Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.möchte ich mal rund und fett sehen, du ausgedörrter Hering“, erklärte er. „Trotzdem ist es so, wie du sagst. Wir verarmen langsam, aber sicher, wenn wir uns diesen Zustand noch länger bieten lassen. Meiner Meinung nach wird es höchste Zeit, daß wir mal wieder richtig zuschlagen und was erbeuten.“
Der Kreole erntete rege Zustimmung, wenn auch nicht von allen.
Limba, ein magerer Bursche mit üppigem Kraushaar, farbig wie alle an Bord, erhob Einspruch.
„Ich finde, wir sollten die Rückkehr Caligulas abwarten“, schlug er vor. „Wenn erst die Sache mit den englischen Bastarden von der Schlangen-Insel erledigt ist, wird sich hier bestimmt auch einiges ändern, gleich, ob die Queen wieder hochkommt oder nicht. Caligula wird sich darum kümmern, denn er wird hier ebensowenig versauern wollen wie wir.“
Die meisten antworteten mit einem hämischen Lachen.
„Hast du etwa Sehnsucht nach Caligula?“ fragte Casco. „Sicherlich hat er dir noch nie seine Peitsche übers Fell gezogen, sonst würdest du nicht so einfältig daherreden. Außerdem: Wer weiß denn, ob er überhaupt jemals wieder hier auftauchen wird? Vielleicht hat er selber die Schnauze voll, und während wir hier auf ihn warten, vergnügt er sich in Havanna.“
„Das ist auch meine Meinung“, ereiferte sich der säbelbeinige Silo und befingerte dabei unentwegt die Warze auf seinem Nasenrücken. „Selbst Cariba ist noch nicht zurückgekehrt. Wenn ich mich recht erinnere, ist er schon vor einem Monat nach Havanna aufgebrochen. Wahrscheinlich hat er was Besseres gefunden, ebenso wie unsere drei Kameraden, die bereits heimlich abgemustert haben und es sich inzwischen auf Kuba gutgehen lassen. Sollen wir vielleicht warten, bis wir alt und grau geworden sind und beim Enterkampf die Arme nicht mehr hochkriegen?“
Casco nickte beifällig und ergriff erneut das Wort.
„Recht so, Silo“, sagte er schmeichlerisch. „Du gehörst zu jenen Männern an Bord, die die Dinge mit klarem Blick sehen. Aber laß Limba nur bei seiner Herrin bleiben. Vielleicht hat sie sogar Verwendung für ihn und läßt ihm die Ehre zuteil werden, ihren Nachttopf entleeren zu dürfen. Außerdem, was geht es uns an, daß sich die Queen an diesen verdammten Engländern rächen will? Wir sind Piraten und möchten endlich mal wieder was im Beutel klimpern hören. Ich bin deshalb dafür, daß wir das Schiff übernehmen, um selbst entscheiden zu können, was zu tun ist.“
„Das ist Meuterei!“ kreischte Limba schrill.
„Nenne das, wie du willst, du Kriecher!“ sagte Casco wütend. „In meinen Augen ist das Selbsthilfe, reine Selbsthilfe, jawohl. Und wenn du dein vorlautes Maul nicht endlich hältst, bin ich gern bereit, es dir zu stopfen.“ Wie zufällig streichelte er den Griff seines Messers, das er wieder im Gürtel trug.
Limba schluckte und zog es vor, den Mund zu halten. Er verspürte nicht die geringste Lust darauf, den gleichen Weg wie Pablo zu gehen.
Casco wandte sich wieder den anderen zu, die jetzt alle mit gedämpften Stimmen durcheinanderredeten.
„Leute“, sagte er, „wir haben in der Vergangenheit oft genug bewiesen, daß wir eine schlagkräftige Mannschaft sind. Sogar diesem Seewolf und seinen Kerlen haben wir beachtlich zugesetzt. Und wir haben reichlich Beute geschlagen. Die Queen und Caligula sind dadurch reich geworden, während wir kaum noch einige Münzen für ein Würfelspielchen erübrigen können. Das aber wird sich ändern, wenn wir zusammenbleiben und über ein gutes Schiff wie dieses verfügen. Nicht das Weibsstück, das siech in seiner Koje liegt, wird dann die Karibik beherrschen, sondern wir.“
Zustimmendes Gemurmel brandete über die Back. So war das: Männer wie Casco und Konsorten waren schnell bei der Hand, ihre Anführer abzusetzen, wenn sie spürten, daß deren Glorienschein dahin war. Einen Treuebegriff kannte man in ihren Kreisen ohnehin nicht. Moralische Hemmungen schon gar nicht. Casco gelang es daher, daß sich auch diejenigen, die bisher gezögert hatten, auf seine Seite schlugen. Nur Limba und drei weitere Männer hielten sich noch zurück, aber das war für Casco, der sich seit einiger Zeit als Haupträdelsführer der Unzufriedenen an Bord aufspielte, kein Problem. Er stand längst im Mittelpunkt, und es gab keinen Zweifel daran, daß er die Führerrolle übernommen hatte.
