Jüdische Altertümer. Flavius Josephus

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Jüdische Altertümer - Flavius Josephus


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diese Weise gelang es ihm, sie zu beruhigen, sodass sie von seiner Steinigung Abstand nahmen und über ihren Anschlag Reue empfanden. Da er aber sah, dass sie, wenn auch nicht ohne ihr eigenes Verschulden, wirklich in großer Not sich befanden, so beschloss er, sich im Gebete an Gott zu wenden. Und er bestieg eine Anhöhe und betete zu Gott (bei dem allein all ihr Heil sei), er möge doch dem Volk Hilfe und Erlösung aus seiner großen Drangsal gewähren und ihm verzeihen, was es unter dem Drucke seines Elendes verbrochen habe. Sei doch der Mensch von Natur aus geneigt, im Unglück zaghaft und widerspenstig zu werden. Darauf verhieß ihm Gott, er werde sich ihrer annehmen und ihnen die erbetene Hilfe gewähren. Als Moyses dies vernommen hatte, stieg er wieder zum Volk herab, das ihn ob der Verheißungen Gottes erfreut sah, und dessen Trauer sich darum rasch in Freude verwandelte. Und Moyses trat in ihre Mitte und verkündete ihnen, er bringe ihnen von Gott Erlösung aus ihrer Drangsal. Nicht lange danach kam eine große Menge Wachteln (diese Vogelgattung lebt vorzugsweise am Arabischen Meerbusen) über das Meer angeflogen, die, da sie müde vom langen Flug waren und überhaupt mehr als andere Vögel sich der Erde zu nähern wagen, sich bei den Hebräern niederließen. Diese fingen sie mit den Händen, betrachteten sie gleichsam als Nahrung, die Gott selbst ihnen bereitet habe, und machten damit ihrer Not ein Ende. Moyses aber wandte sich zu Gott und dankte ihm, dass er seiner Verheißung gemäß ihnen so schnell geholfen habe.

      6. Bald schickte ihnen Gott nach dieser ersten Speise noch eine andere. Denn als Moyses seine Hände zum Gebet erhob, fiel Tau, und da derselbe an seinen Händen hängen blieb, vermutete er, Gott habe auch damit ihnen eine Speise beschert, und freute sich sehr darüber. Weil er aber sah, dass das Volk die Substanz irrigerweise für Schnee hielt, wie er im Winter zu fallen pflegt, belehrte er sie, das vom Himmel Gefallene sei kein Tau, wie sie meinten, sondern eine Speise zu ihrer Ernährung und Erhaltung. Und nachdem er selbst davon gekostet hatte, hieß er sie gleichfalls sich überzeugen, und sie folgten seinem Beispiele und freuten sich der Speise, denn sie schmeckte angenehm und süß wie Honig. An Aussehen aber glich sie dem Gewürz Bdellium und an Größe der einzelnen Körner dem Koriandersamen. Sie wurde nun eifrig gesammelt, und jeder musste täglich ein Assaron (ein bestimmtes Maß) davon auflesen; denn auf diese Weise werde es ihnen an Nahrung nicht mangeln. Es geschah das aus Vorsicht, damit nicht die Stärkeren, die mehr zu sammeln vermochten, den Schwächeren das Einsammeln ihrer Nahrung erschweren konnten. Diejenigen aber, welche über das vorgeschriebene Maß hinausgingen, hatten davon doch keinen Nutzen. Denn sie fanden nicht mehr als ein Assaron, und was für den folgenden Tag aufgespart wurde, war ungenießbar, da es dann bitter und voll von Würmern war. Es war eine göttliche und unbegreifliche Speise, denn wer davon genoss, konnte jede andere Nahrung entbehren. Noch bis auf den heutigen Tag fällt in jener ganzen Gegend diese Substanz nieder, wie sie Gott damals dem Moyses zu Gefallen als Nahrung bescherte. Diese Speise nennen die Hebräer Manna, denn in unserer Sprache ist »man« die Fragepartikel, wenn wir fragen wollen: »was ist das?« Die Hebräer aber freuten sich dessen, was vom Himmel fiel, gar sehr, denn sie genossen diese Speise vierzig Jahre lang, also in der ganzen Zeit, da sie in der Wüste lebten.

