Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

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Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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auf derselben stiegen Wesen herab, die über menschliche Natur erhaben waren. Über der Leiter sah er deutlich Gott selbst, der ihn mit Namen rief und also sprach: »Jakob, da du einen so guten Vater hast, und dein Großvater hervorragend in der Tugend war, sollst du dich um das Gegenwärtige nicht bekümmern, sondern Besseres erhoffen. Denn unter meinem Schutz wird dir die Fülle des Guten zuteil werden. Auch Abram habe ich aus Mesopotamien hierher geführt, da er von seinen Verwandten vertrieben war; deinen Vater habe ich glücklich gemacht, und auch dein Los wird kein schlechteres sein. Darum ziehe nur gutes Mutes weiter und vertraue meiner Führung. Die Heirat, die du vorhast, wird glücklich sich vollziehen, und du wirst gute Kinder erhalten. Die Menge deiner Nachkommen aber wird unzählig sein, und dein Geschlecht wird wachsen; ich werde ihm die Herrschaft dieses Landes geben, und die Nachkommen werden das ganze Land bevölkern und das Meer, so weit die Sonne es bescheint. Fürchte also keinerlei Gefahr und scheue keine Mühe, denn bei all deinen Handlungen werde ich deine Vorsehung und dein Schutz sein, sowohl jetzt als in Zukunft.«

      2. Solches verkündete Gott dem Jakob. Dieser aber goss in seiner Freude über das, was er gesehen und gehört, Öl auf die Steine, weil er auf ihnen die Verheißung so großen Glückes erlangt hatte. Dann gelobte er, er werde hier Gott opfern, wenn er gesund zurückkehre: auch werde er Gott den Zehnten von allem, was er sich erworben, darbringen. Den Ort aber ehrte er mit dem Namen Bethel, das heißt »Gottes Haus.«

      3. Von da marschierte er dann rüstig weiter nach Mesopotamien und gelangte nach Charra. Und als er im Weichbilde der Stadt Hirten, Jünglinge und Jungfrauen traf, die am Brunnen saßen, trat er zu ihnen und bat um einen Trunk. Dabei fragte er sie, ob sie seinen Verwandten, einen gewissen Laban, kännten, und ob er noch am Leben sei. Jene erwiderten, sie kännten ihn alle sehr wohl; seine Tochter weide mit ihnen die Herde, und sie wunderten sich, dass sie noch nicht da sei. Von ihr werde er alles erfahren, was er zu wissen wünsche. Während sie sich nun unterhielten, kam das Mädchen mit den Hirten, die mit ihr weggegangen waren; und sie zeigten ihr den Jakob mit dem Bemerken, der Fremdling sei gekommen, sich nach ihrem Vater zu erkundigen. Da freute sie sich kindisch über Jakobs Ankunft, frug ihn, wer und woher er sei und was ihn hierher führe, und erbot sich, ihm in allem behilflich zu sein.

      4. Jakob aber ward weniger durch seine Verwandtschaft mit ihr und durch ihr freundliches Wesen als durch Liebe zu dem Mädchen gefesselt, da er ihre herrliche Gestalt bewunderte, eine Gestalt, wie sie wenige Weiber besaßen, und er sprach: »Mich verbindet mit dir und deinem Vater, wenn du Labans Tochter bist, ein Band, das älter ist als du und ich; denn Abram, Aran und Nachor waren des Tharrus Söhne, und dein Großvater Bathuel war der Sohn Nachors, mein Vater Isak aber ist der Sohn des Abram und der Sarra, der Tochter Arans. Und noch näher hat uns einander ein Verwandtschaftsband jüngerer Zeit gebracht, denn meine Mutter Rebekka ist die Schwester deines Vaters Laban und hat mit ihm denselben Vater und dieselbe Mutter. Wir sind somit Geschwisterkinder. Nun aber komme ich hierher, um euch zu begrüßen und die alte Verwandtschaft zu erneuern.« Da erinnerte sie sich (wie Kinder gewöhnlich tun) alles dessen; was sie früher von ihrem Vater über Rebekka gehört hatte, und da sie wohl wusste, wie gern ihre Eltern den Namen derselben hörten, umarmte sie den Jakob unter Tränen, begrüßte ihn und sprach: »Du machst meinem Vater und meiner Familie eine sehr große Freude, denn er hat deine Mutter nicht vergessen und spricht oft von ihr, und er wird dich deshalb aufs höchste schätzen.« Alsdann hieß sie ihn auf dem Fuße ihr zum Vater folgen, damit diesem nicht länger das Vergnügen, ihn zu sehen, entzogen werde.

      5. Laban aber erkannte ihn sogleich, und da Jakob sich hier unter Freunden keinen Zwang auferlegte, bereitete er ihm durch seine unerwartete Ankunft große Freude. Als aber einige Tage verflossen waren, sagte Laban, er freue sich über Jakobs Anwesenheit mehr, als er mit Worten sagen könne; doch wolle er wissen, weshalb er seine betagten Eltern verlassen habe, die doch seiner Hilfe sehr bedürften, und hierher gekommen sei. Alle seine Wünsche werde er nach Kräften zu erfüllen suchen. Darauf erklärte ihm Jakob alles und sagte, Isak habe Zwillingssöhne, ihn und den Esau. Dieser trachte ihm nach dem Leben, weil er ihn um den väterlichen Segen gebracht, den er (Jakob) durch der Mutter List empfangen habe, wodurch er jenem die ihm von Gott bestimmte Herrschaft zugleich mit dem Glücke, das der Vater ihm von Gott erfleht, entrissen habe. Dies und der Befehl seiner Mutter seien die Ursachen seiner Ankunft. »Wir haben zwar«, fügte er hinzu, »fast überall Verwandte, doch zog die Mutter euch als die nächsten vor. Dir also vertraue ich mich in meiner jetzigen Lage nächst Gott, der auf der Reise mein Beschützer war, ganz besonders an.«