„Wir müssen Cascos Vorschlag annehmen, wenn wir hier nicht verrotten wollen!“ rief Silo begeistert. „Wir sind eine eingespielte Mannschaft, die es am Ende doch noch schaffen wird, sich die Schätze von der Schlangen-Insel zu holen.“
„Natürlich schaffen wir das“, sagte Casco sofort, „obwohl wir es gar nicht mehr nötig hätten. Wenn dieses Schiff uns gehört, dann gehören uns auch die Schätze, die von den früheren Beutezügen her noch an Bord sind. All die Golddublönchen, die Piasterchen, Perlen und Klunkerchen werden nämlich im Achterdeck gehortet, und ich wette, daß selbst der Dümmste unter uns weiß, welche Werte dort lagern. Wir haben dazu beigetragen, daß diese Schätze erbeutet wurden, also haben wir auch ein Anrecht darauf.“
Mit diesen Worten hatte der bullige Kreole den Nerv der Galgenstricke getroffen. Diejenigen, die sich auf den Planken niedergelassen hatten, sprangen auf, als habe sie eine unsichtbare Faust am Kragen gepackt und hochgepurrt. Es entging Casco nicht, daß ihre Augen gierig zu glitzern begannen. Demnach mußte er die Gunst der Stunde nutzen. Und das tat er gründlich.
Er hetzte und schürte, er beschwor und versprach mit einer Überzeugungskraft, die ihresgleichen suchte. Das Feuer, das er entfachte, pflanzte sich in Windeseile über die Decks fort. Überall wurde erregt debattiert, und viele rieben sich erwartungsvoll die Hände. Die Meuterei auf der „Caribian Queen“ war nicht mehr aufzuhalten. Casco brachte nahezu die gesamte Mannschaft auf seine Seite, während die Black Queen ahnungslos in ihrer Koje lag und dumpf brütend gegen die Decke starrte.
Nur vier Männer gab es noch an Bord, die ihre Bedenken äußerten und glaubten, bei der Black Queen nicht abmustern zu dürfen. Zu ihnen gehörte nach wie vor der magere Limba, dem die Furcht vor der Rache der schwarzen Piratin und ihres Geliebten im Nacken saß. Er ballte hilflos die Hände, während Casco die übrigen Männer anfeuerte.
„Wir müssen sofort handeln“, erklärte der Kreole, „und nicht erst warten, bis Caligula zurückgekehrt ist. Jetzt, in diesem Augenblick, müssen wir zuschlagen. Einen Kampf wird es nicht geben, wenn wir uns einig sind. Allein hat die Queen keinerlei Chance gegen uns.“
„Das ist Wahnsinn!“ rief Limba mit bebender Stimme. „Völliger Wahnsinn! Der Einflußbereich der Queen ist noch immer groß. Wir werden uns nirgends mehr in der Karibik sehen lassen können, ohne daß sie sich an uns rächen wird.“
„Wir könnten sie ja ins Jenseits befördern“, sagte ein bärtiger Kerl kalt, „dann braucht sich niemand mehr aus Angst vor ihrer Vergeltung in die Hosen zu machen.“
Limba tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
„Du Schwachkopf hast wohl Caligula vergessen, wie? Er würde uns über alle Meere der Welt folgen, darauf kannst du dich verlassen.“
„Schluß jetzt mit all dem Schwachsinn!“ befahl Casco herrisch. „Was dich betrifft, Limba, zwingt dich niemand, daß du dich uns anschließt. Wir alle haben längst bemerkt, daß du dich vor einer kranken und schwachen Frau fürchtest, und auf solche Feiglinge können wir allemal verzichten. Aber bilde dir nur nicht ein, daß auf unserem Schiff noch Platz für dich sein wird. Das gilt auch für diejenigen, die mit dir ins selbe Horn blasen. Ihr alle dürft gern in dieser anheimelnden Gegend bleiben. Wenn ihr hübsch fleißig seid, könnt ihr drüben auf der Insel Bananen und Kokosnüsse ernten, damit euer Freund Caligula und seine Hure was zu beißen haben.“
Der Kreole ging einen Schritt auf Limba zu, packte ihn übergangslos am Gürtel und Kragen, wuchtete ihn hoch, und bevor der magere Schwarze einen Schrei ausstoßen konnte, klatschte er bereits ins Wasser. Seine drei Freunde folgten ihm in wenigen Augenblicken, denn es fehlte Casco fürwahr nicht an Helfern.
„Verschwindet, ihr Angsthasen!“ rief der Kreole. „Aber beeilt euch, sonst beißen euch die Haie die besten Stücke ab.“
Die vier Männer schwammen um ihr Leben. Wenn