Seewölfe Paket 20. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.befestigt war. Das dumpfe Geräusch, mit dem sich der Haken hoch oben im Holz der Heckgalerie verkrallte, war kaum zu hören.
Hasard überprüfte kurz die Festigkeit des Hakens, dann enterte er gewandt wie eine Katze auf. Oben angelangt, umwickelte er seine Pistole mit einem dicken Tuch und schlug eines der Heckfenster ein. Nachdem sich immer noch nichts rührte und auch im Inneren der Achterdeckskammer, zu der das Fenster gehörte, alles still blieb, zog Hasard kurz an der Leine.
Gary Andrews, Stenmark, Blacky sowie Smoky, der seine Gunnhild mit Little Smoky auf der Schlangen-Insel in guter Obhut wußte, enterten jetzt ebenfalls die „Caribian Queen“.
Als sie die Heckgalerie betraten, war Hasard bereits in der dunklen Fensteröffnung verschwunden. Die Arwenacks folgten ihm, ohne zu zögern.
Der Zweidecker schien tatsächlich unbewacht zu sein. Wahrscheinlich waren die Kerle samt und sonders an Land gegangen, um an dem Gelage teilzunehmen. Aber das sollte Hasard nur recht sein.
Das Fenster, durch das sie eingestiegen waren, gehörte zu einer komfortabel ausgestatteten Achterdeckskammer, die allerdings in einem wüsten Zustand war. Gegenstände waren über die Planken verstreut, überall roch es nach verschüttetem Rum.
Während Smoky und Gary den Raum zum Schott hin absicherten, stieg Hasard noch einmal durch die Fensteröffnung und gab den in der Jolle wartenden Männern das vereinbarte Zeichen zum Ablegen.
Die Jolle wurde eilig zur „Pommern“ zurückgepullt.
6.
Philip Hasard Killigrew und seine vier Begleiter wunderten sich über den Zustand, in dem sich die „Caribian Queen“ befand. Schon die Achterdeckskammern sahen verwahrlost aus. Das war selbst im schwachen Mondlicht, das durch die Butzenglasscheiben hereindrang, zu erkennen.
Hasard wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, daß hier etwas nicht stimmte, denn gleich, durch welche Räumlichkeiten und Gänge sie schlichen, es bot sich ihnen fast überall das gleiche Bild der Unordnung. Außerdem stank es penetrant nach Dreck, Schweiß und Rum.
Auch draußen auf den Decks, die sie ungehindert erreichten, sah es nicht anders aus. Taue lagen überall herum, Fallen waren nur nachlässig aufgeschossen, und auf den Planken fand sich überall Dreck und Unrat.
Am schlimmsten stank es in der Kombüse. Smoky, der gleich den anderen Männern eine schußbereite Pistole in der Hand hielt, wandte sich angewidert ab.
„Ein richtiger Schweinestall“, flüsterte er und erntete mit dieser Bemerkung ein reges Kopfnicken.
Hasard war sehr verwundert. Daß die „Caribian Queen“ ein solch stinkender Dreckskahn war, hatte er nicht erwartet, denn das alles paßte nicht zu der schwarzen Piratin, die so ein eisernes Regiment führte. Sollte er sich in dieser Frau so getäuscht haben? Hatte er es die ganze Zeit über mit einer Schlampe zu tun gehabt? Das war für ihn unvorstellbar.
Während sich Gary, Stenmark und Blacky noch auf der Kuhl aufhielten, trennten sich Hasard und Smoky nach der Kombüsenbesichtigung, um zur Back aufzuentern. Hasard nahm den Backbordniedergang, Smoky den Steuerbordniedergang. Nahezu gleichzeitig gelangten sie oben an und blieben wie angewurzelt stehen.
Beide vernahmen ein Geräusch, das sich wie ein lautes Schnarchen anhörte. Das war es in der Tat auch. In unmittelbarer Nähe des Fockmastes lag ein dürrer Kerl auf den Planken, hatte den Kopf gegen eine Taurolle gelehnt und schlief. Neben ihm lag ein leerer Weinkrug. Ein säuerlicher Geruch verriet, daß ein Teil des Weines verschüttet worden war.
Rasch sahen sich die beiden Männer um, doch es war weit und breit kein weiterer Schläfer zu entdecken. Der Kerl schien tatsächlich allein zu sein. Statt Ankerwache zu gehen, hatte er sich offenbar betrunken und war dann eingeschlafen.
Hasard und Smoky verständigten sich mit einem kurzen Blick. Smoky deutete stumm mit dem Zeigefinger auf sich, und der Seewolf nickte grinsend.
