Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter

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Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman - Tessa Hofreiter


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Bad, und dann bin ich weg.«

      Wenige Minuten später verabschiedete sich Marie von ihrer Freundin und winkte dem abfahrenden Auto freundlich hinterher, dann verriegelte sie die Haustür und ging hinauf in ihr gemütliches Zimmer. Es hatte zu regnen begonnen, und der Wind drückte gegen das ein wenig geöffnete Fenster des Zimmers. Die weißen Leinenvorhänge bauschten sich sacht, und Kälte und Duft des Herbstes fluteten den Raum. Es roch nach Wald, feuchtem Laub und dunkler Erde. Die junge Frau lag in ihrem Bett, neben sich den hellen Schein ihrer Leselampe, einen Stapel Bücher und den warmen Tee. Marie kuschelte sich in ihr und Bens Kissen, breitete die weiche Daunendecke über sich aus und begann zu lesen, bis sie in der Geborgenheit ihres Zuhauses in einen friedlichen Schlaf hinüberglitt.

      Im Erdgeschoss des Hauses befand sich direkt neben dem Gäste-WC der Hauswirtschaftsraum mit der Waschmaschine und dem Korb mit getragener Wäsche. Nachdem Lisa gegangen war, wartete in der Hosentasche von Bens Jeans etwas Bitterböses, heimlich Platziertes in sündigem Rot darauf, entdeckt zu werden …

      *

      Die vergangene Nacht hatte den goldenen Herbst in nass-kaltes, trübes Grau verwandelt. Marie seufzte, als sie aus dem Fenster schaute. Heute hatte sie keine Lust auf einen der Spaziergänge, die sie sonst so gerne unternahm. Sie legte ihre Hände um den wärmenden Teebecher und überlegte, was heute noch zu erledigen war: Fanny einen Einkaufszettel durchgeben, die Kürbissuppe fürs Mittagessen aus dem Tiefkühler holen, Wäsche waschen und sich dann gemütlich in den Sessel setzen und an den Babydecken weiterstricken.

      Langsam ging die junge Frau hinüber in den Hauswirtschaftsraum und begann, die Wäsche auszusortieren. Als erstes wollte sie Dunkles waschen, auch von Ben lagen noch Jeans und Sweatshirts im Korb. Routiniert drehte sie Pullover auf links und überprüfte, ob alle Taschen geleert waren. Ein einziges, vergessenes Papiertaschentuch kann sich in einer Ladung dunkler Wäsche auf bemerkenswerte Weise ausbreiten! In der Hosentasche von Bens Jeans spürte Marie ein Knäuel, das sie herauszog und in den Müll werfen wollte.

      Ihre Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Es war gar kein Papiertaschentuch. Es waren ein String, ein Nichts aus Spitzenbändern und Federn, und die leere Verpackung eines Kondoms, beides in einem bekannten Scharlachrot!

      Wie betäubt starrte Marie auf ihren Fund. Das musste sie sich einbilden, es musste einfach eine Täuschung sein! Ein schlechter Traum, aus dem sie gleich erwachen würde! Die junge Frau kniff ganz fest die Augen zu, atmete tief durch und riskierte den nächsten Blick.

      Nichts hatte sich verändert, sie hielt immer noch die Zeugen einer erotischen Begegnung in der Hand. Einer Begegnung, die ganz offensichtlich zwischen Benjamin und einer anderen Frau stattgefunden hatte.

      Der Schmerz kam mit einer Wucht, der ihr Herz zu zerreißen drohte. »Ben!«, schluchzte sie auf, »Ben, was hast du getan!« Wie blind tastete sie sich hinüber in die Stube, wo sie auf dem Sofa zusammenbrach. Sie schlang die Arme um ihren Leib, in dem die beiden Ungeborenen unruhig auf die Verfassung ihrer Mutter reagierten. Schluchzend vergrub Marie den Kopf in den Kissen und ließ ihrem Kummer freien Lauf. Wie konnte Benjamin ihr das antun, wie konnte er nur! Galt sie denn in seinen Augen nicht mehr als Frau? War ihre Weiblichkeit als Schwangere so wenig anziehend, dass er sich einer anderen zugewandt hatte? Abgrundtiefe Verzweiflung hielt Marie gepackt und saugte jedes Fünkchen Lebenskraft aus ihr, bis nur noch eine erschöpfte Hülle übrig blieb.

      Wie viele Stunden sie so auf dem Sofa gekauert hatte, wusste sie nicht, Marie hatte ihr Zeitgefühl verloren. Das hartnäckige Signal eines Weckers holte sie nach und nach aus ihrem qualvollen Dämmerzustand. Langsam kehrte die junge Frau in das Hier und Jetzt zurück. Sie erinnerte sich, dass sie den Wecker gestellt hatte, weil sie mit Ben zum Skypen, dem Telefonieren über das Internet, verabredet war.

      Wie ein Automat klappte sie den Laptop auf und aktivierte das Programm, über das sie mit Ben in Verbindung treten konnte. Wie verabredet, war ihr Mann erreichbar und nahm sofort beim ersten Signal das Gespräch an. Sein Gesicht mit diesem schmerzlich vertrauten Lächeln, das allerdings sofort erlosch, erschien auf dem Bildschirm.

