DSA: Rabenbund. Heike Wolf

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DSA: Rabenbund - Heike Wolf


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      Gilia, die sich gerade wieder in Bewegung gesetzt hatte, hielt abrupt inne. »In Eurer Obhut?«, fragte sie scharf. »Der Spitzel war Euer Werk?«

      »Boron behüte!« Shantalla drehte sich um und lächelte unschuldig. »Wo denkt Ihr hin, liebste Base? Ich glaube an die Ideen unseres hoffnungsvollen zukünftigen Patriarchen, und es läge mir fern, ihm und damit auch uns zu schaden. Ich habe den Mann suchen lassen, und ich war erfolgreich. In dem Zusammenhang ist mir noch eine weitere Sache in die Hände gefallen, die Ihr sicher bereits vermisst. Ein Schreiben aus der Stadt des Schweigens, eine äußerlich belanglose Botschaft bezüglich einer Frage um irgendwelche Lotuspflanzungen. Der Inhalt wird jedoch ungleich brisanter, wenn man sie zu lesen weiß. Ihr seid unvorsichtig, Gilia. Man vernichtet solche Schreiben, wenn man sie gelesen hat.« Ihr Lächeln vertiefte sich ein wenig, als sie den Kopf zur Seite legte und Gilias Miene studierte. »Ihr seid Euch sicher darüber im Klaren, dass die Aussage Eures Beschützers zusammen mit diesem Schreiben den Schwarzen General dazu veranlassen könnte, Euren Kopf noch heute auf die Zinnen des Silberbergs zu spießen?«

      Gilia war blass geworden. Erschrecken, Unglaube und Zorn wechselte auf ihrem Gesicht einander ab, während sie Shantalla anstarrte.

      »Ich weiß nicht, ob Euch bewusst ist, was Ihr da gerade sagt?«, stieß sie hervor. »Euer Kopf wird dem meinen Gesellschaft leisten, wenn Ihr das tut. Ihr seid ebenso verstrickt wie ich und all die anderen, und ich bezweifle, dass sich der Schwarze General von Euren schönen Worten einlullen lassen wird.«

      »Ach Gilia. Ich sagte Euch bereits, dass ich an die Ideen eines Brotos Paligan glaube. Allerdings, und das ist der entscheidende Punkt, haben diese Ideen für mich nur eine Zukunft, wenn Ihr und Eure Tochter aufhört, mir einen Dolch an die Kehle zu halten. Ich will unserer gemeinsamen Sache nicht schaden und noch weniger will ich Euch wehtun, Gilia. Aber ich verlange, dass Ihr auf Eure Tochter einwirkt, von ihren albernen Machtkämpfen abzulassen. Wir sind keine Feinde, Gilia, aber wenn Ihr mich weiter bedrängt, sehe ich mich gezwungen, einen Schritt zu tun, der weder Euch noch mir gefällt.«

      »Ihr glaubt tatsächlich, Euch herauswinden zu können! Das Schlimme ist, dass ich Euch sogar glaube, dass Ihr es könnt.« Gilias Unterlippe zuckte. »War das von vornherein Euer Plan? Habt Ihr Euch deshalb dem Rabenbund angeschlossen, um etwas gegen mich in der Hand zu haben? Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr dafür bereit seid, einen göttlichen Eid zu brechen. Sonst hätte ich niemals zugelassen, Euch ins Vertrauen zu ziehen.«

      »Ich will es nicht tun, Gilia.« Shantalla versuchte, ihren Blick zu fassen. »Boron sei mein Zeuge, dass mir nichts fernerläge, als einen Eid zu brechen, den ich in seinem Namen geschworen habe. Andernfalls würde ich nicht mit Euch sprechen, sondern hätte du Metuant an Eurer Stelle hierherbestellt.«

      »Dann lasst meinen Beschützer gehen!«

      »Das werde ich tun, sobald es möglich ist.« Shantalla lachte und machte einen Schritt auf sie zu. Das war der gefährlichste Teil ihres Plans, denn wenn Gilia sich störrisch zeigte, blieb ihr tatsächlich nichts anderes übrig, als die Verschwörung auffliegen zu lassen. Das wäre äußerst unschön, weil sie dann auf den Schwarzen General festgelegt war und womöglich Esmeraldo Paligan verlor, dessen Vorzüge sie gerade erst richtig kennenzulernen begann. »Wir müssen keine Feindinnen sein, Gilia«, sagte sie sanft. »Wir waren es nie. Im Gegenteil, gerade in diesen Zeiten sollten wir zusammenstehen, anstatt uns über Nichtigkeiten zu entzweien. Ihr wisst sicher, wer der Spitzel war, der uns in die Krypta gefolgt ist?«

      Gilia runzelte die Stirn. Noch immer stand Misstrauen in ihren Augen, aber weniger eisig als zuvor. »Woher sollte ich das wissen? Die Beschützer sahen nur jemanden davonlaufen.«

      »Alle bis auf die bedauernswerte Leibwächterin Don Esmeraldos. Die im Übrigen überlebt hat, wie ich mir habe sagen lassen. Und Euer Beschützer. Die Dreistigkeit des Eindringlings reicht zwar nicht an das heran, was er bei der Feier zum Tsatag Eurer Tochter getan hat, aber es offenbart seine Ziele, Euch zu vernichten.«

