Im Schlaraffenland. Heinrich Mann

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Im Schlaraffenland - Heinrich Mann


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gleich er­kannt, dass Sie eine viel zu hei­te­re, of­fe­ne Na­tur sind, um sich mit In­grimm und Püf­fen durch Li­te­ra­tur und Pres­se hin­durch­zu­schla­gen.«

      »Ich glau­be bei­na­he selbst«, be­merk­te An­dre­as, der sich be­müh­te, bla­siert aus­zu­se­hen.

      »Sie ha­ben so et­was Glück­li­ches an sich, das Sie beim Thea­ter, das heißt in der Ge­sell­schaft, un­ge­mein rasch för­dern wird. Man braucht dort näm­lich nur glück­lich zu er­schei­nen, um es sehr bald wirk­lich zu wer­den. Auch Ihre Harm­lo­sig­keit, oder sa­gen wir, wenn Sie es lie­ber hö­ren, Ihre schein­ba­re Harm­lo­sig­keit wird Ih­nen dort gut zu­stat­ten kom­men. Man wird Sie in den rei­chen Sa­lons eben­so­we­nig ernst neh­men wie im ›Café Hur­ra‹, und es ist für Ihren Er­folg be­son­ders wich­tig, dass die Frau­en Sie nicht ernst neh­men! Die­se wer­den al­les mög­li­che, was sie an­de­ren nicht be­wil­li­gen wür­den, bei Ih­nen für harm­los und un­ge­fähr­lich hal­ten. Sie sind da­für ge­schaf­fen, viel Glück bei den Frau­en zu ha­ben, mein Lie­ber!«

      Dies­mal blick­te An­dre­as den an­de­ren mit of­fe­nem Arg­wohn an. Aber aus Köpfs freund­li­chem Ge­sicht, das al­ler­dings eine ver­däch­tig spit­ze Nase zier­te, war nie­mals klug zu wer­den. Für alle Fäl­le zeig­te An­dre­as sich übel­lau­nig, um nur nicht zu­zu­ge­ben, dass er sich ge­schmei­chelt füh­le. Sein Glück bei Frau­en, das er sich üb­ri­gens zu­trau­te, schi­en ihm doch noch be­wie­sen wer­den zu müs­sen. Er ge­dach­te der her­ben Ent­täu­schun­gen, die er dem Wä­scher­mäd­chen und dem Bü­fett­fräu­lein ver­dank­te.

      »Sie sa­gen mir eine Men­ge an­ge­neh­me Din­ge«, be­merk­te er ziem­lich tro­cken, »aber ich weiß noch im­mer nicht, wie Sie sich mei­ne Kar­rie­re nun ei­gent­lich den­ken. Was habe ich zu tun, wo­hin soll ich mich wen­den?«

      »Neh­men wir hin­zu«, fuhr Köpf ohne zu ant­wor­ten fort, »dass Sie als Rhein­län­der eine mehr hei­te­re und un­ge­zwun­ge­ne Ge­sel­lig­keit ge­wohnt sind. In­mit­ten der Furcht, sich lä­cher­lich zu ma­chen, die in Ber­lin Ur­sa­che al­ler Dumm­heit und Lan­ge­wei­le ist, wer­den Sie zu­nächst wohl­wol­lend be­lä­chelt wer­den. Die Haupt­sa­che ist, dass Sie auf­fal­len.«

      »Was habe ich zu tun, wo­hin soll ich mich wen­den?« wie­der­hol­te An­dre­as un­ge­dul­dig.

      »Wie? Das habe ich Ih­nen noch nicht ge­sagt? Nun, ganz ein­fach: Sie ge­hen zum ›Nacht­ku­rier‹, ver­lan­gen den Che­fre­dak­teur Dok­tor Be­die­ner zu spre­chen, und lässt er Sie vor, so ge­hen Sie nicht frü­her wie­der weg, als bis er Ih­nen un­auf­ge­for­dert eine Emp­feh­lung an Türk­hei­mers ge­ge­ben hat.«

      »Ah, Türk­hei­mer! Das ist doch der mit Liz­zi Laffé.«

      »Sie ken­nen be­reits die Ver­hält­nis­se?«

      »Na­tür­lich«, sag­te An­dre­as stolz.

      »Also Sie wis­sen Be­scheid?« frag­te Köpf, in­dem er dem jun­gen Man­ne zum Ab­schied die Hand schüt­tel­te. »Un­ter­rich­ten Sie mich doch vom Er­fol­ge!«

      An­dre­as ver­sprach dies, frag­te sich aber im ge­hei­men, warum er alle die zwei­fel­haf­ten Kom­pli­men­te ei­gent­lich an­ge­hört habe. Es konn­te wohl sein, dass Köpf sich seit dem Au­gen­blick, wo er ihn ken­nen­ge­lernt hat­te, fort­wäh­rend über ihn lus­tig mach­te. Es war An­dre­as un­mög­lich, dies zu er­fah­ren. Üb­ri­gens war es ja gleich­gül­tig, so­bald nur auch sonst nie­mand da­von wuss­te. In sei­ner Lage, bei sei­nen man­nig­fa­chen in­ne­ren Zwei­feln und der ge­rin­gen Aus­sicht, es auf eine an­de­re Wei­se zu et­was zu brin­gen, war es nun wohl das bes­te, Köpfs Rat blind­lings zu be­fol­gen. Er ging schon am nächs­ten Mor­gen, mit ei­nem kal­ten Ge­fühl im Un­ter­lei­be, doch hoch­er­ho­be­nen Haup­tes, zum Dok­tor Be­die­ner.

