Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.er ein gieriger Krake ist“, sagte Carnera gedämpft. „Wenn er nicht fette Beute wittern würde, hätte er den Gefangenen gar nicht erst aufgesucht.“
Jussuf winkte Libero zu. Das Kerlchen näherte sich und nahm den leeren Krug mit, um ihn zu füllen. Carnera leerte wieder seinen Becher. Jussuf nippte nur an seinem Bier und sagte: „Caligula hat also Geld bei sich? Meinst du das?“
„Golddublonen in einer Geldkatze, die er um die Hüften getragen hat, und zwei Beutel mit Perlen“, erwiderte der Alte. „Möglich, daß der Dicke darauf scharf ist. Fest steht, daß er darüber hinaus etwas von Caligula wissen will, was dieser aber nicht bereit ist, preiszugeben.“
„Was das wohl ist?“ sagte Jussuf.
„Denken könnte ich es mir schon“, brummte Carnera und schielte zu Libero, der mit dem frisch gefüllten Krug zurückkehrte. „Don Antonio will wissen, wo es mehr von dem Geld und den Perlen gibt. Aber er kriegt nichts aus Caligula heraus. Dem kann man die Arme und Beine abreißen, der sagt nichts.“
Jussuf hätte sich vor Widerwillen fast geschüttelt. Er hoffte inständig, daß der Alte ihm die Schilderung der Foltermethoden, mit denen man Caligula bearbeitete, ersparen würde. Und was Don Antonio de Quintanillas Bestreben betraf, dem Gefangenen das Geheimnis zu entlocken, da wußte er natürlich ganz genau, um was es sich handelte: Caligula sollte die Lage der Schlangen-Insel verraten. Aber er sträubte sich. Verständlicherweise. Wenn er redete, war er geliefert. Dann ließ Don Antonio ihn unverzüglich aufhängen.
Jussuf verließ die Kaschemme, Carnera war am Tisch eingeschlafen. Jussuf kehrte zur Faktorei zurück und teilte Arne und Jörgen, die beide noch wach waren, mit, was er erfahren hatte.
„Das ist eine ganze Menge“, sagte Arne. „Meine Hochachtung, Jussuf, du hast deine Sache wieder mal gutgemacht. Und einen neuen Informanten hast du dir auch gleich geschaffen.“
Jussuf grinste. „Der alte Knochen hat natürlich sehr geheimnisvoll getan und viel herumgeredet, aber ich habe ihm versichert, daß ich kein Sterbenswörtchen über unsere Unterredung verlauten lassen würde. Wir haben einen Pakt abgeschlossen und besiegelt, wenn ich das mal so nennen darf. Folglich dürfte ich euch gar nicht berichten, was er mir alles gesagt hat.“
„Mach es nicht so spannend“, sagte Jörgen. „Wie ist Don Antonio denn überhaupt mit den Wachsoldaten und dem Kommandanten im Gefängnis verblieben? Gibt es nun einen Prozeß oder nicht?“
„Noch nicht“, entgegnete Jussuf. „Und alle Wachleute bis hinauf zum Sargento und Kerkerkommandanten sind von Don Antonio dazu verpflichtet worden, nichts über den Gefangenen verlauten zu lassen, vor allem nicht einem gewissen Don Juan de Alcazar gegenüber, falls der wieder in Havanna erscheinen sollte. Auch Don Ruiz de Retortilla ist entsprechend instruiert worden.“
„Aha!“ sagte Arne. „Jetzt weiß ich Bescheid. Der Dicke will wieder mal sein eigenes Süppchen kochen und Don Juan vermutlich ausbooten. Das sieht ihm ähnlich.“
„Ein intrigantes Spiel“, sagte Jörgen. „Der Teufel soll diesen Fettwanst holen. Ich habe ihn von Anfang an nicht ausstehen können.“
„Wer kann ihn schon leiden?“ sagte Jussuf. „Ich wage zu behaupten, daß er der in Havanna am meisten gehaßte Mann ist.“
„Daran besteht kein Zweifel“, sagte auch Arne. „Wie ich Don Antonio kenne, ist er natürlich auf die Schätze der Schlangen-Insel versessen. Und wenn er dabei auch noch den ‚englischen Piraten Killigrew‘ schnappt, tut er der spanischen Krone und der Casa einen Gefallen, wird belohnt und belobigt und kann seine Position als Gouverneur auf diese Weise gewissermaßen auf Felsen bauen.“
„Don Juan wäre damit wegen Unfähigkeit abgemeldet“, sagte Jörgen.
