Trust me - Blindes Vertrauen. Moni Kaspers

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Trust me - Blindes Vertrauen - Moni Kaspers


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Arm, während sein Blick an Leon vorbei auf den Truck fiel. „Aus Portland kommen Sie? Was suchen Sie hier?“

      Das war eine gute Frage, aber die konnte er nicht mal sich selbst beantworten. „Arbeit und Unterkunft.“

      „So. Aha. Wer sagt mir, dass Sie kein Killer sind?“

      „Ihr gesunder Menschenverstand.“

      Er sah Leon abschätzig an und sagte eine ganze Weile kein Wort. Leon hielt das aus, er kannte den Argwohn. Es war überall dasselbe.

      „Sie können sich drüben im Schuppen einrichten. Dort finden Sie, was Sie brauchen. Sie müssen dort sauber machen. Und der Hund …“ Er deutete auf Twister, der neugierig aus dem Seitenfenster herausschaute. „Passen Sie auf, dass er sich nicht an meinen Hühnern zu schaffen macht.“

      „Das werde ich.“

      Mick schob ihm die Axt zu, deutete mit der gesunden Hand Richtung Brennholz und verschwand mit einem „Sie können gleich damit anfangen. Also dann.“

      Leon sah ihm lächelnd nach. So einfach konnte es sein … Also dann!

      Eywa beschloss Tessa zur Hand zu gehen, bis July von der Arbeit kam und mit ihrer Rückkehr endlich Langeweile und Tristesse verschwanden, die sich immer dann einschlichen, wenn sie keine Schüler hatte. Sie war neben ihrem Onkel und ihrer Tante einer der wichtigsten Menschen in Eywas Leben und nicht nur Cousine, sondern auch beste Freundin. July hatte nach langer Suche Arbeit im Büro einer Schiffswerft gefunden und vor kurzem ihre Festanstellung gefeiert. Da die Fahrtzeit von der Ranch bis zur Werft täglich eine knappe Stunde in Anspruch nahm, hatte Eywa Sorge gehabt, July würde die Ranch verlassen und näher in die Stadt ziehen. Doch July hatte ihr versichert, dass keine zehn Pferde sie von der Ranch wegbekämen. Das hatte sie beruhigt, aber dennoch wusste sie, dass es nur ein Aufschub war. Heute oder morgen würde Prinz Charming angeritten kommen und dann wären die zehn Pferde sicher schnell vergessen. So war der Lauf des Lebens. Nicht ihrer, nein, sicher nicht. Da brauchte sie sich auch nichts vormachen. Sie hatte kaum Träume und das war auch okay. Was für andere bitter klingen mochte, war für Eywa nur realistisches Denken. Wenn jemand wie sie überhaupt Arbeit finden könnte, dann nur in einer der größeren Städte. Dann könnte auch sie eine Wohnung mieten, in schicken Cafés sitzen oder in tollen Restaurants essen gehen. Vielleicht sogar einen Mann kennenlernen, der sie so akzeptierte, wie sie war. Aber in Tillamook?

      „Du bist heute so still, Eywa. Bedrückt dich etwas?“ Sie spürte Tessas Hand auf ihrem Kopf. Sie strich ihr über das Haar und es war ein angenehmes, beruhigendes Gefühl. Eywa legte das Messer beiseite, mit dem sie in einem speziellen Gerät für Blinde eine Tomate in Scheiben geschnitten hatte.

      „Ich frage mich, was mich erwartet im Leben.“

      „Oha! Also sehr tiefsinnige Gedanken. Möchtest du darüber reden?“

      „Es gibt nicht viel zu reden, denn es gibt nicht viel zu erwarten.“

      „Eywa, du bist noch jung, alles liegt vor dir.“

      „Ich weiß, du willst mich trösten, aber dir ist sicher auch klar, dass mein Leben anders verlaufen wird als das von July, oder?“

      „Jedes Leben verläuft anders.“ Sie setzte sich neben Eywa an den Tisch und legte ihre Hand tröstend auf ihren Arm. „Mein Leben ist auch anders verlaufen als das meiner Schwester. Sie ist in New York, lebt in einem luxuriösen Loft mit ihrem reichen Ehemann Nummer vier.“

      Sie mussten beide lachen und Eywa spürte die Aufmunterung in sich wirken. „Ich dagegen schaffe es höchstens alle zwei Monate zur Maniküre und wenn ich den Laden betrete, schlagen sie sich die Hände über dem Kopf zusammen. Zuletzt, und da bin ich mir ganz sicher, sind sie hinter der Ladentheke in Sicherheit gegangen, als ich vorbeiging.“

      Eywa musste so sehr lachen, das tat gut.

