Seewölfe Paket 23. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 23 - Roy Palmer


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dem Ungeheuer namens Carberry, und der nahm die Gelegenheit wahr, Seine Majestät mit einem kräftigen Fußtritt zu beehren. Aber dessen Nase war schon beim Sturz zu Bruch gegangen. Der Alabasterkopf landete scheppernd im Kamin und gelangte dort zur Ruhe. Ein Feuerchen war noch nicht entzündet worden.

      Die Señores saßen steif und stumm und entsetzt.

       6.

      „Señores“, sagte Hasard freundlich und mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit, „es besteht kein Grund zur Panik, und ich schätze – ja, ich bin sogar davon überzeugt, daß wir sehr gut miteinander auskommen werden, wenn Sie die Befehle Ihres ehrenwerten Señor Gouverneur so befolgen, wie Sie das immer getan haben. Allerdings“, und hier lächelte Hasard so richtig von Herzen, „kann ich für sein Leben nicht garantieren, wenn Sie seinen Befehlen zuwiderhandeln oder sie zu sabotieren versuchen.“

      Die Señores lauschten wie Buben, die zum ersten Male in ihrem Leben von einem Lehrer oder Schulmeister angesprochen werden, der die Absicht hat, sie in die Kunst des Schreibens und Lesens einzuweisen.

      Da waren keine Rebellen oder Feuerköpfe, denen die Tat wichtiger erschien als die Folgen. Hasards Blick musterte jeden einzelnen Mann, und jeder senkte den Blick, als könne er diese aufmerksamen scharfen Augen nicht ertragen. Sie waren auch sehr verwirrt, diese ehrenwerten Señores, die hier in Potosi bisher ein so schönes, geruhsames, gefahrloses und vor allen Dingen einträgliches Leben geführt hatten – einträglich, was den Griff nach dem Silber betraf.

      Natürlich war die Ausbeute je nach Stand verschieden und nicht an dem zu messen, was der Señor Gouverneur in seinem Landhaus gehortet hatte. Aber es war nicht übertrieben, wenn man die ehrenwerten Señores als Millionäre bezeichnete. Der Vorsteher der Münze hatte die dreckigsten Pfoten. Dafür war er jetzt so weiß wie ein Leichentuch – und er schwitzte.

      Das alles registrierte Hasard, und er verriet nicht den Ekel, der in ihm aufstieg.

      Im lässigen Plauderton fuhr er fort: „Meine Truppen, Señores, haben die Stadt umstellt, jedoch die Straße nach Sucre offengelassen. Es würde sich also nicht lohnen, gegen uns hier Gewalt anzuwenden, die sie dann alle zu büßen hätten. Im übrigen haben meine Einsatzkommandos heute nacht den Pulverturm gesprengt – vorsorglich natürlich, um Sie nicht in Versuchung zu führen, ein Massaker anzurichten, dem ja doch immer nur die Unschuldigen zum Opfer fallen. Da wir ferner etwas gegen Bluthunde haben, die auf Menschen gehetzt werden, haben wir uns erlaubt, auch diese Bestien zu beseitigen.“

      Die Stadt umstellt? Den Pulverturm gesprengt? Die Bluthunde beseitigt? Die Señores zogen die Köpfe ein und krochen in sich zusammen. Am liebsten wären sie in Mauselöchern verschwunden.

      Nicht einmal der winzigste Funke eines Gedankens tauchte in ihren Köpfen auf, hier einem riesigen Bluff aufzusitzen. Das mochte allerdings auch an der Persönlichkeit des schwarzhaarigen Riesen liegen, der einen bezwingenden Charme ausstrahlte und gleichzeitig von einer granitenen Härte war. Nein, einem solchen Mann waren sie noch nicht begegnet, einem Mann, der es im Handumdrehen fertigbrachte, ihnen seinen Willen aufzuzwingen.

      Hasard nickte dem Dicken ermunternd zu, wiederum freundlich lächelnd.

      „Jetzt sind Sie dran, Señor Gouverneur“, sagte er. „Die Señores warten auf Ihre Befehle.“

      Der Dicke richtete seinen Blick auf den Stadtkommandanten, einen knebelbärtigen, hageren Menschen, und sagte: „Don Alfonso! Ich befehle, daß die gesamte Truppe der Potosi-Garnison einschließlich der Polizeikräfte und Stadtgardisten innerhalb einer halben Stunde auf der Plaza anzutreten hat, bereit zum Abmarsch nach Sucre, wo weitere Weisungen von mir abzuwarten sind. Schuß-, Hieb- und Stichwaffen bleiben in der Garnison. Sie, Don Alfonso, bürgen mir für die exakte Ausführung meines Befehls und werden auch die Truppe nach Sucre begleiten. Die Straße dorthin ist frei. Sollten Sie jedoch die Straße verlassen – entgegen meiner Order –, dann haben Sie damit zu rechnen, daß Sie unter Feuer genommen werden. Ist das klar?“

      „Jawohl, Señor Gouverneur“, erwiderte der Stadtkommandant und wiederholte brav den Befehl des Dicken.