„So ein Ding“, sagte Jussuf empört. „Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich persönlich ziehe Don Juan als Gegner vor.“
Arne verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ja, er ist ein netter Feind, nicht wahr?“
„Einer, den ich mir gut als Kameraden vorstellen könnte“, ging Jussuf sofort darauf ein. „Er ist aufrichtig, mutig und ehrlich.“
„Der würde zum Bund der Korsaren passen“, pflichtete Jörgen ihm bei. „Du weißt es ja selber, Arne.“
„Ihr zwei spinnt ganz schön“, sagte Arne. „Eure Phantasie kennt wohl keine Grenzen, was? Aber ich will euch was verraten: Das ist ein reines Hirngespinst. Don Juan kämpft weiter, bis zum letzten. Ein Mann wie er gibt nicht auf.“
„Nie“, sagte Jussuf. „Ich weiß. Er hat sich in seinen Auftrag sozusagen verbissen und läßt nicht locker. Daß Hasard gesiegt und ihn obendrein noch zusammengestaucht hat, stört ihn wenig.“
„Wahrscheinlich stört es ihn auch nicht weiter, daß er verletzt ist“, sagte Jörgen. „Er ist hart im Nehmen, wie es scheint.“
„Es scheint nicht nur, es ist so“, sagte Arne trocken. „Eigentlich wundert es mich, daß er von seinem Raid noch nicht zurück ist. Aber für uns bedeutet das eine Art Aufschub. Solange Don Antonio über den Erfolg oder Mißerfolg von Don Juans Aktion nichts bekannt ist, kann er nämlich auch nichts unternehmen. Er muß also abwarten.“
„Und in der Zwischenzeit läßt er Caligula zwiebeln“, sagte Jörgen.
„Scheußlich ist das“, sagte Jussuf. „Versteht mich nicht falsch. Ich bemitleide Caligula nicht. Aber ich verachte derartige Methoden.“
„Ich auch“, sagte Arne. „Eines Tages wird Don Antonio ein Opfer seiner eigenen Grausamkeit. Ein Sadist und Betrüger wie er strauchelt irgendwann. Das wünsche ich ihm von ganzem Herzen.“
Don Antonio de Quintanilla verabscheute jede Art von Arbeit, sie war ihm zuwider. Selbst das Laufen haßte er. Am liebsten verbrachte er den ganzen Tag in einem seiner riesigen Salons, auf einem Diwan ausgestreckt, oder in der Loggia, wo er kandierte Früchte knabberte, Süßwein trank und den Ausblick auf Havanna genoß.
In dieser Nacht aber entwickelte er ungeahnte Aktivitäten. Noch einmal suchte er das Stadtgefängnis auf und nahm sich Caligula vor. Die Sache ließ ihm keine Ruhe. Im Schlupfwinkel der englischen Piraten mußten Schätze von gewaltigem Ausmaß lagern. Gold und Silber in Barren, Diamanten und Perlen, Gold- und Silberschmuck – sack-, kisten- und truhenweise. Gelang es ihm, sich diesen Reichtum anzueignen, hatte er bis ans Ende seiner Tage ausgesorgt und brauchte sich keine Sorgen mehr um die Zukunft zu bereiten, auch dann nicht, wenn ihn die spanische Krone eines Tages seines Postens als Gouverneur von Kuba enthob.
Im Licht von vier Lampen hockte Don Antonio dem Gefangenen gegenüber. Schweigend beobachtete er ihn eine Weile. Wie lange würde er noch durchhalten?
Caligula saß vornübergebeugt da. Sein Gesicht und sein Oberkörper waren angeschwollen, verschrammt und verbeult. Schweiß und Blut waren auf seiner dunklen Haut getrocknet, sein Gesicht war verzerrt, die Last der Ketten und die Schmerzen setzten ihm zu. Er konnte viel erdulden, aber er wußte, daß er bald an der Grenze des Ertragbaren angelangt war. Irgendwann würde er – mehr tot als lebendig – zusammenbrechen und auspacken.
„Caligula“, sagte Don Antonio mit honigsüßem Grinsen. „Warum machst du dir das Leben so schwer? Eigentlich hätte ich dich für klüger gehalten.“
Caligula atmete tief durch. Sein Blick war auf den Dicken gerichtet. Das Licht der Lampen quälte ihn, es stach ihm in die Augen.
„Gouverneur“, sagte er leise und drohend. „Warum läßt du mir nicht die Ketten abnehmen?“
Don Antonio seufzte. „Liebend gern würde ich es tun, aber du bist ja so dumm und unvernünftig.“
„Hör auf, mich zu piesacken.“
„Warum verrätst du mir nicht die Lage des Schlupfwinkels?“
„Ich soll dich doch hinführen.“
„Mir wäre lieber, du zeichnest mir die Position auf einer