Höllen-Lärm. Ian Christe

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Höllen-Lärm - Ian Christe


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      Bald entwickelte sich eine Clubszene in Los Angeles, die mit dem, worüber Kerrang! aus London berichtete, mithalten konnte. Jeden Mittwochabend spiel­ten Mötley Crüe und Ratt im Troubadour in Hollywood; der Eintritt kostete einen Dollar. Anders als die melodischen Rocker Van Halen waren die neuen Heavy-Metal-Clubbands mit dem rasend schnellen und donnernden Sound von Iron Maiden vertraut. „Diese ganzen Bands – Ratt und Steeler und Mötley Crüe – haben echt heavy angefangen“, erklärt Slagel. „Besonders Ratt – die waren im Prinzip wie Judas Priest. Sie trugen alle Schwarz, und zwei Typen spielten Flying-V-Gitarren. [Der spätere Ozzy-Mitstreiter] Jake E. Lee war in der Band. Schließlich haben sich diese Bands irgendwie zu dieser Hardrock­Metal-Geschichte entwickelt.“

      Auftrieb erhielt die Szene besonders durch die punkigen Mötley Crüe mit ihrer wilden, okkult angereicherten Bühnenshow, bei der Bandleader und Bassist Frank Ferrano alias Nikki Sixx großzügige Mengen an Blut, Rauch und Feuer zum Einsatz brachte, was er den früheren Schockrockern Alice Cooper und Kiss abge­schaut hatte. Sixx gab später zu, einiges von Sister übernommen zu haben, einer Band der Metal-Anfangstage, deren Frontmann ein gewisser Steven Duren gewe­sen war, den man inzwischen als Blackie Lawless von W.A.S.P. kannte. „Unser Logo war ein Pentagramm, und ich zündete mich immer an“, sagt Lawless. „Als wir beschlossen, dass ich so was nicht mehr machen sollte, kam Nikki Sixx zu mir und fragte, ob es mich stören würde, wenn er diese Sachen übernähme. Ich sagte: ‚Nein, nein, mach nur, ist dein Ding.‘ Aber ich hab ihn vor beidem gewarnt.“

      Die frühen Mötley Crüe besaßen die Monstrosität von Kiss, die ausweg­lose Energie der Plasmatics und die Umlaute von Motörhead. Sie stellten eine ernsthafte Konkurrenz für die englischen Bands dar, und die Metalheads vor Ort kamen scharenweise, um sie zu unterstützen. „James Hetfield führte mich an Mötley Crüe heran, weil er total auf die stand“, sagt L.-A.-Headbanger Katon

      W. DePena. „Wir sind ständig zu den Konzerten gegangen. Für so eine Haar­sprayband waren die echt gut.“

      Im Zuge der wachsenden Popularität des Heavy Metal wurden auch die ersten beiden Soloalben Ozzy Osbournes vergoldet, obwohl sie ursprünglich von einer ganzen Reihe desinteressierter Plattenfirmen abgelehnt worden waren. Zwei Vorfälle trugen dem liebenswerten Sänger schon bald landesweit berüchtigte Berühmtheit ein. Erstens biss Ozzy bei dem Versuch, sein neues Label CBS zu beeindrucken, einer lebendigen Taube während einer Vorstandsversammlung 1981 den Kopf ab. Dann, im Januar 1982, aß er den Kopf einer Fledermaus, die von einem Fan in Des Moines, Iowa, auf die Bühne geworfen worden war. Ozzy musste wegen dieses bizarren Einfalls einige Tollwutspritzen in den Bauch über sich ergehen lassen, erbte allerdings dafür von Alice Cooper den Thron des Top-Buhmanns im Rock. Zuvor waren die Geschichten vom „Acid Rock“ Schulhofmythen gewesen, die man hinter der Schulkantine beim heimlichen Zigarettenrauchen erzählte, um anzugeben. Unbestätigte Gerüchte, dass Coo­per einen Eimer voll LSD-angereicherten Schleims getrunken oder dass sich Angus Young von AC/DC mit einer Gibson SG aufgespießt habe, setzten die Maßstäbe der Rockmystik. Durch seine Beiß-Eskapaden wurde Ozzy Osbourne zum bereitwilligen Vertreter für Rockstarwahnsinn und erwarb sich die ent­schlossene Loyalität der Heavy-Metal-Außenseiter.

      Eltern fühlten sich durch Ozzys Ruf abgestoßen, dabei war seine Musik nach Black Sabbath sehr viel freundlicher als sein Image. Er hoffte noch immer auf Frieden, ein unmodernes Ansinnen in der Reagan-Thatcher-Ära, und in „Crazy Train“ äußerte er sich mitfühlend über die „heirs of a Cold War, that’s what we’ve become“. Junge Teenies vertrauten Ozzys weiser Stimme in Songs wie „Goodbye To Romance“ oder „Over The Mountain“, und sie vergötterten das angenehme Songwriting und die Gitarrensoli von Randy Rhoads, dessen Markenzeichen nicht Pentagramme, sondern große Tupfen waren. Dieser verrückte Abstecher in Ozzys Karriere endete jedoch tragisch, als der begabte fünfundzwanzigjährige Rhoads während der Diary Of A Madman-Tour im März 1982 bei einem Flug­zeugunglück starb. Der Pilot verlor die Kontrolle, als er versuchte, den Ozzy-Tour­bus zu überfliegen, und raste in ein nahe stehendes Haus. Der Verlust war ver­heerend und wirkte sich auf Ozzys bereits angeschlagene Psyche traumatisch aus.

