Das Monster im 5. Stock. Regina Mars

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Das Monster im 5. Stock - Regina Mars


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mit einer Wagenladung von anderen Bewerbern da steh wie ein Bittsteller und mir vorkomme wie ein Vollidiot?«

      »Das ist doch nicht meine Schuld.«

      »Nein, aber … das ist verdammt noch mal nicht richtig.« Sebastians Geste umfasste die Fensterfront, die anthrazitfarbenen Wände und die blitzblanke, offene Küche. »Die Wohnung ist viel zu groß für einen allein. Das ist einfach unfair.«

      So eine Heulsuse.

      »Ich fühle mich entsetzlich schuldig«, sagte Adrian. »Dann hast du halt kein Zuhause und ich habe eins. Was willst du tun, meine Wohnung besetzen?«

      Er ahnte nicht, wie oft er diesen Satz in den nächsten Tagen noch bereuen würde.

      3. Hausbesetzung für Anfänger

      »Was willst du tun, meine Wohnung besetzen?«

      Wastl stockte. Sein Atem stand still und seine Ohren dröhnten. Natürlich, das war es!

      »Ja«, sagte er und verschränkte die Arme. »Ja, das will ich. Ich mein, das tue ich. Deine Wohnung ist hiermit besetzt. Von mir.«

      Satan schaute ihn an, als wäre er eine fünfjährige Rotznase, die behauptete, ein Superheld zu sein. »Du hast doch keine Ahnung, wie man eine Wohnung besetzt.«

      »Natürlich habe ich das.« Nur nicht unterkriegen lassen. »Daheim in Würzen war ich der größte Wohnungsbesetzer im ganzen Ort.«

      »Einen Scheiß warst du.« Satan hob eine Augenbraue, in der ein Stück fehlte. Seine rechte Gesichtshälfte war ein Flickwerk aus normalen Hautstücken und viel zu glatten Stellen, die so spannten, dass sie Falten schlugen. Das Ohr fehlte zur Hälfte, als wäre es runtergeschmolzen. Wastl hätte sich wirklich gefragt, was geschehen war, wenn er nicht so wütend gewesen wäre.

      »Ich bin ein Wohnungsbesetzer«, behauptete er. »Ein sehr gefährlicher Wohnungsbesetzer. Also leg dich bloß nicht mit mir an.«

      »Das reicht. Ich rufe die Polizei.«

      Wastl wusste auch nicht, was ihn ritt. Vielleicht war es eine Ahnung, vielleicht war es nur Zorn. »Ja, dann ruf die doch. Dann … dann komm ich halt ins Gefängnis und dann … hab ich immerhin ein Dach über dem Kopf.« Oh nein. Der böse Kloß in seinem Hals war wieder da und schwoll in Rekordzeit an. Mist, Mist, Mist. »Das ist mir gerade recht«, sagte er, bevor seine Stimme brach. »Genau das war mein Plan.«

      Panisch hörte er die aufsteigenden Tränen in seinen Worten. Sie ließen seine Sicht schon trüb werden. Das genervte Gesicht des Teufels verschwamm.

      »Wenn du denkst, dass Heulen dich weiterbringt, dann hast du dich geschnitten«, vernahm Wastl.

      Schnell drehte er sich um und stolperte fast über das Sofa.

      »Ruf endlich die … die Polizei.« Er schniefte. Scheiße, verdammt! Kein Wunder, dass niemand ihn ernst nahm. Einen erwachsenen Mann, der heulte wie ein Kleinkind, sobald was schief lief. »Na los. Ich warte. Versau mir mein Leben und … und meinen Job werd ich auch verlieren, wenn ich im Gefängnis bin … und Mama würde … würde …«

      Er hörte ein langsames Einatmen. Sehr langsam, als würde Satan überlegen, ihm den Golfschläger doch noch über den Schädel zu ziehen.

      Wastls Wangen wurden nass und heiß. Er blinzelte, japste und wischte sich über die Augen. Sofort füllten sie sich wieder. Es war einfach so ungerecht! Er hatte doch nur versucht, eine Nacht lang nicht auf der Straße zu stehen.

      »Jetzt hau schon ab.« Satan klang müde. »Ich will schlafen.«

      »Ich auch«, schniefte Wastl. »Und nicht unter einer Brücke, verdammt. Ich … ich penn hier oder in einer Zelle. Nirgendwo sonst.« Er verschränkte die Arme.

      »Hör auf, den Harten zu spielen«, sagte der Höllenfürst. »Das kommt wenig überzeugend, wenn du dabei heulst. Falls es dir nicht aufgefallen ist: Ich kann dich im Fenster sehen.«

      Oh.

