Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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wie Luke und Montbars, der an Bord der Galeone die Ankerwache hatte.

      So jedenfalls dachte Jack Finnegan, während er sich mit bedächtigen Schritten dem Steuerbordschott des Vordecks näherte.

      In dem Moment, in dem er an dem Schott vorbeiging und sich der Backbordseite des Schiffes zuwandte, waren seine Gedanken bei Ferris und dem Tacna-Trupp. Wie weit mochten sie inzwischen mit den Arbeiten sein? Kamen sie gut voran? Nun, bald würde man es erfahren, und Jack hoffte, bei dem nächsten Trupp, der in das Tal aufstieg, mit dabeizusein.

      Er nahm nicht wahr, wie sich hinter seinem Rücken das Schott ganz öffnete. Er glaubte aber plötzlich, eine Regung hinter sich zu bemerken. Verdutzt wollte er sich umdrehen, aber es war bereits zu spät. Der Koffeynagel sauste auf seinen Kopf und traf ihn mit voller Wucht. Jack stöhnte, krümmte sich, preßte noch beide Hände an den Schädel und sank dann zusammen.

      Nummer zwei – erledigt, dachte Carrero. Er bückte sich, tastete den Bewußtlosen rasch ab und nahm auch seine Waffen an sich: Pistole, Muskete und Entermesser.

      Er steckte sie sich zu, dann huschte er geduckt über die Kuhl und hielt auf die Jakobsleiter zu, die, wie er mühelos erkennen konnte, an der der „San Lorenzo“ abgewandten Schiffsseite ausgebracht war.

      Und dort unten, direkt an der Jakobsleiter, lag auch die Jolle vertäut, wie er mit einem schnellen Blick übers Schanzkleid feststellte.

      Er grinste gleichsam diabolisch. Besser hätte es gar nicht sein können. Der einzige Wachtposten der „Estrella“ war außer Gefecht gesetzt. Der Kerl, der drüben auf der Galeone Wache schob, würde ihn überhaupt nicht bemerken. Ausgezeichnet, dachte Carrero.

      Er war jetzt wirklich froh, daß er sich seiner Langschäfter noch in der Vorpiek entledigt hatte. Das war eine gute Idee gewesen. Anderenfalls hätte er sich nicht derart leise bewegen können, ohne ein einziges Geräusch zu verursachen.

      Daß es dennoch ein Fehler war, die Stiefel an Bord zurückzulassen, leuchtete ihm nicht ein. Er vergaß sie und enterte an der Jakobsleiter in die Jolle ab. Er grinste immer noch. Fast gelassen stand er im Boot und stieß es sachte von der Bordwand ab. Er legte die Riemen ein und begann zu pullen. Leise tauchten die Blätter ein und hoben sich wieder aus dem Wasser.

      Carrero steuerte auf den Ausgang der Bucht zu. Aber ganz bis dorthin schaffte er es doch nicht. Dafür sorgte Luke Morgan, der inzwischen allmählich ins Bewußtsein zurückkehrte.

      Durch kräftige Hiebe auf den Kopf eines Mannes, womöglich mit einem brettharten Gegenstand geführt, konnte man diesen in extremen Fällen durchaus töten. Im allgemeinen gab es Platzwunden und eine Menge Blut, und nicht selten wurde so ein Kopf angeknackst. Auf jeden Fall war ein Mann, der mit einem Belegnagel gefällt wurde, eine halbe Stunde bewußtlos – wenn nicht länger.

      Luke mußte einen besonders harten Schädel haben – Männer wie Carberry hätten dies mit Überzeugung bestätigt. Die Rübe dieses Luke Morgan sei so hart – hatte der Profos einmal erklärt –, daß man damit eine Schiffswand einrammen könne. Daher könne man Mister Morgan ruhig hin und wieder als Rammklotz benutzen.

      Es konnte aber auch daran liegen, daß Carrero doch nicht ganz so hart zugeschlagen hatte, wie er gemeint hatte. Möglicherweise wäre er besser beraten gewesen, wenn er noch ein zweites Mal zugehauen hätte. Aber er hatte nicht ahnen können, daß ein Kerl wie Luke gleich wieder auf die Beine kam.

      Natürlich verspürte Luke rasende Kopfschmerzen, als er das Bewußtsein wiedererlangte. Aber seine Wut war größer. Sofort war ihm wieder klar, was geschehen war. Er richtete sich auf, trat gegen Carreros Langschäfter, daß sie quer durch die Vorpiek flogen, und brüllte: „Verdammte Scheiße!“

      Dann stellte er fest, daß er keine Waffen mehr hatte, und begann noch wilder zu fluchen. Am liebsten hätte er alles kurz und klein geschlagen, aus Zorn darüber, daß er sich von diesem Spanier hatte übertölpeln lassen. Wo steckte der Kerl?