      Dann verließ er die Runde und marschierte auf die Tür zu, wo der Profos stand und ihm aus grauen Augen grimmig entgegensah.

      „Waffen ablegen!“ knurrte er.

      „Jawohl“, sagte der Knebelbärtige gehorsam und entledigte sich seines Wehrgehänges samt einer prächtigen Pistole.

      Carberry nahm es in Empfang und betrachtete die Pistole, deren Griff aus Nußbaumholz mit Silber eingelegt war. Kopfschüttelnd schaute er sich die Einlegearbeit an. Auf beide Griffseiten war je ein nacktes Liebespaar eingearbeitet, das sich umarmte. Es war eine erotische Szene, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrigließ. Vielleicht brauchte der ehrenwerte Don Alfonso solche Bildchen zur Aufmunterung, bevor er den Liebespfad beschritt.

      „Ihr seid vielleicht Ferkel“, sagte der Profos ein bißchen erschüttert, obwohl ihm im Grunde nichts fremd war. Aber so etwas Obszönes öffentlich mit sich herumzuschleppen, das fand er nicht sehr geschmackvoll.

      „Jawohl“, sagte Don Alfonso und schaffte es, rote Ohren zu haben.

      „Hinaus!“ grollte Carberry und fletschte die Zähne. „Du alter Lustmolch!“

      Der „Lustmolch“ mit dem Knebelbart entschwand. Die Tür krachte wieder zu.

      Der Dicke stach den Zeigefinger auf den Vorsteher der Münze zu, den Schwitzemann mit dem teigigen Gesicht.

      „Sie, Don José“, sagte er, „sorgen dafür, daß sofort sämtliche Silbermünzen aus der königlichen Schatzkammer und der Münze sack- und kistenweise in den Hof der Residenz gebracht werden, da ich die Absicht habe, die Münzen einem guten Zweck zuzuführen. Haben Sie verstanden?“

      „Oje-oje!“ jammerte der Schwitzemann. „Alle Münzen?“

      „Ich sagte es!“ donnerte Don Ramón. „Haben Sie Dreck in den Ohren? Und ich bitte mir aus, daß nicht eine einzige Münze beim Transport in den Hof verschwindet!“

      „Jawohl, Señor Gouverneur.“ Der Schwitzemann erhob sich und wankte zur Tür. Weit gelangte er nicht, weil das Männchen Zeremonienmeister wieder bei Bewußtsein war und ihm wie ein schnüffelndes Hundchen vierbeinig in den Weg kroch. Das Männchen wußte wohl noch nicht so recht, wo es sich befand.

      „Wau-wau!“ bellte Carberry von der Tür her.

      Das Männchen sprang mit einem schrillen Schrei auf, prallte auf den Schwitzemann mit dem teigigen Gesicht und umarmte ihn. Jetzt wankten sie beide und hielten sich gegenseitig fest, als müßten sie sich trösten.

      Don Ramón trommelte mit seinen Wurstfingern auf der Tischplatte und war gereizt.

      „Hinaus!“ schrie er. „Und vergessen Sie meinen Befehl nicht, Don José, sonst soll Sie der Teufel holen! Es geht um mein Leben, falls Sie das noch nicht begriffen haben!“

      Erschrocken trennten sich die beiden und eilten zur Tür, wo Carberry sie hungrig anstarrte, als habe er die Absicht, sie roh zu verspeisen.

      Langsam öffnete er die Tür, fixierte das Männchen und sagte dumpf: „Du hast den Philipp vom Sockel gestoßen, du Wüstling! Das wird noch Folgen haben, denn das ist eine Beleidigung Seiner Majestät!“

      „Er-erbarmen“, stotterte das Männchen mit flatternden Augen und käsigem Gesicht, dessen linke Seite von der Pranke Carberrys erheblich geschwollen und gezeichnet war.

      „Das wird Seine Majestät entscheiden“, sagte Carberry grollend, „und ich weiß sehr genau, daß er Sockelumstoßern, wie du einer bist, die Ohren abbeißt und die Haare ausreißt! Und wenn du hier noch mal am Schlüsselloch hängst, du Schnüffler, dann ziehe ich dir den Hals lang und knüpf ihn dir um die Beine!“

      Das Männchen schoß davon, als sei es von Carberry mit einer Nadel in das Hinterteil gepiekt worden. Der Schwitzemann war schon auf und davon. Wieder knallte die Tür zu.

      Jetzt


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