Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

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Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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sei besser gewesen, wenn er früher ihrem Verlangen willfahrt und keinen Widerstand geleistet hätte, teils aus Ehrfurcht vor ihr, teils wegen der Heftigkeit ihrer Liebe, die sie, die Herrin, veranlasst habe, sich unter ihre Würde zu erniedrigen. Doch könne er durch kluges, entgegenkommendes Benehmen seine Unterlassung wieder gutmachen. Wenn er eine zweite Bitte ihrerseits erwartet habe, so tue sie das jetzt, und zwar inständiger als zuvor. Sie habe Krankheit vorgeschützt und seine Gesellschaft dem rauschenden Feste vorgezogen. Habe er aber ihren früheren Worten misstraut und ihnen deshalb nicht nachgegeben, so könne er jetzt daraus, dass sie auf ihrem früheren Verlangen bestehe, leicht entnehmen, dass sie keine böse Absicht habe. Deshalb könne er sowohl das gegenwärtige Glück, das ihm schon winke, genießen, wenn er ihr Verlangen erfülle, als auch auf noch größeres hoffen. Dagegen aber könne er sich auf ihren Hass und ihre Rache gefasst machen, wenn er ihre Bitte zurückweise und lieber seine Keuschheit bewahren, als seiner Herrin zu Willen sein wolle. Die Keuschheit werde ihm übrigens wenig nützen, denn sie brauche nur die Anklage gegen ihn vorzubringen und ihrem Manne vorzulügen, sie sei von ihm angegriffen worden, und Petephres werde doch ihren Worten mehr Glauben schenken als den seinigen, und wenn sie noch so sehr den Schein der Wahrheit an sich trügen.

      4. So beschwor ihn das Weib unter Tränen; doch ließ er sich weder aus Mitgefühl noch aus Furcht von seiner Keuschheit abbringen, sondern er widerstand ihren Bitten wie ihren Drohungen und verabscheute das Böse. Denn lieber wollte er bitteres Leid ertragen, als augenblickliches Wohlbehagen genießen und dem Weibe zuliebe etwas begehen, das ihm, dessen war er sich bewusst, von Rechts wegen den Tod zuziehen musste. Auch ermahnte er sie, ihrer ehelichen Verbindung und Pflichten zu gedenken und beschwor sie, darauf mehr Rücksicht zu nehmen als auf die Befriedigung einer augenblicklichen Lust. Denn dieser würden Reue und Schmerz folgen, die die Sünde nicht ungeschehen machen könnten; zudem werde sie in beständiger Furcht vor Ertappung schweben und es als einzige Wohltat betrachten, wenn der Frevel geheim bliebe. Mit ihrem Gatten dagegen könne sie ohne Gefahr verkehren und habe dann auch noch die Zuversicht eines guten Gewissens vor Gott und den Menschen. Auch werde sie, wenn sie ihre Reinheit bewahre, eher das Recht der Herrin ihm gegenüber vertreten können, als wenn die Scham über sein Mitwissen um ihre Sünde sie darin beschränke. Denn es sei besser, den rechten Weg offen zu wandeln, als im Geheimen zu sündigen.

      5. Durch diese und ähnliche Vorstellungen versuchte er die heftige Begierde des Weibes zu zügeln und sie von ihrer verkehrten Leidenschaft zu vernünftigem Nachdenken hinüberzulenken. Sie aber bestand nur umso fester auf ihrem Begehren, und da sie daran verzweifelte, ihn mit Worten sich geneigt machen zu können, legte sie Hand an ihn und versuchte ihn mit Gewalt zu zwingen. Joseph aber floh entrüstet, und indem er das Kleid, an welchem sie ihn gefasst, zurückließ, stürmte er aus ihrem Schlafgemach hinaus. Da sie aber befürchtete, er möchte ihrem Gatten von der Sache Mitteilung machen, hielt sie, schmerzlich ergriffen wegen ihrer schmachvollen Niederlage, es für geraten, den Joseph bei Petephres falsch anzuklagen und so Rache für die ihr widerfahrene Beleidigung zu nehmen. Denn sie hielt es für klug und ihr als Frau wohl anstehend, ihm mit der Beschuldigung zuvorzukommen. Und so saß sie betrübt und verwirrt da und heuchelte Schmerz, als ob ihre Schamhaftigkeit verletzt worden sei, während sie in Wirklichkeit doch nur aufgebracht darüber war, dass ihre Begierde nicht gestillt worden war. Als nun ihr Gatte heimkehrte und sich über ihren Anblick entsetzte, fing sie auf seine Frage nach dem Grunde ihrer Betrübnis an, den Joseph zu beschuldigen und sprach: »Du verdienst zu sterben, o Gemahl, wenn du den nichtswürdigen Knecht, der dein Ehebett entehren wollte, nicht mit gebührender Strafe belegst. Denn uneingedenk des Zustandes, in dem er unser Haus betrat, und uneingedenk der Wohltaten, die du ihm erzeigtest, hat er, statt Dankbarkeit gegen uns zu beweisen, tückischerweise dein Ehelager zu entweihen versucht, und dazu noch an einem Festtage in schlauer Berechnung deiner Abwesenheit. Die Bescheidenheit, welche er früher zur Schau trug, legte er sich nur aus Furcht vor dir auf, und nicht etwa, weil er wirklich rechtschaffenen Gemütes war. So ist es aber gekommen, weil er wider Verdienst und Erwarten zu Ehren gelangt war; infolgedessen hielt er es für billig, dass er, dessen treuer Verwaltung du alle deine Güter anvertraut und den du über deine älteren Diener gesetzt hattest, sich nun auch an deiner Gattin vergreifen dürfe.« Nach diesen Worten zeigte sie ihm das Kleid, gleich als wenn er es zurückgelassen hätte, als er ihr Gewalt antun wollte. Petephres aber, der weder den Tränen und Worten seiner Gattin noch dem Augenschein misstraute und sie überdies sehr liebte, stand von weiterer Untersuchung des Sachverhaltes ab, lobte sein Weib ob ihrer Schamhaftigkeit und ließ den Joseph, den er nun für nichtswürdig hielt, ins Gefängnis werfen. Von seiner Gattin dagegen dachte er nur Gutes, weil er ihre Züchtigkeit und Keuschheit erprobt habe.

