Seewölfe Paket 22. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.solange sie sich nicht gegenseitig die Schädel einschlugen. Und so etwas würden sie zur Zeit gewiß nicht anfangen, denn mit knurrendem Magen hatte man erfahrungsgemäß andere Gedanken im Kopf als unsinnige Keilereien.
3.
Sir Robert Monk hatte das Geschehen beobachtet und begann, gezielte Überlegungen anzustellen, was die Lage im allgemeinen und ihn persönlich betraf.
Sein Gesicht war verquollen. Er konnte die Schrammen und Platzwunden fühlen, aber er hatte längst aufgegeben, sie immer wieder zu betasten, wie das die anderen taten, die jammernd und wehklagend in seiner Nähe hockten.
Natürlich war den Decksleuten der Kragen geplatzt, als man an Bord der sinkenden „Dragon“ verlangt hatte, bevorzugt zur Insel übergesetzt zu werden. Da hatten diese strohköpfigen Narren eben ihre Fäuste gebraucht und sämtliche Gentlemen kurzerhand über Bord befördert.
Sir Robert hatte seine Schrammen und Beulen allerdings nicht jenem blasierten Verhalten zu verdanken, das die anderen sieben der Clique an den Tag gelegt hatten. Nach dem gescheiterten Enterunternehmen gegen die „Orion“ und während des anschließenden Angriffs des Zweideckers hatte er sich schwimmend den Weg zum rettenden Ufer freikämpfen müssen.
Seine inzwischen getrocknete Kleidung hatte er wieder angezogen. Besonders vor der Sonne mußte man die empfindliche Haut schützen. Darin unterschied sich Sir Robert nicht von den übrigen Gentlemen. Wo man gezwungen war, unbedeckte Haut der Außenluft preiszugeben, schützte man sie tunlichst mit einer Schicht Puder.
Bedauerlicherweise waren nun aber mit der „Dragon“ auch alle persönlichen Sachen der Gentlemen untergegangen, so auch die Vorräte an Puder, die man aus England mit auf die Reise genommen hatte.
Harte Zeiten standen bevor. Ungeschützt würde man widrigen Witterungseinflüssen ausgesetzt sein. Eine Tatsache, die üble Launen hervorrufen würde, unter denen dann wiederum die mehrköpfige Dienerschaft der acht Gentlemen zu leiden hatte.
Keiner von ihnen zeigte allerdings auch nur das geringste Bedauern darüber, daß Sir Henry, Duke of Battingham, nicht mehr unter ihnen weilte. Vermißt wurde er von niemandem, und im Grunde konnte man der rätselhaften Korsarin nur dankbar sein, daß sie diesen Schwachkopf mit seinem ewigen Gekreisch fortgeschafft hatte.
Als Führer des Verbandes, wie ihm das in seinen krankhaften Hirngespinsten vorschwebte, hatte Sir Henry nie eine Rolle gespielt. Denn die Qualitäten dafür fehlten ihm. Wenn man ihn hatte faseln lassen und zum Teil auf seine idiotischen Anweisungen eingegangen war, dann eben nur deshalb, weil er das Karibik-Unternehmen finanziert hatte.
Insofern war er für den verblichenen Sir Andrew und die übrigen Gentlemen nichts weiter als ein Mittel zum Zweck gewesen. Niemand hatte Grund, ihm eine Träne nachzuweinen. Seine Person war in höchstem Maße überflüssig geworden. Überdies war sich in der augenblicklichen desolaten Situation ohnehin jeder selbst der Nächste.
Sir Robert Monk war keineswegs entgangen, wie Charles Stewart begonnen hatte, seine Pläne für die weiteren Schritte in die rechten Bahnen zu leiten. Äußerst clever war es gewesen, die beiden Goldkisten Sir Henrys zu vereinnahmen. Neidlos mußte Sir Robert anerkennen, daß er sich nicht geschickter hätte verhalten können.
Die Crew der „Dragon“ verfügte nur noch über drei Jollen, und eine davon betrachtete Stewart sozusagen als seinen Privatbesitz. Ebenso hatte Sir Robert bemerkt, daß Stewart den hirnlosen Doherty auf seine Seite gezogen hatte und ihn nun als Leibwächter betrachtete.
Es bestand durchaus die Möglichkeit, daß dieser Stewart in noch größerem Ausmaß Gerissenheit bewies und die Gunst der Stunde zu nutzen verstand – was bedeuten konnte, daß außer ihm und der Killigrew-Meute alle anderen das Nachsehen hatten.
Sir Robert war indessen nicht der Typ, der sich gern in eine aussichtslose Position manövrieren ließ. Meist geschah so etwas aufgrund eigener Untätigkeit. Sir Robert kannte sich selbst schließlich gut genug, und so wußte er auch, worin er sich von der adligen Nichtstuer-Clique unterschied.
