicht recht, ob er das wirklich tun würde. Landwirte sind nicht allzu schnell mit der Feder...

      Aber sie muß doch gemerkt haben..., verteidigte er sich bereits vor sich selbst. Und außerdem, vielleicht kann ich noch mal heim, ehe das nächste Semester beginnt...

      Ein Jahr später machte Leo Gieseking seinen Diplomlandwirt. Er hatte das letzte Semester hindurch scharf gearbeitet und bestand das Examen mit Auszeichnung. Eigentlich wunderte er sich selbst, daß er jetzt, da er es hinter sich hatte, nicht froher war. Aber so ist es wohl: Traurig sein kann man allein, zum Freuen braucht man Gesellschaft. Und Leo war allein, daran lag es.

      Josi war nicht wiedergekommen. Nachdem ihre Mutter von ihrer Reise zurück war, hatte sie kurzerhand ein Haushaltspraktikum auf dem Lande gewählt, in einer Familie, in der Zwillinge eine junge Mutter sehr mitnahmen, während sich das nächste Kind schon angekündigt hatte. Dort mußte man alle Kräfte einsetzen, und die Arbeit würde ihr angerechnet werden, wenn sie später in einen sozialen Beruf hineinging.

      Auch Ulrich und Helga waren nicht mehr in München. Helga hatte durchgesetzt, daß sie nach Hamburg gingen. Leo war allein.

      Na ja. Wenn man sehr angespannt arbeitet, ist es gleichgültig, in welcher Stadt. Er ging, den Hut in der Hand, die Mappe in die Hüfte gestützt, die Leopoldstraße entlang. Die Sonne brannte ihm auf die haarscharf rasierten Wangen, so sehr, daß er in einen Laden trat und sich eine Tube Sonnenschutz kaufte, um sich ein bißchen einzureiben. Als er in den Spiegel guckte, sah er, wie blaß er war. Nein, wie ein Landwirt im Hochsommer sah er nicht aus. Es war eine Schande.

      Als er heimkam, war Frau Fleischhack da. Sie freute sich sehr, als sie hörte, daß er Examen gemacht hatte.

      „Nein, Herr Gieseking, ich gratuliere! Aber da muß ich doch gleich... Ich hab’ so einen vorzüglichen...“, und sie stürmte ab. Leo setzte sich auf die Liege, riß Kragen und Hemd auf und lehnte sich zurück. Er war wohlig müde und wehrte sich nicht, als die begeisterte Alte ihm einen selbstgebrauten Huldigungstrunk kredenzte.

      „Und nun gehen Sie bald weg“, seufzte sie.

      „Ach, Sie finden schon wieder nette Leute, die Sie verwöhnen!“ Aber sie wiegte bekümmert den Kopf.

      „Ich denke immer: So schön wie Fräulein Martens und so lustig wie Fräulein Fischer erleb’ ich keine mehr.“

      „Und wir? Sind wir nicht auch schön und lustig? Oder wie würden Sie uns bezeichnen?“ fragte Leo amüsiert.

      „Klug und stark“, sagte sie unerschüttert, „Ihr Bruder ist klug und Sie stark, jaja“, und damit goß sie sich noch einen ein.

      „So. Stark. Viel ist das ja nicht gerade“, sagte Leo nachdenklich und stand auf. Sie sah ihn an, wie er den Gürtel zurechtzog.

      „Sagen Sie das nicht! Stark – das ist das, was die Frauen sich wünschen. Das einzige.“

      „Meinen Sie?“ Er mußte lachen. Dann warf er plötzlich die Jacke von sich und riß die Kommodenschublade auf.

      „Ich brauch’ ein kurzärmeliges Hemd, Frau Fleischhack, hören Sie fix! Ich muß raus aus der Stadt, raus, raus, raus!“

      Es war schon Abend, als er die letzte Steigung hinter sich hatte. Er war warm geworden und sah sich um. Wie sanft die Höhen lagen! Hier oben war der Boden steinig und hart, als habe es unendlich lange nicht geregnet, aber die Wälder standen saftig grün in strotzender Fülle. Drüben flammte der Himmel rot und golden, daß es blendete, und die Tannen davor hoben sich scharf ab mit ihren unzähligen Spitzen. Unwillkürlich kam ihm das alte, ewig junge Lied in den Sinn: „O Täler weit, o Höhen!“

      Er sah sich um, ob es hier oben eine Übernachtungsmöglichkeit gab. Eigentlich gefiel es ihm über die Maßen, daß er so ohne Programm losgerannt war, aus einem plötzlichen Entschluß heraus, ohne Ziel, nur vorwärts. Als er das Zeichen für Jugendherbergen sah, lachte er vergnügt und ging ihm nach.

      Es saß sich wunderbar hier oben an dem in den Boden gerammten Tisch, er streckte die Beine von sich und räkelte sich. Jetzt hätte eine Zigarette herrlich geschmeckt, aber es widerstrebte ihm, eine anzuzünden. Da drüben saß eine Schar Jungen, denen er kein schlechtes Beispiel geben wollte.

      Die Herbergsmutter hatte alle Hände voll zu tun mit der ungeduldigen Meute. Er wartete geduldig. Sie trug ein Dirndl und dazu ein rotes Kopftuch, klein war sie, aber behend und energisch, wie sie da umherflitzte und lachte und schalt. Sie ging barfuß in Holzsandalen, die nur aus Sohle und einem roten Riemen bestanden und ein flinkes Klipp-Klapp machten. Jetzt kam sie zu seinem Tisch gelaufen, rot und erhitzt. „Leo?“

      „Josi!“ Sie hatten einander im selben Augenblick erkannt. Es war kaum zu unterscheiden, wer von ihnen verblüffter war.

      „Bist du hier? Nein, so eine Überraschung!“

      Daß er sie nicht sofort erkannt hatte! Er hatte wahrscheinlich, müde vom Laufen, vor sich hin gedöst und sie angestarrt und nicht gemerkt, daß er etwas sehr Vertrautes ansah. Unverändert war sie noch, ihre fixen Bewegungen, ihr halb springendes Laufen und – richtig, auch das kannte er noch – ihr altes, unvermeidlich gepunktetes Tuch, das sie immer irgendwie getragen hatte, ob es paßte oder nicht.

      „Nein, Leo, wie mich das freut! Und ausgerechnet dich lass’ ich warten und hungern!“

      „Nicht wahr? So geht es einem, alle alten Freunde verlassen einen. Dabei hab’ ich heute Examen gemacht.“

      „Wirklich? Ach du, ich bin leider im Dienst, sonst kriegtest du ehrlich einen Kuß ab!“

      „Josi!“ Er griff nach ihrem Arm. „Wann ist dein Dienst aus?“

      Sie lachte. Wie ein Apfel strahlte ihr Gesicht, als sie sich losriß und zu schimpfen anfing.

      „Das möchtest du wissen, das glaub’ ich. Nein, nein, ich bin hier Herbergsmutter, also eine Respektsperson!“

      „Wirklich?“

      „Zweifelst


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