Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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      „Wo ist denn das Gespenst?“ lallte er.

      „Hier“, sagte Hasard und tauchte wie ein Schatten neben ihm auf. Ein Hieb, und der Kerl fiel ebenfalls in sich zusammen wie ein leerer Mehlsack. Gary „behandelte“ ihn sofort weiter.

      „Hoffentlich merken die Beutelschneider an Land nicht, daß ihre Kumpane nicht zurückkehren“, sagte Gary.

      Doch der Seewolf winkte ab.

      „Wahrscheinlich fällt es gar nicht auf. Bei einem solch wüsten Gelage haben die Besseres zu tun, als sich um Wachablösungen zu kümmern. Nur die Black Queen – zum Teufel –, ich glaube, die ist ebenfalls betrunken, anders kann ich mir ihre Nachlässigkeit nicht erklären.“

      Stenmark, Blacky und Smoky kehrten von der Durchsuchung des Zweideckers zurück.

      „Wen haben wir denn da?“ Smoky deutete auf die beiden besinnungslosen und gefesselten Gestalten. „Hat sich der Kerl auf der Back plötzlich verdreifacht?“

      „Das sind nur zwei nette Besucher“, erwiderte Hasard, „die wollten hier unbedingt ein Gespenst fangen.“

      „Verstehe“, sagte Smoky und grinste von einem Ohr zum anderen. „Sie scheinen ihm begegnet zu sein.“

      „Habt ihr noch jemanden gefunden?“ fragte Hasard.

      Smoky schüttelte den Kopf.

      „Es ist wirklich niemand mehr an Bord. Dafür aber gibt es jede Menge Dreck. Sogar die Kammer der Black Queen stinkt vor Schmutz. Außerdem sieht es dort aus, als habe man das Weibsstück ganz plötzlich aus der Koje gezerrt.“

      „Was soll das nun wieder heißen?“ Der Seewolf warf ihm einen verwunderten Blick zu.

      „Nun“, fuhr Smoky fort, „es liegen dort weggefetzte Decken herum, außerdem Arzneien und Verbände. Ein wertvoller Zinnbecher kullert auf den Planken hin und her, der Inhalt ist dem Geruch nach verschüttet worden.“

      Hasard fand dafür auch keine Erklärung.

      Jetzt meldete sich Stenmark zu Wort.

      „Es wäre ungerecht, Sir, zu sagen, wir hätten nur Dreck gefunden, denn der Schatz, den wir unter der Kapitänskammer in einem Stauraum entdecken haben, war pieksauber und stank auch nicht. Wenn du das Zeug siehst, Sir, haut es dich glatt aus den Stiefeln.“

      „So?“ meinte Hasard. „Nun ja, ich werde ihn mir später ansehen.“ Er war zur Zeit gar nicht so sehr an Schätzen interessiert, dafür aber gingen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. Irgendwie konnte er sich noch keinen Reim auf das Ganze bilden.

       7.

      Das wüste Gelage, das die Schnapphähne von der „Caribian Queen“ in dem winzigen Fischerdorf feierten, tobte jetzt schon die dritte Nacht. Den wenigen männlichen Bewohnern, die den brutalen Überfall überlebt hatten, und den gepeinigten Frauen saß immer noch die Angst im Nacken. Es blieb ihnen nur die Hoffnung, daß bald die letzte Ziege geschlachtet und die letzte Flasche Rum geleert war. Wenn es absolut nichts mehr zu holen gab, würden die Kerle vielleicht verschwinden – ein verwüstetes Dorf und geschändete Frauen und Mädchen in völliger Armut zurücklassend.

      Bis jetzt dachten die Piraten aber noch nicht daran, das Freß- und Saufgelage zu beenden. Noch immer herrschten Angst und Grauen zwischen den armseligen Lehmhütten.

      Casco, der bullige Kreole, griff nach einer riesigen Hammelkeule und biß hinein, daß ihm das Fett vom Kinn tropfte. Während des Kauens nickte er dem verlotterten Gesindel zu, das sich um die Feuer geschart hatte.

      Einige der Kerle versuchten zu tanzen, obwohl ihnen das nur torkelnd gelang, andere trieben derbe Scherze und brüllten dazu vor Begeisterung. Die meisten soffen alles in sich hinein, was sie ergattern konnten und johlten und sangen hinterher.

      Die Frauen, von denen die meisten während des Überfalls Angehörige verloren hatten, wurden immer wieder gezwungen, an den Tänzen teilzunehmen. Dazwischen mußten sie sich um die Feuerstellen, das Fleisch und die Getränke kümmern. Wenn sie sich weigerten, wurden sie brutal geschlagen.