      »Marie, Liebling! Du siehst ja furchtbar aus! Geht es dir nicht gut? Um Himmels willen, was ist passiert?«, rief er angstvoll.

      Marie musste heftig schlucken, ehe sie antworten konnte. »Das ist passiert!«, antwortete sie tonlos und hielt ihren verräterischen Fund in die Kamera.

      Im fernen Norwegen starrte Ben fassungslos und offensichtlich völlig verwirrt auf die beiden Teile in Maries Händen. »Was …, ich verstehe nicht, was … soll das? Wieso …, woher hast du das?«, stammelte er.

      »Aus der Hosentasche deiner Jeans. Du hast vergessen, es herauszunehmen, ehe du sie in den Wäschekorb gelegt hast«, antwortete Marie dumpf.

      »Ja, bist du denn verrückt geworden?«, schrie Ben. Er fuchtelte wie wild mit seinen Händen in der Luft herum, so als wollte am liebsten durch die Kamera greifen und diesem Spuk ein Ende bereiten. »Ich habe nichts vergessen! Und ich habe dieses verdammte Zeug nie zuvor gesehen! Ich weiß weder, wem es gehört, noch wie es in meine Hosentasche gelangt ist! Damit habe ich nichts zu tun!«

      »Genauso wenig wie mit den anonymen Briefen«, sagte Marie mit brüchiger Stimme.

      Trotz seines Entsetzens bemerkte Ben, dass seine Frau diesen letzten Satz nicht als Frage ausgesprochen hatte. »Marie? Marie, du …, du glaubst doch nicht etwa, dass ich damit etwas zu tun habe? Dass ich dich belüge und betrüge?«, stieß er atemlos hervor.

      Marie hob ihren gesenkten Kopf und schaute ihm genau in die Augen. Der Mann schauderte unter der Dunkelheit und Leere dieses toten Blicks. »Ich weiß nicht mehr, was ich noch glaube!«, antwortete sie tonlos.

      Bens Hände schossen nach vorn, auf die Kamera zu. Wie verzweifelt wünschte er sich, seine Frau in die Arme nehmen, sie halten und trösten zu können! »Liebling, bitte, hör mir zu! Ich habe damit nichts zu tun! Ich liebe nur dich und bin ganz und gar nur dein Mann! Niemals habe ich dich betrogen! Irgendjemand versucht, uns auseinander zu bringen, das darf nicht passieren! Ich liebe dich, und ich mache mir große Sorgen um dich! Du musst dich furchtbar aufgeregt und stundenlang geweint haben, das sehe ich dir an. Bitte, pass auf dich auf! Ich kann jetzt von hier aus so wenig tun, aber ich flehe dich an, geh gleich zum Arzt und lass dich untersuchen! Du darfst jetzt nicht allein sein. Rede mit Sebastian über die ganze Sache, erzähle ihm alles. Er versteht, welchen Stress das für dich und die Kinder bedeutet und wird dir helfen! Hörst du mich, Marie? Bitte geh sofort zu den Seefelds! Ich komme, so schnell ich kann, egal, was mein Vertrag hier sagt! Du darfst mit dieser Sache nicht allein sein! Ich …«,

      »Leb wohl, Ben!«, unterbrach Marie sein leidenschaftliches Flehen und kappte die Verbindung. Das letzte, was sie von ihrem Mann sah und hörte, waren seine angstvoll geweiteten Augen und seine Stimme, die nach ihr rief.

      »Marie! Ma …« Und dann war die Leitung tot.

      Wie in Trance fuhr die junge Frau den Laptop ganz herunter, dann stellte sie das Telefon und auch ihr Handy aus. Sie musste für Benjamin unerreichbar bleiben, denn noch einmal seine geliebte Stimme zu hören, wäre über ihre Kräfte gegangen.

      *

      Während Benjamin im fernen Norwegen halb verrückt vor Angst wurde, weil er seine Frau nicht mehr erreichen konnte, verbrachte Marie die nächsten beiden Tage wie im Schockzustand. Sie igelte sich im Haus ein. Stundenlang lag sie im Bett und starrte blicklos ins Leere. Zum Essen musste sie sich zwingen, allein der Babys wegen, aber alles schmeckte nach Pappe. Marie hatte den Kontakt zur Welt verloren, und nur das Wissen, dass ihre Kinder von ihrem Verhalten abhängig waren, bewahrte sie davor, sich völlig aufzugeben.

      Ben versuchte immer wieder, seine Frau telefonisch zu erreichen. – Vergeblich. Ihm ging es schon gar nicht mehr allein darum, das böse Missverständnis aufzuklären, inzwischen zitterte er um Maries Leben.

      Was, wenn sie sich nicht nur ihm gegenüber so völlig zurückgezogen hatte, sondern auch von den Freunden? Von der Hebamme und den Ärzten? In seiner Panik malte sich der verängstigte Mann die schlimmsten Situationen aus. Es wurde unerträglich!

      Zu allem entschlossen, stieg der junge Zimmermann vorzeitig


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