Seewölfe Paket 1. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.schön“, sagte Hasard und hatte einen Kloß im Hals.
„Das sein Nuva“, sagte Batuti. „Sie gehören dir, Ssör.“
Diese Nuva – o verdammt – war ein Weib, das ganze Völkerstämme verrückt machen konnte. Vielleicht wußte sie das auch. Sie blickte aus verschleierten Augen zu Hasard hoch, den Kopf ein ganz klein wenig schiefgeneigt, aber ihr Nacken war kerzengerade. Ihre rechte Hüfte war etwas vorgeschoben, einladend zu einem Spiel, das so alt war wie die Menschheitsgeschichte. Ihr Körper war immer noch nackt, Tropfen perlten wie winzige Sterne an ihm hinunter.
Das, genau das war eine Situation, auf die kein Vater seinen Sohn und kein Lehrer seinen Schüler jemals vorbereitete. Sir John Killigrew schon gar nicht. Und wenn, dann war diese schwarze Venus ja schließlich eine Wilde, eine Wilde aus einem Urwald, den noch kein Weißer so richtig ergründet hatte. Man munkelte so allerlei, aber man wußte nichts.
Hasard befand sich in einer ausweglosen Situation. Und er war sich sehr klar darüber, daß er sehr gern wollte, aber nicht durfte. Er tat das – zunächst –, was alle Männer in ausweglosen Situationen zumeist tun. Er räusperte sich. Räuspern ist immer gut.
Er sagte: „Äm – ähem ...“
Worauf die Venus die linke Hüfte vorschob.
Aus den Augenwinkeln sah der Seewolf, wie seine Männer verstohlen grinsten. Er räusperte sich noch einmal, warf den verdammten Kerlen einen wütenden Blick zu, wobei ihm die verrücktesten Dinge durch den Kopf schossen, setzte zu einer Antwort an – und da rettete ihn buchstäblich in letzter Sekunde die „Santa Barbara“.
„Barcelona – ho!“ brüllte Ben Brighton, „Bitte Leinen wahrnehmen!“
Hasard zuckte entschuldigend mit den Schultern, wandte sich um und sah aufatmend, wie Backbord achteraus die „Santa Barbara“ unter dem Großsegel heranglitt, das aber im selben Moment aufgegeit wurde.
„Leinen wahrnehmen!“ rief Hasard seinen Männern zu.
Mit auslaufender Fahrt ging die „Santa Barbara“ bei der „Barcelona“ längsseits. Sie fuhren Leinen aus, um die beiden Schiffe miteinander zu vertäuen.
„Alles klar?“ fragte Ben Brighton. Er stand auf der Steuerbordseite des Achterdecks und schaute zu Hasard hinüber.
„Nichts ist klar“, sagte Hasard wütend. „Schau mal auf die Kuhl dieser verdammten Galeone.“
Ben Brighton trat weiter vor und äugte hinüber. Und dann ruckte er verblüfft wieder zu Hasard herum.
„Ich werd verrückt“, sagte er fassungslos. „Da sind ja Weiber an Bord – und noch dazu nackt ...“ Er machte den Hals lang und äugte wieder auf die Schönheiten.
Im Licht der Fackeln sah Hasard, daß sein Bootsmann ziemlich rot wurde.
„Verguck dich nicht“, sagte Hasard bissig. Sein Blick fiel auf Smoky, den Kutscher, Donegal Daniel O’Flynn, auf Pete Ballie und Gary Andrews und den dicken Lewis Pattern, den er in seine fünfzehnköpfige Mannschaft als Segelmacher aufgenommen hatte. Sie alle standen auf der Kuhl der „Santa Barbara“ an Steuerbordseite und hielten mit glotzenden Augen Maulaffen feil.
„Bootsmann“, sagte Hasard höhnisch, „könntest du wohl mal deine Männer da auf der Kuhl ein bißchen auf Trab bringen? Es gibt noch ’ne Menge zu tun. Ich möchte, daß sämtliche Spanier hier in den Frachtraum der ‚Barcelona‘ gebracht werden. Dann müssen wir die Mannschaft aufteilen, sieben Männer kommen zu dir, sieben zu mir. Die Neger verteilen wir ebenfalls. Die siebzehn Frauen bleiben bei mir an Bord. Ich werde ihnen das Vorschiff zuweisen.“
„Aye, aye, Sir. Und dann?“
„Steuern wir die Azoren an und setzen die Neger dort an Land“, sagte Hasard verbissen. „Oder dachtest du, ich nehme sie nach Plymouth mit?“
Ben Brighton zögerte. Dann sagte er: „Kapitän Hawkins und Kapitän Drake würden das aber tun. Für Schwarze kriegt man viel Geld.“
Zum erstenmal, seit der Seewolf die „Santa Barbara“ übernommen hatte, verlor er die Beherrschung.
