Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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      Der Profos verstummte, denn Diego reckte den Schädel hoch und stieß wieder dieses eigenartige Meckern aus, das an Gelächter erinnerte. Dann zuckten die Männer verstört zusammen, als eine donnernde Blähung erfolgte. Auch das war so eine Angewohnheit von dem Maultier Diego.

      Diesmal grinste der Profos etwas von oben herab. Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und sagte trocken: „Diego hat nur über den blöden Witz von Mister Davies gelacht und gleichzeitig ausgedrückt, daß das der reinste Scheiß sei.“

      „Aber ein Maultier von ganz besonderer Art ist das schon“, meinte Karl von Hutten. „Es paßt zum Profos wie die Faust aufs Auge.“

      „Nun zieh dir endlich trockene Klamotten an“, sagte Hasard etwas ungeduldig. „Sonst stehen wir hier morgen noch herum. Im übrigen ist ein Kloster nicht der rechte Ort, um ellenlange Flüche abzuladen.“

      Während der Profos mit Padre Pancrazius im Kloster verschwand, um seine Sachen zu wechseln, holte Aloysius eine Handskizze hervor und überflog sie noch einmal. Gestern hatte er sie angefertigt und gab noch einmal für die Männer Erklärungen ab.

      „Wir werden schon sehr bald den Klimaumschwung spüren. Im Tiefland der Leanos herrscht bis in etwa tausend Yards Höhe noch ein volltropisches Klima. Deshalb nennt man diese Zone Tierra caliente, was soviel wie heißes Land bedeutet. In den Yungas dagegen herrscht bis etwa zweieinhalbtausend Yards Höhe noch subtropisches Klima. Diese Zone wird von den Dons Tierra templada genannt, ist also mäßig warm. Das nächste Hochland, das bis viertausend Yards reicht, ist die Tierra ria. Sie hat kühles Klima mit geringen Jahres-, aber sehr starken Tagesschwankungen. Wir stoßen bis weit über die Schneegrenze vor, in Regionen, die mehr als eisigkalt sind, das ist die frostige und eisige Zone der Tierra helada. Das ständig schneebedeckte Land noch darüber nennt man die Tierra nevada.“

      Hasard hatte sehr aufmerksam zugehört und nickte jetzt.

      „Zunächst ziehen wir also ostwärts am Rio de Tacna entlang. Dann steigen wir zum Tacora-Paß auf?“

      „Sehr richtig. Da haben wir schon eine Höhe von über viertausend Yards erreicht. Den Pico Tacora lassen wir links, also nördlich, liegen und bewegen uns weiter zwischen dem Sajama-Berg und dem Lago de Chungara auf den Altiplano zu. Dann liegt vor uns die Puna – eine öde, baumlose Ebene zwischen West- und Ostkordillere. Man sagt, daß es dort früher mal zwei ausgedehnte Binnenmeere gegeben habe, von denen heute nur noch der Titicacasee und der Poopósee übriggeblieben sind.“

      „Merkwürdige Namen“, sagte Stenmark. „Wenn das der Profos hört, dann grinst er wieder bis über beide Ohren.“

      „Die Namen stammen aus der Inka-Zeit“, sagte Aloysius lächelnd. „Sie klingen nur für unsere Ohren ungewohnt. Aber euer Profos wird ganz sicher bald eine Verballhornisierung dafür finden.“

      „Was für ’n Ding?“ fragte Matt Davies.

      „Eine Art Verschlimmbesserung“, sagte der Padre. „Das ist abgeleitet von dem Lübecker Buchdrucker Johan Balhorn, dem man das wohl zu Unrecht unterschoben hat.“

      Dieser Padre mit dem kühnen Piratengesicht weiß gut Bescheid und kennt sich in allen Dingen aus, dachte Hasard. Er würde sie sicher durch die tückische Bergwelt der Kordilleren führen.

      Er und der Seewolf besprachen noch ein paar weitere Einzelheiten.

      „Den Altiplano werden wir in südöstlicher Richtung mit Zielpunkt südliche Spitze Poopósee überqueren“, sagte der Padre gerade, als der Profos zurückkehrte. Er trug trockene Sachen und hatte die nassen Klamotten als Bündel zusammengeschnürt. Er hörte gerade noch die letzten Worte des Padre, und schon grinste er wieder.