      7. Nachdem sie nun von da weitergezogen und nach Raphidin gekommen waren, litten sie argen Durst, weil sie an den vorhergehenden Tagen nur sehr vereinzelte Quellen angetroffen hatten. Und da sie sahen, dass das ganze Land überhaupt trocken und wasserarm war, und sie wieder in Not geraten würden, murrten sie aufs Neue gegen Moyses. Dieser aber entzog sich für kurze Zeit dem Ungestüm des Volkes und wandte sich zu Gott, den er flehentlich bat, er möge, wie er früher ihnen Speise verschafft habe, so auch jetzt den Trank ihnen nicht versagen; denn wenn ihnen dieser fehle, werde ihnen die Speise allein nicht viel nützen. Gott aber zögerte in seiner Güte nicht, sondern versprach dem Moyses, es werde sich ihnen eine wasserreiche Quelle zeigen, wo sie dieselbe am wenigsten erwarteten. Dann hieß er ihn mit seinem Stab auf den Felsen schlagen, den er zunächst erblicken werde; sie würden dann so viel Wasser erhalten, als sie wünschten, auch solle es ihnen ohne alle Mühe und Arbeit zufließen. Als Moyses dies von Gott vernommen hatte, kehrte er zum Volke zurück, das in gespannter Erwartung seiner harrte; denn es hatte schon von einer Anhöhe aus nach ihm ausgespäht, als er beschleunigten Schrittes vom Berge herabstieg. Und als er ankam, verkündete er ihnen, Gott wolle sie auch aus dieser Not erlösen und ihnen unverhoffte Hilfe senden; denn es werde Wasser aus einem Felsen hervorquillen. Sie aber erstaunten hierüber, als wenn sie, von Durst und den Beschwerden des Marsches erschöpft, nun auch noch einen Felsen anhauen müssten. Und als nun Moyses mit seinem Stab auf den Felsen schlug, der sich sogleich öffnete und reichlich klares Wasser hervorsprudeln ließ, gerieten sie ob der Neuheit der Erscheinung in solches Erstaunen, dass schon vom bloßen Anschauen ihr Durst gestillt wurde. Darauf tranken sie und fanden das Wasser lieblich und süß, ein wahres Geschenk Gottes. Und sie bewunderten den Moyses, den Gott so sehr ehrte; Gott aber brachten sie für seine große Fürsorge Opfer dar. Die heilige Schrift aber, die im Tempel aufbewahrt wird, erklärt uns, Gott habe dem Moyses vorherverkündigt, dass er auf diese Weise dem Felsen Wasser entströmen lassen werde.

      ZWEITES KAPITEL

      Wie die Amalekiter und die benachbarten Völker die Hebräer mit Krieg

      überziehen, von ihnen aber besiegt werden und einen großen Teil ihres

      Heeres verlieren.

      1. Als nun der Ruf der Hebräer sich weit und breit ausdehnte und das Gerede über sie mehr und mehr zunahm, befiel die Eingeborenen eine große Furcht, und sie schickten Boten hin und her und ermunterten einander, ihre Streitkräfte zu vereinigen und auf die gänzliche Ausrottung jenes Volkes hinzuarbeiten. Am meisten rieten hierzu die Bewohner von Gobolitis und Petra, welche Amalekiter hießen und die kriegerischsten von den benachbarten Völkerschaften waren. Deren Könige reizten durch Boten ihr eigenes Volk sowohl, als auch die ringsum wohnenden Völker zum Kriege gegen die Hebräer auf, indem sie vorgaben, diese seien ein Heer von Fremdlingen, die der Knechtschaft der Ägypter entronnen seien und nun kämen, um ihnen den Untergang zu bereiten. »Wir dürfen sie«, hieß es, »keineswegs verachten, sondern müssen sie, was das Sicherste und Klügste ist, bevor sie an Macht wachsen, sich ausbreiten und, durch unser Zögern kühn gemacht, uns zuerst mit Krieg überziehen, unterdrücken und für das, was sie in der Wüste getrieben, sie züchtigen, ehe sie an unsere Städte und unseren Reichtum ihre Hand legen. Denn es ist viel vernünftiger, der Feinde Macht zu stürzen, sobald sie zu wachsen beginnt, als später ihren Fortschritt hemmen zu wollen, wenn sie schon erstarkt ist. Im letzteren Falle stehen wir da, als ob wir dem Feinde wegen seiner großen Macht grollten, während wir im ersteren Falle ihm jede Gelegenheit zu Anschlägen gegen uns von vornherein abschneiden.« So reizten sich die Völkerschaften gegenseitig durch Boten auf, und endlich ward beschlossen, die Hebräer mit Krieg zu überziehen.

      2. Moyses aber, der solche Feindseligkeit nicht erwartet hatte, geriet durch die Rüstungen der Eingeborenen in große Verlegenheit. Und als es nun zum Kampfe kommen und das Kriegsglück versucht werden sollte, bemächtigte sich große Verwirrung der Hebräer, denn sie sollten, obgleich nicht hinreichend vorbereitet, mit einem gut geleiteten und gerüsteten Heere streiten. Moyses aber sprach ihnen Trost zu und ermahnte sie, auf Gottes Hilfe zu vertrauen und wohlgemut zu sein. Er, der ihnen zur Freiheit verholfen, werde ihnen auch den Sieg über ihre Feinde verleihen, die ihnen jene wieder rauben wollten. Sie sollten erwägen, dass ihr Heer doch nicht so klein und schwach sei, auch an Waffen, Geld, Lebensmitteln und allem anderen, was zur Kriegführung nötig sei, keinen Mangel habe, weil sie der Hilfe Gottes sicher seien. Der Feinde Heer dagegen sei klein, schlecht bewaffnet und schwach, und Gott werde nicht zulassen, dass sie von solchen Männern überwunden würden. Auch sollten sie sich ins Gedächtnis rufen, wie mächtig der Helfer sei, dessen Beistand sie in so vielen und noch weit schlimmeren Gefahren kennen gelernt hätten. Denn hier hätten sie nur mit Menschen zu kämpfen, früher dagegen seien Hunger und Durst, Berg und Meer ihre viel gefährlicheren Gegner gewesen, und auch die hätten sie doch mit Gottes gnädiger Hilfe vollständig überwunden. Sie sollten daher freudigen Herzens in den Kampf ziehen, denn reiche Beute winke ihnen nach Besiegung ihrer Feinde.


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