Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.der Islas de Mangles kräftig durchstöbern werden, versteht sich von selbst.“
Der Seewolf fand mit diesen Plänen die Zustimmung Arnes und Renkes und füllte die Zinnbecher erneut mit Wein. Anschließend ließ er sich wieder auf seinem Stuhl nieder, um weitere Einzelheiten zu besprechen.
Als man sich über die wichtigsten Punkte geeinigt hatte und wieder ins allgemeine Plaudern verfiel, berichtete Hasard noch über sein Zusammentreffen mit einem erbitterten Jäger der Seewölfe – mit Don Juan de Alcazar, der im Rang eines mit Sondervollmachten ausgestatteten Generalkapitäns stand und der spanischen Krone als eine Art Menschenjäger diente.
Allerdings war dieser Mann nicht im entferntesten mit Don Antonio de Quintanilla, dem korrupten Gouverneur, zu vergleichen. Im Gegensatz zu diesem feisten Kapaun war er ein Mann, der auf ehrenvolles und ritterliches Verhalten Wert legte. Skrupellosigkeit und Niedertracht waren ihm fremd. Und das machte ihn – obwohl er sich zu einem ernst zu nehmenden und gefährlichen Jäger der Seewölfe entwickelt hatte – für die Arwenacks irgendwie auch sympathisch.
Hasard hegte die leise und vage Hoffnung, ihn irgendwann „umdrehen“ zu können, in dem man ihm über das verantwortungslose und ausbeuterische Treiben der spanischen Krone in der Neuen Welt die Augen öffnete. Irgendwann würde Don Juan schon begreifen, daß es sinnvoller und nützlicher war, den Dreck vor der eigenen Haustür zu kehren und dem hinterhältigen Gouverneur und seiner habgierigen Clique auf die Finger zu sehen, als hinter den Engländern herzujagen.
Arne teilte die Ansicht Hasards und versprach, alles, was in seiner Macht lag, zu versuchen, um in diesem Sinne auf Don Juan einzuwirken. Doch im weiteren Verlauf des Gesprächs schieden sich die Geister der beiden Vettern, denn Hasard schnitt ein Thema an, das ihm seit einiger Zeit Sorgen bereitete.
„Im übrigen“, fuhr er fort, „solltest du dir wirklich überlegen, Arne, ob es nicht zu gefährlich geworden ist, die Faktorei hier auf Kuba weiter zu betreiben. Du weißt genau, daß jeder Schnapphahn auf der ‚Caribian Queen‘ in der Lage ist, dich und deine Helfer zu enttarnen, und was das für dich sowie Jussuf und Jörgen bedeuten würde, kannst du dir an den Fingern einer einzigen Hand abzählen. Nach meiner Meinung ist das Risiko inzwischen zu groß geworden.“
Arne winkte energisch ab.
„Da laß dir keine grauen Haare wachsen. Bis jetzt läuft alles noch bestens, und ein gewisses Risiko hat nun mal jedes Geschäft. Trotzdem meine ich, daß unsere Ziele das Risiko wert sind. Daß Jussuf und Jörgen diese Meinung teilen, dessen bin ich sicher. Unsere Späherdienste, das mußt du zugeben, sind für den Bund der Korsaren sehr wichtig, ich möchte sogar sagen, lebenswichtig. Zumindest haben das die letzten Ereignisse wieder deutlich bestätigt. Wir werden auf jeden Fall weitermachen. Überlaß das getrost unserer eigenen Verantwortung.“
Hasard spürte rasch, daß er mit seinen Bedenken bei Arne auf Granit biß, und schließlich, nach einigem Hind und Her, akzeptierte er dessen Argumente. Das vorrangige Ziel für den Bund der Korsaren bestand jetzt darin, die Black Queen endgültig auszuschalten und zu verhindern, daß sie ihnen noch größere Schwierigkeiten bereitete, als sie das ohnehin schon getan hatte.
Die beiden Männer verabredeten noch, daß sie sich abermals durch Brieftauben verständigen wollten, wenn die „Pommern“ nach dem Unternehmen gegen die Black Queen zur Schlangen-Insel zurückgekehrt sei.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Renke Eggens und Arne von Manteuffel die Kapitänskammer verließen. Die Düfte, die aus dem offenen Kombüsenschott strömten, erinnerten daran, daß das mittägliche Backen und Banken bevorstand.
Die Mannschaft hatte die Zeit genutzt und unter der Anleitung Jussufs und Jörgen Bruhns bereits einen Teil Ladung übernommen – Schiffsbauholz für Hesekiel Ramsgate, Segeltuch, Werkzeuge, Nägel, Farben und einiges mehr. Auf den nackten Oberkörpern der Männer glänzte der Schweiß, und manch einer schielte mit knurrendem Magen zur Kombüse, wo der Kutscher unter Mithilfe der Zwillinge das Mittagsmahl zubereitete.