„Ich bin aber weder Kapitän Hawkins nach Kapitän Drake!“ schrie er seinen Bootsmann an. „Ich bin kein Sklavenhändler, hast du mich verstanden?“
„Aye, aye, Sir, Verzeihung, Sir.“ Ben Brighton verschwand wie der Blitz vom Achterdeck der „Santa Barbara“. Und dann brachte er die glotzenden Männer auf Trab, daß es nur so rauchte.
9.
Klettern können die Burschen, dachte Hasard, die reinsten Äffen.
Er stand auf dem Achterdeck der „Barcelona“ und beobachtete, wie Ferris Tucker und Smoky mit den Schwarzen in den Wanten und auf den Rahen herumturnten. Die schwarzen Söhne Afrikas wurden in der Handhabung der Segel unterwiesen.
Immerhin war das Ben Brightons Vorschlag gewesen. Hasard wandte den Kopf und blickte über die glitzernde See. Steuerbord achteraus segelte die „Santa Barbara“. Auch dort wurden die Neger mit praktischer Seemannschaft beschäftigt.
Den Kerkules Batuti hatte Hasard bei sich an Bord. Die Sache mit der schönen Nuva war zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Hasard seufzte und riskierte einen Blick zum Vorschiff. Dort saßen die siebzehn Schönheiten und schnatterten wie eine Affenherde. Sie schienen sich herrlich zu amüsieren, kicherten, zeigten mehr von ihrer nackten Schönheit, als in England erlaubt war, wo man sich bis oben hin zuschnürte, und ließen sich den Wind um die Nase wehen.
Nuva kämmte ihr Haar mit einem hölzernen Kamm. Sie saß aufrecht im Schneidersitz seitlich zu Hasards Blickrichtung, und das Profil ihres Körpers war atemberaubend. Der Blick, den sie Hasard plötzlich über die linke Schulter zuwarf, war fast wie ein Dolchstoß.
Hasard wandte sich abrupt um und stiefelte zur Heckgalerie, von dort zur Backbordseite, hinüber auf die Steuerbordseite, wieder zurück zum Heck.
Er hatte sechzehn Neger an Bord und die siebzehn Töchter Afrikas. Auch auf der „Santa Barbara“ befanden sich sechzehn Neger.
Gut, sie würden die Azoren anlaufen und dort die Schwarzen an Land setzen. Dann mußte Ferris Tucker darangehen, einen neuen Fockmast für die „Santa Barbara“ herzurichten.
Und wo sollte er mit den gefangenen Spaniern hin?
In dem dumpfen Loch des Frachtraums der „Barcelona“ hockten sechsunddreißig Dons. Juan Descola, dieser schwarze Hundesohn, hatte sechs Stunden gebraucht, um den Frachtraum leerzupumpen. In diesen sechs Stunden war er mehrere Tode gestorben, denn Matt Davies hatte ihm keine Sekunde Ruhe gegönnt. Als der Capitan den Frachtraum leergelenzt hatte, war er an der Pumpe zusammengebrochen, und sie hatten ihn zu der Ladeluke tragen müssen.
Hasard hatte nicht das geringste Mitleid mit ihm. Außerdem war der Frachtraum jetzt geradezu ein paradiesischer Aufenthalt im Gegensatz zu früher. Die Dons selbst hatten ihn reinigen müssen. So penetrant wie zuvor roch es nicht mehr. Zweimal am Tag durften die Dons zu zweit an Oberdeck und gewissermaßen aufs Töpfchen.
Das „Töpfchen“ war eine Segeltuchpütz, eine Sensation für die Schwarzen, die denn auch mit der Naivität von Kindern den wütenden Dons interessiert zuschauten, wenn’s soweit war.
Hasard stieg hinunter in die Kapitänskammer, in der er mehrere Seekarten gefunden hatte. Dieser Capitan Descola mochte ein elender Menschenschinder und Sklavenhändler sein, aber als Navigator und Seemann war er beste Klasse. Auf der einen Karte mit der Westküste Afrikas und Spaniens hatte er den letzten Schiffsort eingetragen – dort auf diesem Punkt, wo die „Santa Barbara“ mit dem „Leck“ beigedreht und um Hilfe gebeten hatte.
Hasards Finger fuhr in nordwestlicher Richtung zu den Azoren. Er beugte sich über die Karte. Ja, er würde die westlichste Insel – Flores – ansteuern. Über ihr, etwa acht Meilen entfernt, lag die winzige Insel Corvo. Auf ihr würde er zuerst die Spanier absetzen.