Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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      Die Wölfin ließ von ihm ab, trottete ins Wasser und schnappte nach den Wellen, als müsse sie sich das Maul spülen. Sie kehrte auf den Strand zurück, hob den Kopf und legte ihn in den Nacken. Sie schien den Mond anzublicken, öffnete ein wenig das Maul und gab ein verhaltenes Heulen von sich.

      Dann begab sie sich wieder zu Luis Carrero, beschnupperte ihn und ließ sich schließlich in seiner Nähe auf dem Sand nieder. Sie schloß die Augen und öffnete sie wieder. Sie atmete jetzt ganz ruhig, von der Hetzjagd war ihr nichts mehr anzumerken. Überhaupt – es schien nichts geschehen zu sein. Ruhe war jetzt wieder eingetreten, unterbrochen nur von dem leisen Rauschen der Brandung.

      Nichts konnte Sven Nyberg mehr halten. Als die Schüsse aufpeitschten, mußte er sich aufrappeln.

      „Wir sehen nach, was da los ist“, sagte er zu Blacky. „Nein, keine Widerrede. Wenn du nicht willst, daß ich dem Trupp nachlaufe, ist das deine Sache.“

      „Na los, ich stütze dich“, sagte Blacky.

      „Mann, meine Schulter ist durchlöchert, nicht mein Bein!“

      „Kannst du laufen?“

      „Klar kann ich das!“ stieß Sven hervor, dann lief er los und hängte den verblüfften Blacky fast ab, als sie durch die Felsen zum Ufer eilten.

      Shane, Al und die anderen hatten unterdessen das Wasser fast erreicht. Die Stille wirkte unheimlich. Was war geschehen?

      „Plymmie!“ rief Hasard junior. „Plymiiiee!“

      Ein helles Bellen ertönte hinter den Felsen. Philip junior und sein Bruder lachten auf.

      „Sie ist am Leben!“ rief Philip.

      „Hast du vielleicht was anderes erwartet?“ fragte Hasard.

      „Ich schon, du vielleicht nicht?“

      „Lassen wir das, es ist ja egal“, sagte Hasard junior.

      Ziemlich außer Atem gelangten sie an den schmalen Uferstreifen, als erster Shane, dann die Zwillinge, und dicht hinter ihnen Al, Batuti, Montbars, Piet und Baxter.

      Plymmies Ohren spielten. Als sie die Stimmen ihrer Leute hörte, bellte sie kurz, erhob sich und trottete ihnen entgegen.

      Big Old Shane blieb stehen, streichelte sie und blickte zu der reglosen Gestalt, die in der Nähe der Brandung lag.

      „Gut gemacht, Plymmie“, sagte er. „Der Frauenschänder und hundertfache Mörder hat sein gerechtes Ende gefunden.“

      Batuti und Al liefen zu dem Toten.

      „Hölle, die hat es ihm aber besorgt!“ stieß der Gambia-Mann in einer Mischung aus Verblüffung und Betroffenheit hervor.

      Die Hündin strich um ihre Beine herum. Sie ließ jetzt die Zunge heraushängen und benahm sich wie ein junger Hund, der Lust zum Spielen hat. Es war kaum zu glauben, daß sie soeben einen Menschen getötet hatte.

      „Achtung!“ stieß Montbars plötzlich hervor. „Da ist jemand!“

      Sie fuhren herum und griffen zu den Waffen. Zwischen den Felsen waren leise Geräusche. Stimmen waren zu vernehmen. Dann erschienen Blacky und Sven Nyberg, und die Männer atmeten wieder auf.

      „He!“ rief Big Old Shane. „Ihr habt uns vielleicht einen Schrecken eingejagt! Gebt euch das nächste Mal gefälligst zu erkennen!“

      „Das habe ich glatt vergessen“, sagte Blacky.

      „Ich dachte, ihr wüßtet, daß wir hinter euch sind“, sagte Sven.

      „Du spinnst wohl“, sagte Shane. „Und überhaupt, was hast du hier zu suchen?“

      „Ich will wissen, was mit Carrero ist“, sagte Sven.

      „Er ist tot“, erwiderte Shane. „Plymmie hat ihn zur Strecke gebracht.“

      „Das genügt mir“, sagte Sven grimmig. „Geschieht ihm recht.“

      „Wir müssen Ben und die anderen benachrichtigen“, sagte Blacky.

