Das Monster im 5. Stock. Regina Mars

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Das Monster im 5. Stock - Regina Mars


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den nie zu Gesicht. I putze nur hier, nicht im Schlafzimmer, und das ist immer abgeschlossen.«

      Wastl schauderte. Jetzt gruselte ihn die kahle Wohnwüste noch mehr. »Vergiss nicht, mich zu wecken, wenn du gehst, ja?«

      »Hältst mich für bled?« Ihre Knöchel klopften auf seine Stirn. »Und jetzt leg dich ab, I hob zu tun.«

      Er streckte sich auf dem Sofa aus und versuchte, es bequem zu finden. Das Teil war dynamisch-elegant, aber hart wie Pressholz. In der Spiegelung sah er aus wie ein Schmutzfleck auf einer weißen Blüte. Er wandte sich ab, rollte sich zusammen und schloss die Augen.

      Hier schaff ich’s nie zu schlafen, dachte er und schlief ein.

      ***

      Amira saugte die Böden und putzte die Küche, in der kaum etwas je benutzt wurde. Nur der Mixer und der Mülleimer. Der Besitzer lebte anscheinend hauptsächlich von Shakes und bestelltem Essen. Sie fand sieben leere Plastikboxen im Abfallkorb. Die Aufschriften waren immer die gleichen: dreimal Thai King, einmal Gutshaus, einmal Veggie-Hof und zweimal Steakpalast. Dabei waren der Kühlschrank und die Küchenschränke gut gefüllt. Hastig wischte sie über die Arbeitsplatte, die schwarz und undurchsichtig wie ein nächtlicher See war.

      Sie beeilte sich stets, hier fertig zu werden. Manchmal glaubte sie, Blicke zu spüren, aber wenn sie sich umwandte, sah sie nur die düsteren Wände und die leeren Fenster. In der Mitte der Wohnung befand sich ein Dachgarten, auf dem sich kahle Äste im Wind wiegten. Sie schüttelte sich. Wie jeden Montag konnte sie es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Ihre Schwester hatte gekocht und wenn sie nicht pünktlich dort war, würde das Miststück alles versalzen. Wie immer. Sie fragte sich, ob sie nicht langsam zu ihrem Verlobten ziehen sollte. Aber der war so ordentlich. Amira mochte ein wenig Chaos und eh überlegte sie schon seit einer Weile, ob Johannes wirklich der Richtige war … Na, gemütlicher als in dieser seltsamen Bude war es bei ihm allemal.

      Sie beeilte sich, mit dem Bad fertig zu werden, machte das Licht aus und schlüpfte aus der Tür.

      Erst im Bus nach Hause fragte sie sich, ob sie etwas vergessen hatte.

      ***

      Etwas bewegte sich in den Schatten. Wastl war wach, von einem Moment auf den anderen. Dunkelheit umfing ihn, aber da war dieses Scharren … ein Scharren, das näher kam. Das nach ihm zu greifen schien …

      Diese Amira hat mich doch vergessen, dachte er. Schweiß brach in seinem Nacken aus und er wagte kaum, sich zu bewegen.

      Sei kein Feigling, Wastl. Du …

      »Wer bist du?«, fragte Satan. Nun, er klang wie Satan persönlich. Als würde er täglich die Höllenscharen mit seiner tiefen Stimme zum Töten antreiben und als hätte das ständige Brüllen sie etwas aufgeraut.

      Wastl riskierte es, den Kopf zu heben. Seine Augen gewöhnten sich an das Dunkel.

      Eine finstere Gestalt ragte über dem Sofa auf. Eine düstere Silhouette, schwarz wie die Seele des Höllenfürsten. Der Kerl hielt etwas in den Händen. Eine Waffe, es musste eine Waffe sein.

      »Ich habe gefragt, wer du bist.«

      »Tu mir nichts!« Wastl hob die Hände. »I wollt nur … I war nur müd und …« Er fummelte sein Handy aus der Hosentasche. Mit schwitzigen Fingern schaltete er es ein und leuchtete Satan ins Antlitz. Helle, böse Augen. Wirre Haare und eine Habichtsnase und … rotweiße Male, die das halbe Gesicht überzogen. Schnell schaltete Wastl das Handy wieder aus. Aber im Schein hatte er noch etwas erkannt.

      Schweigen breitete sich aus. Das Monster, das über ihm aufragte, atmete leise. Schauer rannen über Wastls Rücken. Angstschauer. Und auch ein wenig angenehme. Versuchsweise schaltete er das Handy noch einmal ein.

      »Mach das Ding aus!« Satan hob eine Hand vor die Augen, aber Wastl hatte schon gesehen, was er hatte sehen wollen: Der Höllenfürst war unglaublich attraktiv.

