Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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de Málaga“, damit die Wunde ausgewaschen und mit sauberen Tüchern verbunden werden konnte.

      Eine Weile hockten sie aber noch da und lauschten in die Nacht. War da nicht ein Knurren zu vernehmen? Plymmie – oder bildeten sie sich das nur ein? Wie weit hatte Carrero sich entfernen können, seit er auf Sven Nyberg gefeuert hatte? Sehr weit konnte er nicht gelangt sein.

      Aber was war, wenn er die Hündin niederschoß? Gelang es ihm dann, sich wiederum abzusetzen, fanden Shane und seine Begleiter ihn in der Dunkelheit sicher nicht mehr wieder.

      Plymmie riß und zerrte an ihrer Leine, und jedesmal, wenn das Halsband tief in ihr Fell schnitt, gab sie einen keuchenden Laut von sich.

      „Laßt sie los!“ stieß Shane hervor. „Sie ist schneller als wir!“

      Hasard junior biß die Zähne zusammen. Philip schnitt ebenfalls eine Grimasse. Hasard befreite Plymmie von der Leine – und sie raste davon.

      Den Zwillingen war nicht wohl in ihrer Haut. Big Old Shanes Befehl war durchaus richtig, aber es gab auch noch einen anderen Aspekt, den man bedenken mußte: Sie mußten damit rechnen, daß Luis Carrero Plymmie kaltblütig tötete.

      Allerdings war es genausogut möglich, daß Plymmie den Spanier niederwarf und schaffte. Und – nicht zu vergessen – es ging um Hasard und die Männer, die mit ihm nach Potosi unterwegs waren. Selbst wenn Plymmie geopfert werden mußte, war Shanes Entscheidung nur richtig: Das Leben der Männer war mehr wert als das eines Tieres.

      Hasard junior und auch sein Bruder erkannten, wie schwer es war, solche Entscheidungen zu treffen, bei denen es um Leben oder Tod des einen oder anderen ging.

      „Faß ihn!“ gellte Hasard juniors Stimme hinter Plymmie her – und sie schien ihr Tempo noch zu verdoppeln.

      Sie jagte durch die Nacht – ein langgestreckter grauer Schatten. Die Männer und die beiden Jungen liefen hinter ihr her, hatten sie aber bald schon aus den Augen verloren.

      Lautlos huschte Plymmie durch die Nacht, sie schien über den felsigen Untergrund zu fliegen. Sie verlor die Witterung des Spaniers nicht, hatte sie deutlich in der Nase. Die Flecken waren in der Dunkelheit nicht zu sehen, doch die Hündin roch sie: Blutstropfen hafteten an dem Gestein. Carreros Blut. Er hatte sich die Fußsohlen aufgescheuert und aufgeritzt.

      Dieser Umstand erleichterte Plymmie die Suche. Sie wußte, welche Richtung sie einzuschlagen hatte.

      Sie raste dahin und hetzte die Beute. Sie war jetzt die Wölfin, die sich ihrem Opfer näherte und ihm bald im Nacken sitzen würde. Eine gnadenlose Jagd – grausam, wie die Natur nun einmal war. Und doch lag eine gewisse Art der Fairneß darin. Das Opfer hatte eine Chance. Es konnte, wenn es gerissen genug war, noch auf die eine oder andere Art entwischen.

      Wenn Carrero ins Wasser lief, verlor sich seine Spur. Aber er konnte sich nicht in die See stürzen. Welcher Sinn lag darin? Draußen war er verloren, und eine andere Art von Schicksal ereilte ihn.

      Seine Hoffnung würde darin bestehen, an einen Bachlauf zu gelangen. Aber fand er ihn rechtzeitig genug? Noch ahnte er nicht, daß ihm die Hündin auf den Fersen saß.

       9.

      Luis Carreros Atem ging hastig und stoßweise. Er verfluchte sich, weil er die Langschäfter in der Vorpiek zurückgelassen hatte. Aber dieser Fehler war nicht wiedergutzumachen.

      So schlimm, wie es jetzt war, hatte er sich das Ganze doch nicht vorgestellt. Das Gestein erwies sich als mörderisch. Seine Füße brannten wie Feuer. Er lief mit seltsam staksenden Bewegungen. Bei jedem Schritt hätte er am liebsten aufgeschrien.

      Er verspürte den Drang, sich einfach hinzusetzen und abzuwarten – aber er mußte weiter. Nicht stehenbleiben jetzt, hämmerte er sich immer wieder ein, nicht schlappmachen.

      In einem Anflug blinder Wut schleuderte er die Muskete von sich, die er Jack Finnegang abgenommen und auf Sven Nyberg abgefeuert hatte. Er hatte ohnehin keine Zeit zum Nachladen. Die Waffe behinderte ihn jetzt nur beim Laufen.