Der Tag verging rasch, und alles verlief ohne Zwischenfälle. Trotzdem blieb Hasard in der Kapitänskammer. Erst in der Nacht verließ er die „Pommern“ und besichtigte mit seinen Männern die Faktorei Arnes, die in unmittelbarer Nähe lag. Die Zeit war zwar kurz bemessen, doch die Arwenacks genossen die wenigen Stunden an Land. Der edle Tropfen, den Arne spendierte, mundete allen vorzüglich, so daß selbst Ed Carberry seine anfängliche Befürchtung, am „Inselstaub“ ersticken zu müssen, aufgab. Sie alle bedauerten lebhaft, daß sie noch in der Dunkelheit auf die „Pommern“ zurückkehren mußten.
Am darauffolgenden Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, verließ der Dreimaster unbehelligt den Hafen von Havanna. Arne, Jörgen und Jussuf standen noch lange an der Pier und winkten.
Sobald die Galeone außer Sichtweite war und weder von Havanna noch von den beiden Forts aus gesehen werden konnte, ging sie auf Westkurs, um Kap San Antonio zu runden.
3.
Über Batabano hatte sich die Abenddämmerung gesenkt. Die Sonne versank wie ein blutroter Ball hinter dem Horizont. Von der See her wehte eine frische Brise und vertrieb die flirrende Hitze, die tagsüber das Atmen erschwerte.
Der pechschwarze und muskulöse Mann, der eine ehemals weiße, jetzt aber schmutzige und zerschlissene Pumphose trug, spähte vorsichtig durch die Fensteröffnung. Sein nackter Oberkörper war schweißnaß, um die Handgelenke trug er Eisenmanschetten, die mit einer Kette verbunden waren. Seine Augen tasteten lauernd die nähere Umgebung ab, schließlich wanderten seine Blicke hinüber zum Hafen und hinaus auf die silbrig glitzernde Wasserfläche.
Caligula war auf der Hut, und er hatte auch allen Grund dazu, denn bei seiner Flucht aus dem Stadtgefängnis von Havanna hatte er eine blutige Spur hinterlassen.
Man schrieb den 24. April 1594, und Caligula hatte Batabano bereits am Nachmittag erreicht. In einiger Entfernung von den ersten Häusern und strohgedeckten Lehmhütten hatte er das erbeutete Pferd davongejagt. Er war schlau genug, zu wissen, daß ein mit Handketten gefesselter Neger auf einem Pferd, das nach Zaumzeug und Sattel einem spanischen Reitersoldaten gehören mußte, sofort auffallen würde.
In den heißen Nachmittagsstunden, in denen die Bewohner ihre Siesta hielten und sich kaum jemand in den engen Gassen blicken ließ, hatte er sich nach Batabano geschlichen und in einer leerstehenden Lehmhütte versteckt. Das halbzerfallene Gebäude hatte den Vorteil, daß es in der Nähe des Hafens lag und eine gute Sicht dorthin gewährte.
Zunächst einmal hatte Caligula mit Heißhunger einige Bananen in sich hineingeschlungen, die er im Vorbeigehen einem im Schatten seines Karrens eingenickten Obsthändler entwendet hatte. Schließlich war sein Magen schon seit vielen Stunden am Knurren.
Danach war er auf dem gestampften Lehmboden für einige Stunden eingeschlafen. Niemand hatte seine Ruhe gestört. Das Gebäude war alt, das Dach teilweise eingestürzt. Überall in den Räumen roch es muffig, eine dicke Staubschicht bedeckte Boden und Wände. Das störte Caligula jedoch nicht, denn dieses Versteck war immer noch komfortabler als das Rattenloch, in das man ihn in Havanna gesperrt hatte.
Jetzt, nachdem er in Batabano war und den Hafen in seiner unmittelbaren Nähe wußte, huschte hin und wieder ein triumphierendes Grinsen über sein verschlagenes Gesicht. Er fühlte sich seinem Ziel weit näher, als das im Gefängnis der Fall gewesen war. Und dieses Ziel war die „Caribian Queen“.
Nach dem bisher so erfolgreichen Verlauf seiner Flucht fühlte sich Caligula wieder obenauf, auch wenn die Lage zur Zeit nicht besonders rosig für die ganze Piratenschar aussah. Die Black Queen lag siech in ihrer Koje, und er war ein verfolgter Sträfling, während die Crew vor Langeweile rappelig wurde.
Fürwahr, man hatte schon bessere Zeiten erlebt. Wenn der Neger an die Vergangenheit dachte, dann tauchte immer wieder das Gesicht des Seewolfs vor seinem inneren Auge auf. Der Seewolf war es, dem man seiner Meinung nach die ganze Misere zu verdanken hatte. Er war schuld daran, daß die Black Queen und er nicht längst die ganze Karibik beherrschten.
Zum Teufel,