Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

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Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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hatte die Hebräer deshalb diesen Weg nehmen lassen, damit die Ägypter, falls sie der Auszug der Hebräer gereuen sollte, und sie ihnen mit Heeresmacht nachsetzten, die Strafe für ihre Bosheit und für die Verletzung des Vertrages finden sollten: Dann aber wollte er auch vor den Palästinern sicher sein, die noch einen alten Groll gegen die Hebräer hatten, und deren Land an Ägypten grenzte. Darum führte er das Volk nicht geradewegs auf Palästina zu, sondern wollte lieber durch die Wüste auf großen Umwegen, wenn auch unter Mühen und Beschwerden, Chananaea zu erreichen suchen. Hierzu kam noch der Befehl Gottes, der geboten hatte, das Volk solle zum Berge Sinai geführt werden und ihm dort opfern. Als nun die Ägypter die Hebräer eingeholt hatten, rüsteten sie sich zum Kampfe, schlossen die Hebräer mit großer Macht ein und trieben sie in die Enge. Denn sie hatten sechshundert Wagen, fünfzigtausend Reiter und zweihunderttausend Fußsoldaten; auch hatten sie alle Wege besetzt, auf denen die Hebräer ihnen hätten entkommen können. So hielten sie dieselben zwischen unzugänglichen Abhängen und dem Meere eingeschlossen. Denn an Letzteres grenzt ein steiles und unwegsames Gebirge, das jeden Ausweg abschneidet. Zwischen diesem und dem Meere saßen also die Hebräer fest, und den einzigen Ausweg in die Ebene hatten die Ägypter durch ein hier angelegtes Lager versperrt.

      4. Da nun die Hebräer einerseits aus Mangel an Lebensmitteln keiner Belagerung standhalten, andererseits aber auch keinen Ausweg zur Flucht entdecken konnten, und da ihnen, selbst wenn sie hätten kämpfen wollen, die Waffen dazu fehlten, so blieb ihnen, wollten sie nicht zugrunde gehen, keine andere Hoffnung, als sich den Ägyptern auf Gnade oder Ungnade zu ergeben. Dem Moyses aber machten sie Vorwürfe, da sie die Wunder, welche Gott zum Zwecke ihrer Befreiung gewirkt hatte, bereits vergessen hatten. Ja, sie gingen so weit, dass sie den Propheten, der sie zum Ausharren ermahnte und ihnen ihre Errettung in Aussicht stellte, steinigen und sich wieder in die Gewalt der Ägypter begeben wollten. Die Weiber und Kinder aber jammerten und wehklagten, da sie den sicheren Tod vor Augen sahen; denn ringsum waren sie von Bergen, Meer und Feinden eingeschlossen, und kein Rettungsweg war zu entdecken.

      5. Obwohl nun die Menge gegen ihn aufgebracht war, ließ Moyses doch nicht im Mindesten von der Fürsorge für dieselbe ab. Vielmehr vertraute er auf Gott, er werde, wie er sonst seinem Versprechen gemäß für ihre Erlösung gesorgt, so auch jetzt sie nicht ihren Feinden überantworten, die sie entweder wieder in die Knechtschaft schleppen oder töten würden. Daher begab er sich in ihre Mitte und sprach zu ihnen: »Es wäre schon unbillig, wenn ihr Menschen, die bis jetzt eure Angelegenheiten gut verwaltet haben, misstrauen würdet, gleich als ob sie in Zukunft dazu weniger geeignet wären; um wie viel törichter wäre es da, an Gottes Vorsehung zu verzweifeln, der euch alles gewährt hat, was er euch durch mich zu eurem Heile und in Hinsicht eurer Erlösung aus der Knechtschaft gegen alle eure Erwartung verheißen hat. Vielmehr geziemt es euch, in eurer jetzigen Notlage auf Gottes Hilfe zu bauen. Denn nur deshalb hat er eure Einschließung in diesen Engpass zugelassen, um euch gegen eurer Feinde Erwarten aus dieser Gefahr zu erlösen und euch dadurch seine Allmacht und besondere Fürsorge zu beweisen. Gott erzeigt nämlich denen, auf die er mit Wohlgefallen sieht, nicht nur in kleinen Angelegenheiten seine Hilfe, sondern erst recht dann, wenn die Menschen jedwede Hoffnung auf Besserung ihrer Lage aufgegeben haben. Vertraut daher fest auf einen solchen Helfer, der aus Kleinem Großes zu erzeugen und auch die Kraft solcher gewaltigen Heeresmassen zu schwächen vermag, mit denen euch die Ägypter schrecken. Wollet auch nicht verzweifeln, weil euch durch Meer und Berge die Flucht abgeschnitten ist; denn wenn Gott will, werden die Berge in Ebenen und das Meer in trockenes Land verwandelt werden.«

      SECHZEHNTES KAPITEL

      Wie das Meer sich vor den Hebräern teilte und ihnen die Flucht

      vor den Ägyptern ermöglichte.