      „Im Gegensatz zu meiner schicken Schwester lebe ich auf einer Ranch, habe viele Tiere und dazu unsere Gäste. Das hatte ich so nie geplant. Bis ich Mike kennenlernte und mit ihm seine Visionen verwirklicht habe.“

      Tessa nannte die vom Gericht geschickten Jugendlichen immer ihre Gäste. Das fand Eywa sehr liebenswert. Sie sollten das Gefühl von Geborgenheit und Freiheit haben, nicht von Druck und Zwang.

      „Für dich gab es immer eine Wahl. Egal was du gewollt hättest.“

      „Aber die hast du doch auch?“

      „Nicht wirklich. Die Vereinigung für Sehbehinderte hat mir ein Arbeitsangebot geschickt. Vielleicht nehme ich es an.“

      „Was für ein Angebot?“ Tessas Stimme klang erschrocken.

      „In einer Telefonzentrale. Ich müsste dafür nach Eugene ziehen.“ Sie verzog den Mund, denn Eugene war nicht das, was sie gewollt hätte.

      „Na dann hast du doch die Wahl, die du wolltest. Du kannst in eine andere Stadt ziehen, wo dich niemand kennt, du dich nicht auskennst und einen Job erledigst, den du hassen wirst. Oder du bleibst bei uns und widmest dich dem, was dir Freude macht und dir wichtig ist, zum Beispiel deiner Musik. Die Entscheidung ist doch ganz einfach. Was ist mit deinen Klavierstunden?“

      Noch bevor Eywa ihr antworten konnte, stürmte July ins Haus. Ihre Schritte waren schnell und sie wirkte hektisch, ihr Atem war sogar zu hören, als sie die Küche betrat. Tessa bestätigte Eywas Gespür.

      „Nanu, July, was ist passiert?“

      „Hi Mom“, sagte sie und gab ihr einen Kuss, dann kam sie auf Eywa zu und sie spürte Julys Lippen auf ihrer Wange. „Hi Cousinchen. Du glaubst nicht, wen ich gesehen habe.“

      „Ein Gespenst?“

      „Namens Leon!“

      Eywas Herz machte einen so heftigen Satz, dass sie einen Augenblick verwirrt war.

      „Wer ist Leon?“, wollte Tessa wissen.

      „Der Typ, der Eywa über den Haufen gerannt hat.“

      „Aha, und was ist daran so toll?“

      Eywa war froh, dass Tessa so neugierig war und mehr wissen wollte, denn sie war zu überrascht, um zu reagieren. Am meisten über ihre Reaktion. Konnten andere sehen, wenn einem das Herz in der Brust schlug? Vorsichtshalber legte sie ihre Hand dorthin, wo es am heftigsten pochte.

      „Er war auf der Durchreise, wollte nach Bakersfield.“

      „Vielleicht hat er etwas vergessen? Ich zucke verwundert mit den Schultern.“

      Eywa musste lächeln, denn ihre Tante war die Einzige, die ihre körperlichen Gesten manchmal laut aussprach, damit sie auch diese Dinge erfassen konnte. Oft klang das wirklich witzig.

      „Eben nicht. Ich traf Joe an der Tankstelle und er hat mir erzählt …“

      „Er hat getratscht!“, schnitt Tessa ihr scharf das Wort ab. Es war nicht so, dass Tessa Joe nicht mochte, aber sie konnte ihm nie ganz verzeihen, dass er mit seinem losen Mundwerk fast ihr Projekt mit den Jugendlichen gefährdet hätte. Nicht überall waren Straftäter gerne gesehen. Auch wenn sie noch jung waren. Joe war damals dagegen gewesen, dass man sich freiwillig ‚diese verdorbenen Subjekte‘ in die Stadt holte. Tillamook sei eine friedliche Stadt und sie sollte es auch bleiben. In seiner Bar animierte er die Einwohner zum Protest, verteilte Flugblätter und sammelte sogar Unterschriften. Als sogar die Behörden begannen, das Projekt anzuzweifeln, kostete es Mike und Tessa viele Nerven, Überzeugungskraft und jede Menge Kuchen, der die hitzigen Diskussionen bei Krisentreffen auf der Ranch versüßte. Was auch immer Tessas Rezept gewesen sein mochte, doch die köstlichen Stückchen schmolzen nicht nur auf ihren Zungen, sondern entlockten ihnen auch süßere Töne. Zum Schluss einigte man sich auf eine Art Probelauf für ein halbes Jahr und den bestanden sie mit Bravour.

      „Mom,


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