      Sie flog ein Stück zurück und landete klappernd zwischen den Felsen. Carrero fluchte leise und hastete weiter.

      Er wandte sich jetzt zur Küste. Da war zum Teil harter Sand, der nicht die Fußsohlen zerfetzte wie dieses scharfkantige Gestein. Die Aussicht auf einen besseren Boden beruhigte ihn wieder. Er ertrug die Schmerzen ein wenig besser. Immer wieder trieb er sich zu schnellerem Tempo an. Manchmal warf er einen Blick über die Schulter zurück.

      Es schien ihm jedoch niemand zu folgen. Somit war die Flucht geglückt. Doch es war ein Fehler, jetzt zu verharren. Erst später, wenn Meilen zwischen ihm und den Verfolgern lagen, durfte er sich eine kurze Verschnaufpause gönnen. Dann ging es weiter, und er rechnete damit, Arica noch während der Nacht zu erreichen.

      Dort durfte er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen – nur für kurze Zeit, denn anschließend galt es, über die englischen Galgenstricke herzufallen und ihnen den Garaus zu bereiten. Aber aufatmen würde er, und er würde gleich wieder der alte Luis Carrero sein: selbstbewußt, stolz und überlegen.

      Wenn er erst wieder in Potosi war – das gab ein Fest! Er würde sich an den Engländern rächen, würde sie schikanieren und foltern. Dann gab es eine große Orgie mit vielen Weibern, und sicherlich würde es auch Don Ramón de Cubillo einen Riesenspaß bereiten, den Sieg über die Bande von Schnapphähnen zu feiern.

      Als Krönung der Feier sollte man, so fand Carrero, den Kopf des schwarzhaarigen Bastards Killigrew auf einem silbernen Tablett hereintragen. Ja, das war nach seinem Geschmack!

      Seine Allerkatholischste Majestät wollte ja ohnehin nur den Kopf dieses Satans. Er wollte ihn nicht lebend. Welchen Wert hatte es, wenn Killigrew nach Spanien überführt wurde? Nicht den geringsten. Er, Luis Carrero, würde die Belohnung kassieren. Und der Ruhm und der Dank der Nation waren ihm sicher.

      Diese Gedanken hielten ihn aufrecht und trieben ihn voran. Wieder verspürte er heftige Schmerzen. Er versuchte, sie zu ignorieren, aber so einfach war das nicht.

      Er humpelte. Sein Herz hämmerte in der Brust, und in den Lungen spürte er schon seit geraumer Zeit ein scharfes Stechen. Dennoch hielt Carrero nicht inne. Weiter, weiter, dachte er, bleib nicht stehen!

      Er erreichte den schmalen Uferstreifen und schlug die südliche Richtung ein. Ja, im Sand ging es besser. Die Schmerzen ließen jetzt nach. Er hatte den Eindruck, auch wieder schneller voranzukommen.

      Noch einmal blickte er über die Schulter zurück. Nichts. Keine Gestalt näherte sich. Hatten die Bastarde von den Schiffen die Verfolgung überhaupt nicht aufgenommen, weil sie meinten, daß es aussichtslos sei?

      Möglich war aber auch, daß sie ihren angeschossenen Kumpanen zwischen den Felsen entdeckt hatten und sich in diesem Augenblick um ihn kümmerten. Das verschaffte ihm einen größeren Vorsprung. Alles war zu seinem Vorteil. Es war letztlich auch nicht schlecht gewesen, daß dieser Hundesohn von einem Wachtposten versucht hatte, ihn zu stellen. Er hatte sein Fett empfangen, und die anderen konnten zusehen, wie sie ihn verarzteten.

      Noch einmal schaute Carrero sich um. Plötzlich war er irritiert. War da nicht etwas? Links hinter ihm? Nein – er irrte sich bestimmt.

      Er blickte wieder voraus und konzentrierte sich auf das Laufen. Wie lange konnte er so durchhalten? Die Fußsohlen brannten nicht mehr so schlimm. Sein Herz schlug noch heftig, aber wieder etwas regelmäßiger. Die Seitenstiche hielten sich in Grenzen. Er rechnete sich aus, daß er noch gut eine Stunde so weiterlaufen konnte.

      Da – war da nicht ein Geräusch hinter ihm? Wieder wandte er den Kopf. Diesmal sah er den grauen Schatten, der wie ein Schemen über den Strand huschte.

      Das Mark schien ihm in den Knochen zu gefrieren. Ein Hund, dachte er entsetzt. Die Bestie!

      Sofort hatte er wieder das Bild vor sich, wie Plymmie ihn an Bord der „Estrella de Málaga“ angeknurrt hatte. Jetzt hatten sie das Vieh auf ihn losgelassen, kein Zweifel. Herrgott, warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Und


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