      Im Heavy Metal gab es wenige Künstler, die über Nacht erfolgreich wur­den. Wer sich aber traute, Neuland zu betreten, erhielt schließlich seinen gerech­ten Lohn. Unterstützt durch ausgedehnte Tourneen kamen 1982 die Alben Screaming For Vengeance von Judas Priest, Number Of The Beast von Iron Mai­den und High ’n’ Dry von Def Leppard in die amerikanischen Charts. Flankiert von den deutschen Scorpions, deren Blackout die Billboard-Top-Ten knackte, bewirkten diese marodierenden englischen Bands nur ein leichtes Beben in der Popmusikszene, aber in ihrem Erscheinen lag der Ursprung einer sehr viel groß­artigeren Entwicklung. Die eingefleischten Heavy-Metal-Fans bekamen das ansteckende Gefühl,dass die Musik von Tag zu Tag an Bedeutung gewann.„Im Verlauf der Achtzigerjahre ist die Szene einfach explodiert“, sagt Rob Halford von Judas Priest.„ Als die Amerikaner erst mal von dieser britischen Geschichte Besitz ergriffen hatten und ihr ihren eigenen Stil und ihre eigene Herangehens-weise verpassten, setzte sich der Sound weltweit durch.“

      Angeregt durch die zunehmenden Aktivitäten und die Do-it-yourself-Bot­schaft der Platten des NWOBHM-Zeitalters, machte sich der Herausgeber der New Heavy Metal Revue, Brian Slagel, daran, mit Metal Massacre die erste LP seines brandneuen Labels Metal Blade Records zu produzieren.„Ich rief die Ver­triebsleute an,mit denen ich im Plattenladen arbeitete“,sagt er,„und fragte sie, wenn ich eine Compilation mit Metal-Bands zusammenstellen würde, ob sie die verkaufen würden.“ Nachdem ihm seitens der Geschäftspartner Unterstüt­zung zugesichert worden war, verpflichtete Slagel örtliche Bands, für die er Auf­tritte gebucht hatte, darunter Ratt, Malice und Steeler. Er schickte auch ein paar unbekannte Pferdchen ins Rennen, die bisher nur selbst aufgenommene Demo­cassetten vorzuweisen hatten, wie Pandemonium aus Alaska und die merk­würdigen Cirith Ungol aus Ventura, Kalifornien.

      Auch Mötley Crüe hätten beinahe etwas zu dem Wohnzimmersampler bei­getragen. „Ich habe eine Menge Shows für sie gebucht“, sagt Slagel. „Sie hatten einen Song für die Platte fertig, aber als wir den Sampler endlich in Angriff nah­men, ging Too Fast For Love [das in Eigenregie veröffentlichte Debüt der Band] schon richtig ab. Ihre beiden Manager kamen eines Tages ins Haus meiner Mut­ter und fragten: ‚Wir haben hier neunhundert Pressungen von diesem Mötley­Crüe-Album. Was machen wir denn am besten damit?‘ Ich habe sie zu einem Ver­trieb geschickt, und der Rest ist Geschichte.“ Angekurbelt durch eine anzügliche Fotostrecke in der Zeitschrift Oui (eine Ehre, die im selben Jahr auch Motörhead zuteil wurde), verkaufte sich Too Fast For Love zwanzigtausendmal in sechs Mona­ten, was zu einem Vertrag mit Elektra Records und einer Platzierung auf Num­mer einhundertsiebenundfünfzig der Billboard-Albumcharts führte.

      Um die letzten noch offenen Minuten auf Metal Massacre zu füllen, erklärte sich Slagel bereit, einen Beitrag des jungen Metal-Enthusiasten Lars Ulrich anzunehmen. „Mein Freund John Kornarens und ich lernten Lars 1982 bei einem Auftritt von Michael Schenker im Country Club kennen“, sagt Slagel. „John stand nach dem Gig auf dem Parkplatz und sah da einen Jungen mit einem europäischen Tour-T-Shirt von Saxon. So was hatten wir noch nicht gesehen. Er sagte, er sei gerade erst aus Dänemark hierher gezogen und er würde total auf Metal abfahren. Am nächsten Tag sind wir alle bei Lars zuhause gelan­det und wurden Freunde. Er schien ungefähr sechzehn zu sein, ich war neun­zehn, und John war zwanzig. Wir klapperten ständig alle Plattenläden ab und suchten stundenlang nach britischem Metal.“

      Obwohl er überzeugt war, dass Ulrich Geschmack besaß und über einen breiten Kreis an Kontakten verfügte, wusste Slagel nicht einmal genau, ob der junge Däne überhaupt eine Band hatte. „Das war echt komisch. Er war einfach ein irrer junger Typ, und er hatte ein Schlagzeug in seinem Zimmer, das eigent­lich gar nicht ganz aufgestellt war. Er hatte eine Weile mit James Hetfield rum-probiert, aber da passierte nichts. Als er sagte, dass er eine Band gründen würde, dachten alle: ‚Ja klar, Lars, sicher.‘“

      Das Paar Hetfield und Ulrich repräsentierte den Zusammenschluss zweier typischer Metalhead-Charaktere. James Hetfield war ein Einzelgänger aus der Mittelklasse, der sich still einem brutalen häus­lichen Trott widersetzte – einer ständigen Herausforderung für seinen freien Willen. Er wuchs in Downey auf, einem allmählich


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