Als einziger war er bereit und in der Lage, Belastungen zu ertragen oder sogar bewußt in Kauf zu nehmen, wenn sie durch das angestrebte Ziel gerechtfertigt wurden. Die übrigen Gentlemen konnten sich gerade dazu aufraffen, beim Essen das Besteck zum Mund zu führen. Manchmal fragte sich Sir Robert ernsthaft, warum sie sich nicht auch noch von ihren Dienern füttern ließen.
Er war indessen stolz darauf, daß man ihm den Charakter eines eiskalten Rechners nachsagte. Wobei jene, die ihn kannten, natürlich auch nicht übersahen, daß ein gehöriger Schuß Abenteuerblut in seinen Adern floß.
Zur letzteren Eigenschaft gehörte auch seine Neigung zum Falschspiel. Mit den präparierten Würfeln hatte er Sir Henry während der Fahrt über den Atlantik gehörig geschröpft, und als der Dummkopf ihn schließlich zum Duell gefordert hatte, war es nur aus alkoholseliger Großmäuligkeit geschehen.
Erst einmal wieder nüchtern, hatte Sir Henry natürlich aus Unpäßlichkeit nicht an dem Duell teilnehmen können. Bedauerlicherweise war die Schiffsbesatzung dadurch auch um ein Schauspiel gebracht worden, das Sir Robert ihr gern geboten hätte.
Sir Robert Monk hatte bislang mit keinem darüber gesprochen, warum er sich dem Karibik-Unternehmen angeschlossen hatte. Sein Ziel war von Anfang an gewesen, mit einer fetten Beute nach England zurückzukehren. So hatte er zwar vorgegeben, an der Jagd auf Philip Hasard Killigrew ebenfalls interessiert zu sein. Doch in Wahrheit ging es ihm nur um dessen legendäre Schätze. Was sich davon abzweigen ließ, mußte man auf die elegante Art und Weise zum persönlichen Vorteil auf die Seite schaffen.
Wenn es dann gewissermaßen außer der Reihe noch so eine famose Gelegenheit gab wie die Galeone „Santa Cruz“, dann konnte man gar nicht anders handeln als Sir John Killigrew, der sich mit der Goldladung im Bauch der „Lady Anne“ schleunigst abgesetzt hatte.
Allerdings hatte der alte Killigrew den Fehler begangen, nicht sofort nach England zurückzusegeln. Solche Fehler entstanden eben oft dann, wenn man sich zu sehr dem Alkohol hingab. Sir Robert wußte von sich selbst, daß er stets nüchtern zu denken pflegte – und das in jeder Beziehung.
Auch in der augenblicklichen Situation verschwendete er seine Gedanken weniger auf die Frage, wie man es am besten anstellte, am Leben zu bleiben. Viel wichtiger erschien ihm, über die „Lady Anne“ und ihre Ladung nachzudenken. So wartete er geduldig ab, bis sich eine erste Gelegenheit ergab, Sondierungsgespräche zu führen. Dies war der Fall, als Charles Stewart die träge Runde auf der Lichtung verließ, um noch einmal nach seinen Goldkisten zu sehen.
Sir Robert erhob sich und tat, als recke er sich voller Behagen. Scheinbar planlos stelzte er ein paar Schritte hin und her und erweiterte schließlich seinen Bewegungsbereich, bis er wie zufällig in die Nähe von O’Leary schlenderte.
Sir Robert blieb stutzend stehen, als erinnere er sich unvermittelt an den Mann.
„Begleiten Sie mich ein Stück?“ sagte er höflich. „Ich möchte mir ein bißchen die Beine vertreten, aber nicht schutzlos der Wildnis preisgegeben sein.“
„Warum nehmen Sie nicht Ihren Diener mit?“ entgegnete O’Leary grinsend, und die anderen lachten rauh.
Sir Robert ließ sich nicht aus der Fassung bringen.
„Ein Diener als Leibwächter?“ entgegnete er und lächelte dabei. Zufrieden bemerkte er, daß seine Worte den Stolz der rauhbeinigen Kerle wachkitzelten. Natürlich fühlten sie sich geschmeichelt, wenn man zu erkennen gab, daß man ihre besonderen – und wahrscheinlich einzigen – Fähigkeiten zu schätzen wußte. Das galt auch für O’Leary. „Also gut“, sagte er brummend. „Kann nicht schaden, sich ein bißchen zu bewegen – noch dazu in so erlauchter Gesellschaft.“ Er blickte beifallheischend in die Runde, und prompt lachte die Killigrew-Meute denn auch wiehernd los.
Wenig später erreichten sie die Nebenlichtung, und O’Leary blieb stehen.
„Sie haben doch etwas im Sinn“, sagte er rundheraus. „Daß Sie