Seewölfe Paket 23. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.habe mich auf die ganz blöde Tour von diesem Hund ’reinlegen lassen.“
„Das kann jedem passieren.“
„Nein.“
„Wie hat er denn seine Fesseln überhaupt aufgekriegt?“ fragte Jan.
„Das weiß ich nicht.“
„Und womit hat er zugeschlagen?“
„Mit ’nem Koffeynagel, glaube ich“, entgegnete Luke. „Der Teufel weiß, woher er sich den besorgt hat.“
Jan blickte im matten Schein der Öllampen zur Nagelbank des Großmastes.
„Da fehlt einer“, sagte er ganz sachlich. „Siehst du das?“
„Ja!“ entfuhr es Luke. „Und – Mann, daß das keiner bemerkt hat.“
„Du hast also nicht allein die Schuld.“
„Du willst es mir ausreden.“
„Ich will nur, daß du wieder Vernunft annimmst“, sagte Jan.
„Wenn Jack tot ist, schieß’ ich mir eine Kugel in den Kopf.“
„Weißt du, was ich glaube? Du hast wirklich einen Dachschaden.“
„Denk, was du willst“, sagte Luke finster.
Unterdessen hatte sich Jack Finnegan wieder ein bißchen bewegt. Er brummelte irgend etwas, was keiner verstand, dann schlug er plötzlich die Augen auf.
„Kreuzdonnerwetternochmal“, murmelte er. „Wo bin ich hier?“
„An Bord der ‚Estrella de Málaga‘, Sir“, antwortete Mac mit dem Versuch eines Grinsens. Leider wirkte es so, als wolle er jeden Augenblick losheulen.
„Und wieso glotzt ihr mich so an?“
„Ach, nur so“, erwiderte Will Thorne. „Wir hatten gerade nichts Besseres zu tun, da dachten wir, na, schauen wir uns den Jack mal an.“
Jack hob die Hand und tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. „Total verrückt. Habt ihr den Don schon wieder eingefangen?“
„Nein“, antwortete Ben. „Aber Shane und ein Trupp sind mit der Jolle unterwegs.“
„Ich will mit“, sagte Jack und traf Anstalten, sich von den Planken zu erheben.
Ben drückte ihn sanft, aber bestimmt, zurück. „Du bleibst liegen, mein Freund. Weißt du eigentlich, daß du ein Loch im Kopf hast?“
„Klar, tut auch lausig weh.“
„Ist dir schlecht?“ fragte Araua.
„Nein. Ich habe nur Durst. Auf einen Brandy. Von mir aus kann’s auch Whisky sein.“
„He, sieh mal einer an“, sagte Mac überrascht. „Das Blut sickert nicht mehr so schnell raus.“
„Sicher“, sagte Jack mit dünnem Grinsen. „Denkst du vielleicht, ich laß mein ganzes Blut aus meinem feinen Kopf ’rauslaufen? Ich bin doch nicht bescheuert.“
Araua nickte Ben zu. Er entnahm ihrer Gebärde, daß keine Lebensgefahr für Jack bestand. Bald konnte er wieder auf den Beinen sein.
„Paß auf“, sagte Ben. „Du legst dich jetzt vorsichtig in deine Koje. Will und Bob, ihr begleitet ihn nach unten. Ganz langsam, klar?“
„Aye, Sir“, murmelten sie und hoben Jack, von Mac und Araua unterstützt, behutsam von den Planken auf.
Ben stand auf und blickte zu Jan Ranse und Luke Morgan. „Mac, komm her“, sagte er. „Kümmre dich jetzt um Luke.“
„Ich bin schon wieder in Ordnung“, sagte Luke rauh. „Ich brauche keine Hilfe.“
Ben trat auf ihn zu. „Du sollst keinen Quatsch reden, das habe ich dir eben schon mal gesagt. Das ist ein Befehl, Mister Morgan. Hast du das vergessen?“
„Nein, Sir. Ich nehme auch die Konsequenzen auf mich. Meinetwegen kannst du mich auspeitschen lassen. Oder kielholen, das wäre noch besser.“
„Ich glaube, er hat so eine Art temporären Gedächtnisschwund, oder wie das heißt“, sagte Mac.