      6. Laban versprach ihm darauf seiner Eltern wegen alle Freundschaft, zumal aus Gefälligkeit gegen seine Mutter, die er durch Sorgfalt um ihn besonders beweisen zu können glaube. Er wolle ihm die Oberaufsicht über seine Herden übertragen, und wenn er heimzukehren wünsche, wolle er ihn mit Geschenken und Ehren, die eines so nahen Verwandten würdig seien, ziehen lassen. Jakob freute sich darüber und sagte, er wolle dableiben und gern jede von ihm verlangte Arbeit auf sich nehmen; an Lohnes statt aber verlange er die Rachel zur Ehe, die er besonders deshalb hoch achte, weil er durch sie Zutritt zu ihm gefunden (die Liebe zu dem Mädchen gab ihm diese Worte ein). Laban, hierüber erfreut, sagte ihm seine Tochter zu, da er sich keinen besseren Schwiegersohn wünschen könne. Doch könne die Hochzeit erst stattfinden, wenn er noch eine Zeit lang bei ihm bleiben werde; denn er wolle seine Tochter nicht gern nach Chananaea schicken, da es ihn gereue, seine Schwester dorthin verheiratet zu haben. Hiermit war Jakob auch zufrieden, und sie kamen auf sieben Jahre Dienstzeit überein; in dieser Zeit werde Laban die Tüchtigkeit seines Schwiegersohnes erproben und beurteilen können, was er für ein Mann sei. Und als die festgesetzte Zeit verstrichen war, ließ er das Hochzeitsmahl herrichten. In der Nacht aber hieß er seine ältere Tochter, die nicht so schön wie Rachel war, sich zu Jakob legen, der davon nichts merkte, sondern, von Weinrausch und Dunkelheit getäuscht, ihr beiwohnte. Als er nun am Morgen den Betrug merkte, warf er dem Laban seine Treulosigkeit vor. Dieser entschuldigte sich, er habe nur gezwungen so gehandelt; denn nicht aus bösem Willen, sondern aus einem wichtigen Grunde habe er ihm die Lia zugelegt. Doch werde deshalb seiner Heirat mit Rachel nichts im Wege stehen, vielmehr werde er sie ihm nach weiteren sieben Jahren geben, wenn er sie liebe. Jakob willigte ein, da er die Rachel wirklich sehr liebte und nicht anders handeln zu können glaubte. Und als nun noch sieben Jahre um waren, erhielt er die Rachel zur Ehe.

      7. Jeder Tochter hatte der Vater eine Magd zugeteilt, der Lia die Zelpha und der Rachel die Balla, doch nicht als Sklavinnen, sondern nur als Untergebene. Lia nun ärgerte sich über des Gemahls Liebe zu Rachel und erwartete, mehr geehrt zu werden, wenn sie ihm Kinder gebäre, weshalb sie Gott inständig darum bat. Und als sie einen Knaben geboren hatte und ihr Gatte ihr deshalb mehr gewogen wurde, nannte sie den Sohn Rubel, weil sie ihn durch Gottes Barmherzigkeit erhalten hatte; denn das bezeichnet der Name. Später gebar sie noch drei Söhne: Simeon, das heißt »von Gott erhört«, Levis, das heißt »Befestiger der Verbindung«, und Judas, das heißt »Danksagung.« Da nun Rachel besorgte, sie möchte bei der Fruchtbarkeit ihrer Schwester in der Gunst ihres Gatten sinken, legte sie dem Jakob ihre Dienerin Balla zu. Diese gebar einen Sohn Dan, das heißt »Gottes Gericht«, später den Nephthalim, das heißt »durch keine List zu bekämpfen«, weil seine Mutter durch List ihrer Schwester Fruchtbarkeit wettzumachen gesucht hatte. Dieselbe List gebrauchte aber auch Lia, indem auch sie ihre Dienerin dem Gatten zulegte. Von der Zelpha aber wurde Gad geboren, das heißt »zufällig«, später Aser, das heißt »Glück bringend«, weil das Glück der Lia durch ihn sich vermehrt hatte. Als nun einst Rubel, der Lia ältester Sohn, seiner Mutter Mandragora-Äpfel brachte, bat Rachel um einen Teil davon, weil es sie nach der Speise gelüstete. Lia jedoch verweigerte dies, indem sie meinte, Rachel könne doch zufrieden damit sein, ihr die Liebe des Gatten entrissen zu haben. Rachel versprach aber, um die Schwester zu beschwichtigen, sie wolle zugeben, dass ihr Mann sich in der nächsten Nacht zu Lia lege, was diese dankend annahm. Jakob wohnte also der Lia bei, und sie gebar ihm wieder Söhne, den Isachar, das heißt »zur Belohnung geboren«, den Zabulon, das heißt »Pfand des Wohlwollens«, und eine Tochter Dina. Später gebar auch Rachel noch einen Sohn Joseph, das heißt »Zuwachs zukünftiger Sache.«

      8. Während dieser ganzen Zeit, zwanzig Jahre lang, weidete und besorgte Jakob dem Schwiegervater die Herden. Nach Ablauf dieser Zeit aber begehrte er, mit seinen Weibern nach der Heimat zurückkehren zu dürfen, und da sein Schwiegervater dies verweigerte, beschloss er, es heimlich zu tun.


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