      1. Nach diesen Worten führte er sie im Angesichte der Ägypter ans Meer. Diese konnten nämlich die Hebräer erblicken, hielten es aber, da sie von der Verfolgung ermüdet waren, für ratsam, den Kampf auf den kommenden Tag zu verschieben. Und als nun Moyses das Gestade erreicht hatte, ergriff er seinen Stab und flehte zu Gott um Schutz und Hilfe mit diesen Worten: »Du weißt, o Herr, dass wir vergeblich zu menschlicher Kraft und Überlegung unsere Zuflucht nehmen, um der gegenwärtigen Not zu entgehen. In deiner Macht aber liegt es, deinem Volke, das in Gehorsam gegen deinen Willen aus Ägypten auszog, Erlösung zu gewähren. Daher nehmen wir, hoffnungslos und ratlos wie wir sind, zu dir allein unsere Zuflucht und flehen dich an. Angstvoll erwarten unsere Herzen das Eingreifen deiner Vorsehung, damit wir den Händen der wutentbrannten Ägypter entrissen werden. Doch komme schnell und zeige uns deine Macht; flöße dem Volke, das aus Verzweiflung zusammenzubrechen droht, Mut ein und richte wieder auf seine Hoffnung und sein Vertrauen auf Erlösung. Du vermagst unsere Not zu beseitigen – denn dein ist das Meer, und dein sind die Berge, die uns umschließen. Willst du, so tun sie sich auf, und das Meer verwandelt sich in trockenes Land. Ja, durch die Luft können wir fliegen und so entkommen, wenn deine Allmacht uns also erretten will.«

      2. Nach diesem Gebete zu Gott schlug Moyses mit seinem Stabe aufs Meer. Dieses aber gab dem Schlage nach, wich zurück und ließ das Land trocken, um den Hebräern die Flucht zu ermöglichen. Daran erkannte Moyses Gottes Gegenwart, und da er sah, dass das Meer von seinem Grunde gewichen war, schritt er zuerst hinein und hieß die Hebräer ihm folgen auf dem Pfade, den Gott ihnen gebahnt. Dann ermahnte er sie in der Freude über die Gefahr, in welche die nachsetzenden Feinde zu stürzen drohten, sie sollten Gott danken, der ihnen einen so unverhofften Weg zur Rettung geöffnet habe.

      3. Als die Hebräer nun im Vertrauen auf Gottes Gegenwart ohne Zögern nacheilten, glaubten die Ägypter, sie seien von Sinnen, da sie offenbar ihrem Verderben entgegenliefen. Doch als sie sahen, dass die Hebräer wohlbehalten weiter vorrückten, ohne Schwierigkeiten und Hindernisse anzutreffen, begannen sie ihnen zu folgen, als ob auch vor ihnen das Meer ruhig zurückweichen würde; ihre Reiterei schickten sie dabei voraus. Indes sie sich aber ihre Waffen angelegt und damit Zeit verloren hatten, waren die Hebräer schon wohlbehalten am jenseitigen Ufer angelangt. Dadurch wurden die Ägypter noch mehr angestachelt zur Verfolgung, in dem Glauben, dass auch ihnen nichts Übles widerfahren würde. Sie hatten aber außer Acht gelassen, dass der Weg nur für die Hebräer, nicht aber für andere geschaffen worden, und dass er zur Erlösung der Gefährdeten, nicht aber für die bestimmt war, die ihn zum Verderben anderer benutzen wollten. Als daher das gesamte Heer der Ägypter den Weg betreten hatte, strömte plötzlich das Meer wieder zusammen und begrub, von Sturm gepeitscht, mit gewaltigem Andrang die Ägypter in seinen Fluten. Zugleich stürzten Regengüsse vom Himmel, und grause Donnerschläge wechselten mit zuckenden Blitzen; kurz, was Gottes Zorn den Menschen zu schicken pflegt, schien hier vereinigt zu sein, denn auch dichte Finsternis und Nacht gesellte sich hinzu. So gingen die Ägypter sämtlich unter, und es blieb noch nicht einmal einer übrig, der die Botschaft von dem Unglück hätte nach Hause bringen können.

      4. Die Hebräer aber konnten sich vor Freude über ihre unverhoffte Errettung und die Vernichtung ihrer Feinde kaum halten, und sie glaubten nun einer festen und gesicherten Zukunft entgegenzugehen, da Gott sie so offenbar beschützt hatte. Und weil sie selbst der Gefahr so wunderbar entronnen waren, ihre Feinde aber von einem Strafgericht ereilt sahen, wie es seit Menschengedenken nicht da gewesen, verbrachten sie die Nacht mit Gesang und in freudigem Jubel. Moyses selbst verfasste zur Ehre Gottes ein Lied in sechsfüßigen Versen, das Gottes Lob besang und ihm für seine Wohltaten dankte.

      5. Alles dies habe ich aufgezeichnet, wie ich es in den heiligen Büchern geschrieben fand. Niemand aber möge sich darüber verwundern und es für unglaublich halten, dass die damaligen Menschen, die in Schlechtigkeiten noch nicht so bewandert waren, einen Weg zu ihrer Errettung, sei es nach Gottes Willen oder von selbst, durch das Meer gefunden haben sollen. Denn es ist noch nicht so lange Zeit verstrichen, da auch vor dem Heere Alexanders, des Königs von Makedonien, das Pamphylische Meer zurückwich und ihm, da es keinen anderen Weg zu Gebote hatte, einen solchen eröffnete. Gott bediente sich nämlich seiner Hilfe, um die Herrschaft der Perser zu stürzen. Das bezeugen alle, welche die Kriegstaten Alexanders beschrieben haben. Doch möge hierüber jeder denken, wie ihm beliebt.

      6. Als nun am folgenden Tage die sturmbewegten Meereswogen die Waffen der Ägypter ans Gestade geworfen hatten, ließ Moyses, der darin ein Zeichen der Vorsehung Gottes erblickte, dieselben sammeln und rüstete mit ihnen die Hebräer


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