„Sein Gedächtnis ist in Ordnung“, sagte Ben. „Luke, erzählt mal genau, wie sich das zugetragen hat. Wie konnte sich Carrero von den Handfesseln befreien? Ihr habt sie doch um Mitternacht überprüft.“
„Es ist mir ein Rätsel“, entgegnete Luke. „Vielleicht sollten wir die Vorpiek noch mal untersuchen.“
Das taten sie etwas später – und fanden den Nagel, der aus dem Spant ragte. So klärte sich das Rätsel auf. Luis Carrero hatte sie alle überrumpelt, nicht nur Luke und Jack.
Die Jolle hatte in der Zwischenzeit das westliche Ufer der Bucht erreicht. Plymmie sprang als erste an Land, blieb stehen, duckte sich und knurrte, daß es ihnen fast eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Die Zwillinge stiegen aus, sie hatten beide je einen Stiefel des Spaniers in der Hand. Wieder schnupperte Plymmie daran, und ihre weißen Zähne blinkten im Mondlicht. Wie ein richtiger Wolf sah sie jetzt aus, furchterregend und wild.
„Sie hat schon immer einen Pik auf den Kerl gehabt“, sagte Shane, der zu ihnen trat. „Am liebsten hätte sie ihn ja gleich zerfetzt, als er an Bord kam.“
Das traf zu. Hasard hatte Carreros Bluthund Philipp nicht an Bord gelassen, als dieser in der Bucht des Indio-Dorfes zu ihnen übergesetzt war. Carrero hatte vor Wut fast geschäumt, sich aber fügen müssen. Dann hatte er Plymmie gesehen – und er hatte dem Seewolf vorgeschlagen, Philipp und Plymmie zu einem Kampf antreten zu lassen. Er hatte eine großartige Wette abschließen wollen, aber als er Plymmies haßfunkelnde Lichter und ihre gefletschten Zähne gesehen hatte, war ihm doch eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen.
Plymmie nahm am Ufer sofort die Spur des Spaniers auf. Die Männer und die Jungen – allesamt schwer bewaffnet – folgten ihr und kletterten in die Felsen.
Die beschädigte Jolle der „Estrella de Málaga“ ließen sie am Ufer neben dem Boot der „San Lorenzo“ zurück. Sie würden sie später reparieren. Das lief ihnen nicht weg. Carrero hingegen entfernte sich immer weiter von ihnen, und mit jedem Schritt, den er zurücklegte, sank die Chance, ihn wieder zu erwischen – trotz Plymmie.
7.
Sven Nyberg, der um Mitternacht den Seeausguck an der Küste bezogen hatte, richtete sich gegen zwei Uhr plötzlich kerzengerade auf. Er vernahm deutlich die beiden Musketenschüsse, die in relativ kurzen Zeitabständen abgegeben wurden. Die kamen von der Bucht, daran gab es keinen Zweifel. Auf welchem Schiff waren sie abgefeuert worden? Egal. Tatsache war, daß es Verdruß gab.
Die See war leer, soweit er sie überblicken konnte. Die ganze Zeit über hatte er sie aufmerksam beobachtet. Es war ausgeschlossen, daß sich jemand mit einem Schiff oder auch nur mit einem Boot in die Bucht gepirscht hatte. Er hätte es bemerken müssen.
Folglich mußten diese beiden Schüsse mit Luis Carrero zusammenhängen. Einen anderen Grund konnte Sven sich nicht vorstellen. Hatte Carrero einen Fluchtversuch unternommen? Kaum vorstellbar, aber der Kerl war gerissen und gefährlich wie ein Sack voll Schlangen. Theoretisch konnte er aus der Vorpiek der Karavelle nicht entweichen. Aber vielleicht hatte er es fertiggebracht, den Posten zu überrumpeln.
Sven ließ seinen Blick erneut über die See wandern. Nichts – keine Bewegung. Es konnte also nicht sein, daß Spanier, Küstenhaie oder Eingeborene in die Bucht eingedrungen waren. Außerdem wären dann wahrscheinlich nicht nur zwei Schüsse gefallen.
Diese Schüsse – was hatten sie zu bedeuten? War Carrero auf der Flucht erschossen worden? Oder war er entwischt. Sven entschloß sich, zur Bucht zurückzukehren, um sich Gewißheit zu verschaffen.
Der Weg über die Felsen und durch