      »Tschuldigung«, murmelte er. »I … es tut mir leid, ich … Sie sind der Wohnungsbesitzer, ja?«

      Schweigen. Mist, Mist. Hoffentlich war er das. Ob er die vielen Zimmer brauchte, um das Fleisch seiner Opfer dort zu lagern, bis es schön zart und faulig war?

       Igitt Wastl, was denkst dir für einen Scheiß aus?

      »Sie wollen mich nicht töten, oder? Mit dem Ding da?«

      Der Höllenfürst ließ seine Waffe sinken. Er kehrte um und schritt zur Wand. Licht flammte auf, aus hunderten kleiner Glaskugeln. Ein Mann stand neben dem Lichtschalter, ein so beeindruckender Mann, dass Wastl die Luft wegblieb. Tiefschwarze, wilde Haare, ein scharfkantiges Gesicht, ein blutroter Morgenmantel, der sich über einem muskelstrotzenden Körper spannte und … ein Fuß aus Metall. Wastl blinzelte. Zwei glänzende Metallstücke, wie die Spitzen zweier Ski, ragten aus dem rechten Bein des schwarzen Pyjamas hervor.

      »Gütiger Himmel«, entfuhr es ihm.

      Das Monster strich sich die Haare aus dem Gesicht und er sah die Verbrennungen.

      2. Ein unfähiger Einbrecher

      »Schneller, du Pussy. Jetzt beweis mal, was du …«, sagte Max. Wie immer, bevor alles in einem Feuerball verschwand. Brennender Gummigestank biss sich in Adrians Nase fest und sein Körper zerriss.

      Keuchend fuhr er hoch. Sein Brustkorb konnte das hämmernde Herz kaum fassen, das versuchte, durch seinen Mund zu entkommen. Den Mund, der immer noch nach schmelzendem Gummi schmeckte. Nach Metall und Blut und verbranntem Fleisch. Er blinzelte.

      Hinter den Fenstern war es dunkel. Wie üblich. Er hatte die Vorhänge nicht ganz zugezogen und sein bleiches, zerstörtes Gesicht sah ihm entgegen. Er ließ die Haare davor fallen, um es nicht mehr anschauen zu müssen. Seine Zunge fühlte sich an wie trockene Pappe. Die Last, die er in jeder wachen Minute mit sich trug, senkte sich auf ihn nieder und beugte seinen Kopf.

      Es tut mir leid, dachte er. Wie jede Nacht. Am liebsten wäre er wieder eingeschlafen, aber er wusste, dass er das nicht konnte. Also schwang er das Bein aus dem Bett, legte die Prothese an und humpelte zur Schlafzimmertür. Er lauschte. Kein Staubsaugerlärm. Gut, dann war die Putzfrau schon weg. Er schloss die Tür auf und griff nach dem Morgenmantel, den er auf dem Weg in die Küche überstreifte.

      Seine Hand zitterte immer noch, als er das Glas unter den harten Strahl des Wasserhahns hielt. Eisige Kälte floss seine Kehle hinab. Er trank wie einer, der die Nacht in einer Flammenwüste verbracht hatte. Aus den Augenwinkeln sah er seine abscheuliche Fratze und wünschte sich zum wiederholten Mal, dass diese verdammten Fenster Vorhänge hätten, wie die im Schlafzimmer. Er hätte welche anbringen lassen können. Aber das hätte bedeutet, Fremden Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Anderen Menschen. Unerträglich. Er füllte das Glas ein zweites Mal und stellte den Wasserhahn ab. Seine rechte Hand grub sich in die Kante des Waschbeckens. Die Haut darauf spannte. Er atmete tief ein. Und hörte ein Geräusch, das nicht sein durfte.

      Ein Schnarchen.

      Adrian fuhr herum. Es war aus dem Wohnzimmerbereich gekommen. Da hinten, bei dem Muuto-Sofa. Adrian wartete ab. Da, ein zweites Schnarchen. Nicht laut. Aber es war ein so auffälliger Misston in der ruhigen Wohnung, dass es sich anfühlte wie Fingernägel auf einer Glasscheibe. Jemand lag dort. Jemand, von dem Adrian nicht viel sehen konnte. Einen hellen Schopf konnte er im Dunkel ausmachen, mehr nicht.

      Ein Einbrecher?, dachte er. Falls ja, ist das der unfähigste Einbrecher, den ich je erlebt habe. Wer legt sich denn während eines Diebstahles hin und schläft ein?

      Egal. Wenn der Kerl glaubte, er könnte einen armen Krüppel bestehlen, dann hatte er sich geschnitten. Dieser Krüppel hier hatte ein Set Golfschläger und die Muskeln, um es zu benutzen. Kurz überlegte Adrian, die Polizei zu rufen, aber das hätte wieder Fremde in der Wohnung bedeutet. Die Putzfrau störte seine Einsamkeit genug. Und mit einem schnarchenden Einbrecher wurde er alleine fertig.

      Trotz der Prothese schaffte er es, lautlos


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