      „Du übernimmst das“, sagte Shane. „Und du nimmst Mister Nyberg gleich mit, der soll sich von Mac behandeln lassen.“

      „Um Gottes willen“, stöhnte Sven. „Von dem?“

      „Einen besseren Feldscher haben wir zur Zeit nicht“, sagte Shane grob. „Außerdem war ja nicht damit zu rechnen, daß es reihenweise Schulterdurchschüsse und Brummschädel gibt, nicht wahr?“

      Darauf wußte keiner etwas zu erwidern. Blacky und Sven zogen sich zurück. Sie marschierten zur Bucht und setzten mit der intakten Jolle zur „Estrella de Málaga“ und zur „San Lorenzo“ über, um den voll Spannung wartenden Kameraden zu berichten, was sich zugetragen hatte.

      Shane und die anderen bestatteten unterdessen den Toten.

      „Er hat es nicht verdient“, sagte der graubärtige Riese. „Aber irgendwie ist es unsere Pflicht, verdammt noch mal. Wir können ihn schließlich nicht hier liegenlassen.“

      „Wir könnten es doch“, sagte Batuti.

      „Hör auf. Er ist tot, das genügt uns.“

      Sie begruben ihn unter Steinen. Keiner sprach ein Gebet für Luis Carrero, kein Wort fiel. Sie wandten sich ab und schritten davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Carrero hatte empfangen, was er verdient hatte. Der Potosi-Trupp würde in keine Falle laufen …

      ENDE

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       1.

      28. November 1594 – Tacna.

      Das „Unternehmen Potosi“ begann um neun Uhr morgens, denn jetzt war die zwölf Mann starke Truppe komplett. Als Führer, der die Bergwelt der Kordilleren genau kannte, hatte man den Dominikanerpater Aloysius gewonnen.

      Dieser Pater Aloysius entsprach überhaupt nicht der Vorstellung von einem ehrbaren Mönchlein oder gar Betbruder. Er war ein kraftvoller, sehniger Typ mit kühn geschnittenem Gesicht, sehr scharfblickenden Augen, breiten Schultern und schmalen Hüften. Er sah eher wie ein Bilderbuchpirat aus, und er verstand es meisterhaft, seine Fäuste einzusetzen, wenn ihm das der Herr im Himmel befahl. Und da Pater Aloysius einen guten Kontakt zum Herrn unterhielt, befahl der Herr das offenbar recht oft.

      Die Männer waren abmarschbereit. Auch die acht Maultiere, die sie von den Spaniern erbeutet hatten, als sie das Tacna-Tal überfielen, um Sklaven für Potosi zusammenzutreiben, waren bepackt und beladen.

      Da mangelte es an nichts mehr, es war an alles gedacht worden, denn in den eisigen Bergregionen der Kordilleren warteten Strapazen auf sie, die vorerst noch unvorstellbar für die meisten waren. Noch keiner von ihnen war in derartige Höhen aufgestiegen.

      Die Maultiere trugen Proviant, Trinkwasser, Wein in Schläuchen, Waffen, Decken, Zeltplanen, Pickel, Seile und Kleidung.

      Im Tal hing leichter Nebeldunst, den die Sonne langsam vertrieb. Die Mulis scharrten bereits ungeduldig mit den Hufen, als könnten sie den Aufbruch kaum noch erwarten.

      Hasard hatte eine allerletzte Kontrolle angeordnet, damit auch wirklich nichts vergessen wurde. Nein, da fehlte nichts, auch nicht die Kiste, die der Kutscher Smoky mitgegeben hatte, damit die Männer unterwegs auf ein „heilsames Wässerchen“ nicht verzichten mußten. In den eisigen Höhen konnte man es gut gebrauchen.

      Die Kiste hatte der Profos Edwin Carberry an seinem Maultier verstaut. Mit diesem Maultier hatte es ebenfalls eine besondere Bewandtnis, denn das war kein normales Halbeselchen, sondern schon mehr eine Art Kuriosum. Es hatte seine ganz besonderen Vorstellungen und ließ sich nicht einfach kommandieren. Es entwickelte sozusagen Eigeninitiative, mal biestig, mal tückisch, dann wieder lammfromm. Und dann hatte


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