      »Es war dieser elende Bastard?«

      Shantalla nickte. »Die Brut unseres guten Aurelian lässt uns in der Tat keine Ruhe. Meine Leute konnten ihm zwar die Beute abjagen, aber bedauerlicherweise ist er entkommen. Es wäre jedoch wünschenswert, seiner habhaft zu werden, ehe er Gelegenheit findet, an ungünstiger Stelle weiterzugeben, was er gesehen und gehört hat. Lasst es uns gemeinsam tun, Gilia.« Sie streckte die Hand aus und ergriff die Finger der Bonareth. »Er bedroht nicht nur Euch, sondern auch mich. Und ich bin sicher, dass er erneut lästig wird, wenn wir es nicht verhindern.«

      Einen kurzen Moment schien es, als wollte Gilia die Hand zurückziehen. Aber sie ließ die Berührung zu.

      »Ich verstehe, was Ihr beabsichtigt«, sagte sie langsam, als denke sie noch über ihre Worte nach, während sie sie aussprach. »Ihr habt Angst vor diesem Bastard und braucht mich. Weil wir einen gemeinsamen Feind haben.«

      »Der Bastard ist der Anlass, nicht der Grund.« Shantalla lachte leise, auf diese Art, die sie so perfektioniert hatte, dass es nicht einmal aufgesetzt klang. »Ein ärgerliches Übel, nicht mehr. Tatsächlich ist mir vor allem an einem guten Einvernehmen mit Euch gelegen. Wir leben in gefährlichen Zeiten, Gilia. Lasst mich Eure Freundin sein. Wie früher.«

      Die Bonareth verzog die Lippen zu einem bemühten Schmunzeln. »Schöne Worte und ein Dolch, den Ihr mir an die Brust setzt. Ihr seid eine Harpyie, Shantalla. Wir waren nie Freundinnen und werden es sicher nie werden. Aber ihr habt recht, wir sollten diesen Bastard gemeinsam zur Strecke bringen. Eure Leute sind ihm auf der Spur?«

      »Es ist schwer, seiner habhaft zu werden. Al’Anfa ist groß, und dass er in der Lage ist unterzutauchen, wissen wir ja nun aus leidvoller Erfahrung.«

      »Ich werde sehen, was ich erreichen kann«, sagte Gilia steif. Sie wand ihre Hand aus Shantallas Griff und machte einen Schritt zurück. »Ihr entschuldigt mich sicher, aber ich werde nun aufbrechen, um das Notwendige zu veranlassen. Eine Bedingung habe ich jedoch.«

      »Bedingung ist so ein hartes Wort.«

      »Ihr werdet keine Schwierigkeiten haben, sie zu erfüllen«, sagte Gilia knapp. »Ich will, dass Ihr mir den Bastard überlasst, sollte er Euch ins Netz gehen. Diese Angelegenheit ist eine Sache des Hauses Bonareth.«

      »Natürlich.« Shantalla lächelte sacht. »Was immer Ihr wollt.«

      Emilia

      Wenigstens war er hübsch. Emilia Bonareth drehte das Weinglas zwischen den Fingern, während sie den Tulamiden musterte, der vergeblich versuchte, nach einem der erschrocken fiependen Vögel zu haschen. Emilias Mutter hatte den Käfig bauen lassen, weil sie es liebte, dem Zirpen und Pfeifen zu lauschen und die buntschillernden Viecher dabei zu beobachten, wie sie von Ast zu Ast hüpften. Ganze Heerscharen von Questadores hatte sie ausgesandt, um ihr die schönsten und seltensten Exemplare aus den Tiefen des Dschungels zu bringen. Sie kannte sogar all die Namen, die so ähnlich klangen, dass Emilia sie bereits vergaß, noch ehe sie ganz ausgesprochen waren. Vögel waren langweilige und anstrengende Geschöpfe, die sie mit ihrem ewigen Gezwitscher ermüdeten. Umso interessanter war die Frage, ob Vögel auch andere Laute von sich geben konnten.

      Sie hatte mit Cherim darüber gesprochen, als sie nach genossener Rahjaslust noch dämmernd im Bett lagen. Ein Vogel hatte unter dem Fenstersims gezirpt, und sie hatte angekündigt, ihn in Stücke zu reißen, bis er schrie, wenn er nicht bald aufhörte. Halb gefangen von der Schwüle und der Ermattung hatte Cherim angemerkt, dass Vögel gar nicht schreien könnten wie andere Lebewesen. Das war in doppelter Hinsicht bemerkenswert gewesen. Zum einen hatte sein Einwand ihr Interesse geweckt, der Frage auf den Grund zu gehen. Zum anderen hatte er es gewagt, ihr zu widersprechen. Das war nicht mehr geschehen, seitdem sie ihn gezwungen hatte, sich diese Bastarddirne vorzunehmen. Er hatte es getan, mit versteinerter Miene und mechanisch wie ein Golem, aber es hatte etwas in ihm gebrochen.

      Emilia führte den Weinkelch an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck von dem schweren Almadaner, während sie seine Bemühungen aufmerksam verfolgte. Sie mochte gebrochene Menschen. Sie widersprachen nicht, wurden nicht aufsässig und hatten diesen leeren Ausdruck in den Augen, der Emilia tiefe Genugtuung verschaffte.


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