      „Du Schwein!“ brüllte Luke. „Wenn ich dich erwische!“

      Im Logis wachte Al Conroy als erster auf und stieß sich um ein Haar den Kopf.

      „He“, sagte er. „Wer brüllt da wie ein Irrer? Bist du das, Batuti?“

      „Ich doch nicht“, brummte der schwarze Herkules. „Seh’ ich vielleicht so aus?“

      „Das kommt aus der Vorpiek“, sagte Bob Grey.

      „Da ist was passiert!“ stieß Blacky aus und rutschte von der Koje. „Hölle und Teufel, es ist was mit Carrero!“

      Lukes Gebrüll erreichte auch das Achterkastell der „Estrella de Málaga“ und somit die Ohren von Ben Brighton, Shane und Araua, die in den Kammern schliefen. Aber es drang auch bis zur „San Lorenzo“ hinüber und ließ Montbars, den Korsen, hellhörig werden.

      Mit wenigen Sätzen war Montbars am Schanzkleid und versuchte, zu erkennen, was auf der „Estrella“ los war. Nichts rührte sich. Nach wie vor schien alles ruhig und friedlich zu sein. Aber da waren das Geschrei und das Toben. Es klang, als wolle jemand das komplette Schiff auseinandernehmen.

      Plötzlich sah Montbars die Jolle. Sie schob sich hinter dem Bug der „Estrella de Málaga“ hervor – nein, sie schoß hervor! Der Kerl, der auf der Ducht saß, pullte wie ein Verrückter. Segeln konnte er nicht, denn der vorherrschende Südwestwind war in dem Felsenkessel nur schwach.

      Montbars’ Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Der Kerl in der Jolle – das konnte nur der verdammte Schönling und Sklavenschinder von Potosi sein. Irgendwie mußte es ihm gelungen sein, die Männer der „Estrella“ zu überlisten. Wie? Egal. Luke Morgans Gebrüll reichte aus – der Hund hatte den Arwenacks offenbar übel mitgespielt.

      Montbars stieß einen wüsten Fluch aus, nicht auf französisch, sondern in seiner Muttersprache, dem korsischen Dialekt. Dann hob er die Muskete, preßte den Kolben an die Schulter, spannte den Hahn des Steinschlosses und zielte auf den Mann auf der Bootsducht.

      Er zögerte nicht lange. Das silbrige Licht des Mondes reichte zum Zielen aus. Montbars hielt ein wenig tiefer – vielleicht war es besser, den Kerl nicht zu töten. Er drückte ab, und es krachte. Der Kolben stieß im Rückstoß gegen eine Schulter, und fauchend fuhr die Ladung aus dem Lauf.

      Die Kugel traf das Boot und schlug ein Loch in die Wasserlinie. Luis Carrero fluchte lauthals.

      „Ihr verdammten Bastarde!“ zischte er. Er pullte weiter wie besessen, spürte aber, wie ihn Panik ergriff.

      Das Wasser drang in die Jolle ein. Er konnte es sprudeln und rauschen hören. Er pullte und pullte, und ihm brach der Schweiß aus. Er spürte die Angst wie eine Faust im Nacken, denn er rechnete sich aus, daß die nächste Kugel ihn treffen würde. Aber er durfte nicht aufhören, sonst war er ihnen völlig ausgeliefert. Jeden Augenblick konnten die Kerle an den Schanzkleidern beider Schiffe auftauchen und ein Salvenfeuer auf ihn eröffnen.

      Der nächste Schuß krachte, wieder von Montbars abgegeben. Wieder schlug die Kugel in die Wasserlinie des Bootes, und das Wasser schoß noch schneller herein.

      Montbars grinste wölfisch. Er stand an einer Stelle des Schanzkleides der Kuhl, wo neben einem der Geschütze ein halbes Dutzend Musketen schußbereit lagen. Auch dies gehörte zu den allgemeinen Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen, die die Männer für den Fall ergriffen hatten, daß ein Gegner unvermittelt vor der Bucht auftauchte und möglicherweise sogar bis in den Felsenkessel vordrang.

      Mit raschem Griff packte der Korse die nächste geladene Muskete. Er hob sie, zögerte aber, den Zeigefinger um den Abzug zu krümmen.

      Carrero zerrte und ruckste an den Riemen, der Schweiß lief ihm in Bächen über das Gesicht und den Körper. Die Jolle war schwer wie ein Stein geworden und schien sich kaum noch vom Fleck zu rühren. Das Wasser gurgelte durch die Schußlöcher in der Bordwand, es reichte ihm bereits bis über die Fußknöchel und näßte seine Waden.

      Montbars konnte das erkennen – die Jolle ging mehr und mehr auf Tiefe. Wie zu erwarten war, sank sie innerhalb der nächsten Minuten ganz, und


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