      FÜNFTES KAPITEL

      Was Joseph im Gefängnisse begegnete und wie er

      zu hohen Ehren gelangte.

      1. Joseph stellte nun sein ganzes Geschick Gott anheim und verschmähte sowohl seine Verteidigung als auch eine genaue Darstellung des Sachverhaltes, viel mehr trug er schweigend seine Ketten und vertraute Gott, der die wahre Ursache seines Unglückes kenne und mächtiger sei als die, welche ihn ins Gefängnis geworfen. Und bald erfuhr er auch Gottes Vorsehung an sich. Denn der Kerkermeister nahm ihm mit Rücksicht auf seinen Fleiß, seine Zuverlässigkeit und seine schöne Körpergestalt die Fesseln ab und machte ihm hierdurch wie auch durch die Gestattung besserer Kost sein Unglück leichter und erträglicher. Unter den Gefangenen nun, die, von gleichem Elend gebeugt, sich in den kurzen Erholungspausen nach schwerer Arbeit über die Gründe ihrer Verurteilung zu unterhalten pflegten, befand sich auch ein Mundschenk des Königs, der diesem sehr lieb gewesen, aber im Zorne von ihm ins Gefängnis geworfen worden war. Und da er mit Joseph dieselben Fesseln trug, wurde er vertrauter mit ihm und erzählte ihm (er hatte erkannt, dass dieser die übrigen Gefangenen an Scharfsinn übertraf) einen Traum mit der Bitte, ihm denselben zu deuten, wenn man ihm eine Bedeutung beilegen könne. Er beklagte dabei sehr, dass ihm außer dem vom Könige über ihn verhängten Elende auch noch die Träume solche Beunruhigung brächten.

      2. Er erzählte ihm also, er habe im Traum drei Rebzweige gesehen, an denen große und ausgereifte Weintrauben hingen; diese habe er in einen Becher ausgepresst, den der König in der Hand hielt, dann habe er den Most durchgeseiht und ihn dem Könige zum Trinken gereicht, der ihn gnädig angenommen habe. Diesen Traum, sagte er, habe er gesehen, und er bat Joseph, ihm die Deutung desselben mitzuteilen, wenn er dazu die Einsicht besitze. Joseph aber hieß ihn gutes Mutes sein, denn in drei Tagen könne er seine Befreiung aus dem Kerker erwarten, und der König werde seine Dienste wieder begehren und ihn dazu wieder berufen. Die Frucht des Weinstockes nämlich sei durch Gottes Freigebigkeit den Menschen zu ihrem Nutzen gegeben worden, da sie ihm selbst geopfert werde und da sie Freundschaft und Vertrauen unter den Menschen vermittele, Feindschaft löse, Verwirrung und Trauer zerstreue und großes Vergnügen bereite. »Du sagst nun, du habest mit deinen Händen aus drei Weintrauben den Saft gepresst, und der König habe ihn angenommen. So wisse also, dass du einen guten Traum gehabt hast, der dir zeigt, dass du in so viel Tagen, als es Weintrauben waren, aus denen du Wein gepresst im Traume, aus deinem Elend wirst erlöst werden. Wenn du nun die Wahrheit dieser Deutung erprobt haben wirst, so erinnere dich meiner, der dir dieses Glück verkündet hat, und siehe nicht auf uns, die du hier im Kerker zurücklässt, verächtlich herab, wenn du die Freiheit wiedererlangt hast und das Glück findest, das ich dir vorhergesagt habe. Denn nicht durch meine Schuld bin ich in Banden geworfen worden, sondern wegen meiner Tugend und Sittsamkeit erleide ich die Strafe von Verbrechern, da ich dem, der mich hierher gebracht hat, nicht aus schnöder Lust Schande antun wollte.« Über eine solche Traumdeutung freute sich natürlich der Mundschenk und harrte nun des Erfolges.

      3. Noch ein anderer Diener des Königs, der oberste der Bäcker nämlich, war zugleich mit dem Mundschenk eingekerkert worden. Da nun auch er einen Traum gehabt und die günstige Auslegung vernommen hatte, die Joseph dem Traume des Mundschenken gab, fragte er ihn hoffnungsvoll, was sein eigener Traum bedeute, den er in der verflossenen Nacht gehabt. Dieser aber war folgender: »Es schien mir«, sagte er, »ich trüge auf meinem Kopfe drei Körbe, davon zwei mit Broten gefüllt; der dritte aber mit Zukost und anderen Esswaren, wie sie dem Könige bereitet werden. Da kamen Vögel angeflogen und verschlangen alles, und obwohl ich sie zu vertreiben suchte, konnte ich sie nicht abschrecken.« Und der Bäcker erwartete eine ähnlich günstige


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