      Als Casco die Hammelkeule vertilgt hatte, warf er die Knochen einfach ins Feuer. Dann nahm er einen irdenen Krug und goß sich Rotwein in die Kehle.

      Nachdem er sich die fettigen Lippen mit dem Handrücken abgewischt hatte, griff er nach Pepita, dem dunkelhäutigen Mädchen mit den großen Rehaugen. Sie war schlank, hatte langes, pechschwarzes Haar und war höchstens zwanzig Jahre alt.

      „Jetzt bist du wieder an der Reihe, Schätzchen“, sagte er, „sonst beschwerst du dich am Ende noch und meinst, ich hätte dich vernachlässigt. Komm nur her, du Katze!“

      Mit einem anzüglichen Grinsen zog er das zitternde Mädchen zu sich heran. Daß ihr dabei ein halbvoller Weinkrug, den sie für ihn zur Verfügung halten mußte, aus der Hand fiel und zerbrach, störte ihn nicht im geringsten.

      „Laß mich los, du Scheusal!“ rief Pepita und schlug ihm in ihrer Verzweiflung beide Hände ins Gesicht.

      Doch Casco lachte nur roh. Erst als ihm Pepita mit aller Kraft die Fingernägel durch das Gesicht zog, stieß er sie mit einem wilden Fluch von sich und befühlte seine Wangen. Als er Blut an seinen Händen sah, stemmte er sich vom Boden hoch, um dem davoneilenden Mädchen nachzujagen.

      „Warte, du elende Hure!“ brüllte er. „Das wirst du mir büßen!“

      Casco hatte jedoch noch keine zehn Schritte unter dem Gelächter seiner Kumpane zurückgelegt, da brach völlig überraschend und unerwartet die Hölle über die Piratenbande herein.

      Plötzlich krachten Schüsse durch die Dunkelheit, und einige der Schnapphähne brachen tot zusammen. Auch Casco hätte es um ein Haar erwischt, wenn er sich nicht geistesgegenwärtig auf den Boden geworfen hätte.

      Eine ganze Anzahl der betrunkenen Piraten begriff trotz der Schüsse noch nicht, was geschah. Die Kerle grölten einfach weiter, während andere plötzlich stocknüchtern wurden und zu ihren Waffen griffen.

      Zwischen dem Krachen der Pistolenschüsse dröhnte jetzt ein vielstimmiges „Ar-we-nack!“ durch das Dorf.

      Casco war der erste, der begriff, mit wem er es zu tun hatte, und diese Erkenntnis ließ ihn in der Tat Pepita augenblicklich vergessen.

      „Zu den Waffen!“ brüllte er, daß sich seine Stimme überschlug. „Das sind die verdammten Kerle von der Schlangen-Insel! Los, zeigt’s den Hunden!“

      Er selber riß seine Steinschloßpistole aus dem Gürtel, spannte den Hahn und feuerte sie ziellos auf einen Schatten in der Dunkelheit ab. Doch der erwartete Aufschrei blieb aus, und Casco schleuderte die nun wertlos gewordene Waffe auf die Erde, um nach seinem Säbel zu greifen.

      Ja, innerhalb von Sekundenschnelle war tatsächlich der Teufel los. Dan O’Flynn und Ferris Tucker waren sofort nach der Rückkehr der großen Jolle mit zwanzig Männern aufgebrochen, um den Beutegeiern von der „Caribian Queen“ kräftig einzuheizen, und zwar ohne jegliches Pardon – wie der Seewolf aufgetragen hatte.

      Keiner der Piraten hatte bemerkt, daß ein Stück oberhalb des Dorfes und noch weit außerhalb des Feuerscheins, der schwerbewaffnete Trupp an Land gegangen war. Der Lärm, den sie veranstalteten, hatte sich für die Arwenacks und Kolberger als äußerst nützlich erwiesen. Sie hatten sich unbemerkt zwischen den Lehmhütten verteilt, um das Kommando Dan O’Flynns abzuwarten.

      Bevor er jedoch das Zeichen zum Angriff gegeben hatte, hatte Dan mit seinen scharfen Augen nach der Black Queen und Caligula Ausschau gehalten. Er konnte sie jedoch nirgends entdecken. Er vermutete deshalb, daß Caligula nach seiner Flucht aus dem Stadtgefängnis von Havanna noch nicht hier aufgetaucht war. Nur das Fehlen der Black Queen blieb ein Rätsel für ihn.

      Dennoch – ein Zurück gab es nicht mehr, die üble Mörderbande mußte aufgerieben werden.

      Auf Dans


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