Smoky erreichte den Schläfer mit einigen schnellen Schritten, ohne daß dieser etwas bemerkte.
Der bullige Decksmann von der „Isabella IX.“ packte seine Steinschloßpistole am Lauf, bückte sich und klopfte dem Schnarcher freundschaftlich auf die Schulter. Aber das führte zu gar nichts. Smoky rüttelte und schüttelte den Kerl nun, da endlich hörte das Schnarchen auf. Es folgte ein Gurgeln, Schmatzen und Schlucken, dann riß der dürre Kerl die Augen weit auf.
„Guten Abend“, sagte Smoky mit einem freundlichen Grinsen, „bin ich hier richtig auf der ‚Caribian Queen‘?“
Die Antwort bestand zunächst aus einem völlig verständnislosen Blick, doch dann schien dem Schnapphahn irgendwo im Oberstübchen ein Licht aufzugehen. Jedenfalls wollte er jetzt blitzschnell aufspringen.
Aber damit war Smoky nicht einverstanden.
„Am besten, du schläfst weiter, Freundchen“, sagte er und hieb mit dem Griff der Pistole zu.
Der Kerl sank ächzend auf die Planken zurück und schlug mit dem Hinterkopf auf hartes Holz statt auf die weichere Taurolle.
Hasard konnte sich ein lautloses Lachen nicht verkneifen. Smoky zog sein Messer, schnitt ein Stück Tau ab, fesselte den Kerl und stopfte ihm schließlich einen Knebel in den Mund.
„Wahrscheinlich war er der einzige“, sagte Hasard mit gedämpfter Stimme. „Trotzdem finde ich es merkwürdig, daß die Queen plötzlich so unvorsichtig ist und nur einen Kerl als Ankerwache zurückgelassen haben soll.“
„Und der pennt hier noch selig“, ergänzte Smoky und rieb sich die Hände. „Was tun wir jetzt, Sir?“
„Wir gehen auf Nummer Sicher“, erwiderte Hasard und enterte zusammen mit Smoky wieder zur Kuhl ab. Dort winkte er Gary, Blacky und Stenmark herbei und schilderte ihnen in kurzen Worten, was sich auf der Back zugetragen hatte. „Gary und ich machen die Drehbassen schußklar“, fuhr er fort. „Wenn es den Kerlen einfällt, zu ihrem Dreckskahn zurückzukehren, werden wir sie damit zur Hölle schicken. Sten, Smoky und Blacky – ihr setzt die Durchsuchung des Schiffes fort. Seid aber äußerst sorgfältig, denn es ist durchaus möglich, daß irgendwo noch einer der Kerle steckt, der uns verraten kann. Achtet auf jede Kleinigkeit.“
„Aye, Sir“, sagte Stenmark, „falls wirklich noch einer da ist, wird er uns nicht durch die Lappen gehen.“
Die drei Männer verschwanden, während der Seewolf zusammen mit Gary an den schwenkbaren Geschützen hantierte.
Noch während sie mit den Drehbassen des Achterdecks beschäftigt waren, stieß Hasard Gary plötzlich an und deutete wortlos auf ein Beiboot, das, mit zwei Kerlen besetzt, von einem Steg ablegte und auf die „Caribian Queen“ zuhielt.
„Das ist offenbar die Wachablösung“, sagte Gary. „Jedenfalls sind die Kerle dafür in der richtigen Verfassung.“
So war es auch. Die beiden Schnapphähne alberten und grölten in ihrem Boot herum, ohne Zweifel waren sie stockbetrunken.
„Wir werden sie gleich gebührend empfangen“, sagte Hasard. „Am besten, wir verholen uns schon zur Kuhl.“
Die Jolle mit den lachenden und Witze reißenden Schnapphähnen schor nach einer Weile längsseits. Sie wurde an der Jakobsleiter vertäut.
Einer der Kerle turnte nach oben und schwang sich über das Schanzkleid. Damit war das Festgelage für ihn beendet, denn der Seewolf erwartete ihn. Ein Pistolengriff traf ihn wie ein Keulenschlag am Schädel und ließ ihn lautlos zusammensinken.
Gary schnappte sich den Kerl, fesselte und knebelte ihn und zog ihn hinter die Nagelbank des Großmastes.
Zur selben Zeit preite Hasard den im Boot wartenden Burschen an.
„Na los!“ rief er. „Enter auf! Deine Hilfe wird gebraucht. Es gibt hier nämlich ein Gespenst!“
Der Kerl kicherte und war viel zu betrunken, um zu erkennen, daß es sich um eine fremde Stimme handelte.