      »Mir egal«, behauptete Wastl. »Ich steh dazu, dass ich Gefühle habe.«

      »Dass du eine Heulsuse bist, meinst du.« Ein Seufzen. »Morgen früh haust du ab, klar?«

      »W-was?« Er drehte sich um. Satan schaute, als hätte er ihm in die Suppe gerotzt. »Ich kann bleiben?«

      »Bis morgen früh. Dann bist du auf dich allein gestellt. Glaub mir, ich werde den Schlüssel dreimal im Schloss umdrehen, sobald du abgehauen bist.«

      »Oh.« Wie unerwartet, dass mal etwas funktionierte. »Vielen Dank.«

      »Wenn ich morgen aufwache, bist du verschwunden.« Ein düsterer Blick zwischen dunklen Haarsträhnen. Wastl musste sich Mühe geben, zu nicken, so abgelenkt war er. Solche Männer gab’s doch nicht wirklich, oder? Nur in Schauerromanen und alten Filmen.

      »Ja. Danke.« Er schluckte. Wohin er morgen Abend gehen würde, wusste er nicht, aber es war ein Aufschub von fast 24 Stunden. Besser als nichts. Sehr viel besser als nichts.

      »Und du schläfst auf dem Sofa. Denk nicht mal daran, dich in eins der Schlafzimmer zu legen.«

      Eins der Schlafzimmer. Dieser Großkotz. Wie konnte man allein in so einer Bude hocken? Die war für eine Großfamilie gedacht, mindestens. Und das in München, bei den Mietpreisen … Wastl wischte sich noch einmal über die Augen.

      »Wage es nicht, etwas zu klauen«, sagte Satan.

      »Etwas klauen? Ich?!« Wastl hätte nicht schockierter sein können, wenn der Kerl ihm vorgeworfen hätte, ein Serienmörder zu sein. »Ich hab noch nie etwas geklaut. In meinem Leben!«

      »Du Langweiler.« Satan drehte sich um und ging. Den Golfschläger hatte er sich locker über die Schulter gelegt und sein Hinken war so leicht, dass es nur auffiel, wenn man ganz genau darauf achtete. Als er bei der Küche um die Ecke bog, merkte Wastl, dass er den Atem angehalten hatte.

      So ein Arsch, dachte er.

      Aber ein wenig Herz hatte der Höllenfürst wohl doch, sonst würde Wastl draußen in der Kälte stehen. Nachdenklich legte er sich zurück. Es war kühl geworden, deshalb breitete er seine dick gefütterte Jacke über sich aus. Wenn er die Nase tief darin vergrub, roch sie fast noch ein wenig nach Zuhause. Wie der Flur, in den er nach der Schule heimgekommen war. Nach alten Äpfeln und älteren Dielen. Nach den Lavendelsträußen, die Mama aufgehängt hatte. Und nach Desinfektionsmittel und Krankheit. So wie am Ende.

      Er seufzte leise.

      Was nun? Erstmal schlafen. Und dann? Wäre es nicht möglich, Satan zu überreden, ihn noch ein paar Tage hier übernachten zu lassen? Er hatte doch genug Platz. Wastl beschloss, es zu versuchen. Gleich morgen würde er dem Kerl zeigen, dass er der beste aller Mitbewohner war!

      4. Barbecue-Frühstück

      Adrian erwachte von einem nervenzerfetzenden Piepsen. Nein, Piepsen war zu harmlos ausgedrückt. Er glaubte, zwischen zwei Sirenen zu liegen.

      Der Feueralarm.

      Er fuhr hoch. Die Morgendämmerung drang durch die Vorhänge. Adrian fühlte sich verkatert und mürbe, als hätte er stundenlang wachgelegen. Hatte er auch, nachdem er wie üblich mitten in der Nacht aufgewacht war …

      Da war dieses fürchterliche Landei gewesen.

      Er schnallte die Prothese um und stürmte in die Küche. »Was machst du noch hier?«, brüllte er.

      Das Landei gab einen panischen Schrei von sich und ließ den qualmenden Topf fallen, den er zwischen zwei Topflappen hielt. Dicker, schwarzer Rauch hing unter der Decke. Es knackte. Der Topf hatte eine der dunkelgrauen Bodenfliesen gespalten. Die Risse sahen aus wie ein Spinnennetz.

      »I, also ich mache Frühstück.« Das Landei lächelte verzweifelt.

      »Was?« Adrian hustete.


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