      Auf der Trep­pe, die er zur Re­dak­ti­on des »Ber­li­ner Nacht­ku­ri­er« hin­auf­stieg, blen­de­te den jun­gen Mann der ganz neue und doch be­reits arg be­su­del­te Tep­pich. Al­les im Hau­se war reich und durch den re­gen Ge­schäfts­be­trieb mit­ge­nom­men. Jüng­lin­ge mit kot­be­spritz­ten Bein­klei­dern, sonst sehr ele­gant, has­te­ten an dem Be­su­cher vor­über. Dro­ben in dem großen War­te­zim­mer schob sich eine be­trächt­li­che Men­schen­men­ge durch­ein­an­der. An­dre­as, der ge­gen die Wand ge­drängt wur­de, blick­te durch eine Glas­schei­be in einen lan­gen, kah­len Saal hin­ein, wo un­ge­fähr drei­ßig jun­ge Leu­te an Pul­ten sa­ßen. Ei­ni­ge la­sen Zei­tun­gen, an­de­re plau­der­ten, in­des sie Blei­stif­te spitz­ten oder ihre Nä­gel pfleg­ten.

      Eine Flü­gel­tür ward auf­ge­sto­ßen, und ein reich aus­se­hen­der Herr mit ra­sier­ter Ober­lip­pe und rot­blon­den Ko­te­let­ten, den Hut in der Stirn, rief ins Vor­zim­mer hin­ein:

      »Kommt denn der Che­fre­dak­teur nicht?«

      Der her­bei­ei­len­de Re­dak­ti­ons­die­ner ver­beug­te sich:

      »Muss so­fort da sein, Herr Ge­ne­ral­kon­sul!«

      »Sie wa­ren im Aus­wär­ti­gen Amt? Nun, was sagt un­ser Mi­nis­ter?«

      An­dre­as er­schau­er­te vor Ehr­furcht, wäh­rend er be­dach­te, wel­che Unend­lich­keit von Macht und An­se­hen die­se Wor­te ah­nen lie­ßen. Wer hier im Vor­zim­mer des »Nacht­ku­ri­er« stand, war ge­wis­ser­ma­ßen in den Be­reich ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­tre­ten, die es an Aus­deh­nung und Fes­tig­keit selbst mit der des Staa­tes auf­nahm. Dok­tor Be­die­ner ging im Palais der Wil­helm­stra­ße aus und ein wie der Staats­se­kre­tär selbst. Sein Kol­le­ge war ein Mi­nis­ter des In­nern, dem kein Wil­le im Lan­de leicht­fer­tig zu­wi­der­han­del­te. Die Äm­ter wa­ren ver­teilt ge­nau nach dem Vor­bil­de des Staa­tes, von den Bot­schaf­tern in al­len Haupt­städ­ten der Welt bis hin­ab zu je­ner Schar von über­schüs­si­gen klei­nen Be­am­ten, un­be­zahl­ten Re­fe­ren­da­ren, die ihre Blei­stif­te spitz­ten und sich die Nä­gel pfleg­ten. Hoch über die­ser un­per­sön­li­chen Ver­wal­tungs­ma­schi­ne aber, hin­ter dem Ge­he­ge der Ge­set­ze und ge­deckt durch die Verant­wort­lich­keit sei­ner Mi­nis­ter, die er be­rief und entließ, thron­te der große Je­ku­ser, der Be­sit­zer des »Nacht­ku­ri­er«, ein kon­sti­tu­tio­nel­ler Mon­arch. Von den Ta­ges­mei­nun­gen un­ab­hän­gig wie an­de­re ge­krön­te Häup­ter, be­wahr­te er den­noch einen un­be­schränk­teren Ein­fluss als die­se, da er so­gar die Volks­ver­tre­ter ver­mö­ge sei­nes »par­la­men­ta­ri­schen Bü­ros« zu zen­sie­ren und zu maß­re­geln ver­moch­te. Und er war rei­cher als sie, denn von den Ab­ga­ben sei­nes Vol­kes, von den fünf­zehn Pfen­ni­gen, die Hun­dert­tau­sen­de von Le­sern täg­lich er­leg­ten, blieb der grö­ße­re Teil in sei­ner Ta­sche zu­rück.

      Die Flü­gel­tür öff­ne­te sich halb, ohne dass je­mand sicht­bar wur­de. Aber in der war­ten­den Men­ge pflanz­te sich so­gleich ein Stoß fort, den schließ­lich der ge­gen die Wand ge­drück­te An­dre­as vor die Brust er­hielt. Er griff


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