      „Wenn der See so aussieht, wie er heißt“, meinte er trocken, „dann hätte man ihn gleich Achtersteven-Teich nennen können.“

      „Na, was sagte ich“, meinte Aloysius lachend. „Bruder Edwin hat schon wieder einen Namen gefunden. Bist du schon gesegnet worden, Bruder?“

      „Ja“, sagte Ed, „gerade vorhin. Aber viel geholfen hat es nicht. Diego hat mich trotzdem in den Fluß geschubst.“

      Die Männer verkniffen sich nur mühsam das Lachen. Selbst Pater Franciscus lächelte nachsichtig.

      Dem Abmarsch stand jetzt nichts mehr im Wege. Diego verhielt sich lammfromm und setzte sich gehorsam in Bewegung.

      Indios und Padres winkten dem zwölf Mann starken Trupp noch lange nach, bis sie sie aus den Augen verloren.

      Der Aufstieg in die Berge begann.

       2.

      Von Tacna bis zum Tacora-Paß war die Strecke etwa vierzig Meilen lang – vorausgesetzt, sie hätten geradeaus marschieren können. Aber auf diesem Weg mußte ein gewaltiger Höhenunterschied bewältigt werden, der etwa dreitausendsiebenhundert Yards betrug.

      Die Mulis trotteten dahin. Anfangs unterhielten sich die Männer noch miteinander, doch je höher sie aufstiegen, desto schweigsamer wurden sie. Nur hin und wieder wurden noch ein paar Worte gewechselt.

      Auch das Klima hatte es in sich. Schien die Sonne, dann brannte sie heiß vom Himmel, daß ihnen der Schweiß über die Gesichter lief. Verschwand die Sonne, wurde es fast übergangslos eiskalt.

      Die Berge wuchsen immer höher in den Himmel. Es sah so aus, als würden sie ins Unermeßliche wachsen. Um sie herum wurde die Stille fast greifbar. Da war nur das leise Scharren der Hufe und das Atmen der Männer zu hören.

      Carberry beobachtete die anderen Mulis. Die Tiere hatten die Köpfe gesenkt und trabten dahin. Diego schien es überhaupt nicht zu belasten, daß die Wege immer steiler wurden. Vollgepackt und beladen trottete er mit nickendem Schädel weiter, nur hin und wieder bleckte er sein Gesicht, um „dämlich zu grinsen“.

      Der erste Tag ließ sich noch ganz gut an, auch der nächste verging ohne nennenswerte Ereignisse, obwohl die Luft spürbar dünner wurde.

      Am übernächsten Tag, es war der dreißigste November, sah Pater Aloysius die Männer unauffällig an, musterte sie aber trotzdem sehr genau, denn er hatte längst bemerkt, daß einige Mühe hatten.

      Jean Ribault, der Franzose, war es, bei dem es zuerst begann.

      Er atmete heftiger und schnappte gierig nach Luft. Vor seinen Augen begann die Bergwelt zu flimmern. Er fühlte sein Herz überlaut und schnell in der Brust schlagen. Dazu plagte ihn ein ständiger Kopfschmerz, und er hatte jeden Augenblick das Gefühl, als würde er stürzen.

      Sie waren jetzt fast zweitausendachthundert Yards hoch. Jetzt setzte zum ersten Mal die berüchtigte „Soroche“ ein. Pater Aloysius kannte diese Erscheinungen, die bei Ribault begannen.

      Der Franzose begann von einer Seite zur anderen zu taumeln. Ständig verschwamm vor seinen Blicken alles. Sein Herz klopfte noch rasender. Er griff nach dem Zügel des Maultieres, griff aber daran vorbei, weil er es nur undeutlich sah.

      „Halt!“ rief Aloysius. „Der ganze Trupp halt!“

      Männer und Mulis blieben stehen.

      „Es hat Ribault erwischt“, sagte Karl von Hutten zu Hasard. „Offenbar ist ihm schlecht geworden.“

      Mel Ferrow, Fred Finley und der Profos waren schon bei ihm, um ihn zu stützen.

      „Mir ist verdammt schlecht“, sagte Ribault. „Ich sehe euch alle doppelt und dreifach.“

      Aloysius nahm eine Decke, breitete sie auf dem Boden aus und ließ Ribault darauf sitzen.

      „Ihr habt lange durchgehalten“, sagte der Padre, „ich hatte schon früher mit der Soroche gerechnet.“

      „Aber Jean ist ein harter Kerl“, meinte der Profos, „den wirft doch sonst nichts um.“

      „Das hat damit nichts zu tun. Auch die Stärksten sind dieser Erscheinung nicht gewachsen. Man kann


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