Seewölfe Paket 16. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Im übrigen hatte er aber noch nicht einmal für nötig befunden, den Grund seines Besuches anzudeuten, der den Seewölfen ja ohnehin längst bekannt war. Also schalteten sie anfangs auf freundliches und ablehnendes Bedauern zugleich.
„Verehrter Sir Hasard“, sagte der Marquess so freundlich, daß es die Seewölfe bis in die Sohlen ihrer Stiefel erschütterte. Er sagte tatsächlich „Verehrter Sir Hasard“, niemand hatte sich verhört. „Es gab ein paar unredliche Worte zwischen uns, die, so hoffe ich, sich inzwischen erledigt haben. Man muß auf beiden Seiten nachsichtig sein.“
Paddy Rogers, der neben Smoky stand und seinen Gehirnkasten anstrengte, um das Gehörte zu verdauen, stieß den Decksältesten fragend an und flüsterte leise: „Waren das denn unredliche Worte, Smoky? Ich dachte, der verehrte Sir Hasard hat diesem Schelm die Faust auf die Nase gesetzt und ihn halbtot geprügelt. Und das nennt der unredliche Worte.“
„Das ist sozusagen ein Gespräch auf höherer Ebene“, erwiderte Smoky, „da gibt man nicht einfach zu, daß man sauer aufeinander ist und der eine dem anderen was in die Schnauze geschlagen hat. Da drückt man sich eben vornehmer aus.“
„Dann hat er ihm also unredlich was aufs Maul gegeben?“
„Genau so war es, Paddy. Aber jetzt halt mal deinen Schnabel, sonst muß ich auch unredlich werden.“
Hasard blieb abwartend, kühl und überlegen stehen, ein riesiger schwarzhaariger Kerl, gegen den der Marquess verkümmert und mickrig wirkte. Der Seewolf gab auch vorerst keine Antwort, er hörte sich den ganzen Sermon gelassen an. Noch war es nicht die Zeit, um explosiv zu werden und aus der Haut zu fahren.
„Tja, ähmm, es ist nun an der Zeit, eine gütliche Einigung zwischen uns zu treffen. Ich will Ihnen auch nicht verhehlen, daß ich in geheimer und eiliger Mission hier bin. Ein dringlicher Auftrag Ihrer Majestät sozusagen.“
„Dafür habe ich Verständnis“, sagte Hasard. „Wenn diese Mission aber so eilig ist, verehrter Marquess, warum zögern Sie dann so lange? Sie hätten längst auslaufen müssen. Ihre Majestät schätzt Verzögerungen bei eiligen Missionen nicht sonderlich.“
Der Hieb traf den Marquess zwar hart, aber er hatte eine Antwort.
„Im Grunde genommen sind Sie daran schuld“, sagte er und drohte Hasard ein wenig vorwurfsvoll mit dem behandschuhten Zeigefinger. „Sie wollten Ihr Schiff ja nicht ausliefern. Durch ein Unglück ist eine meiner Galeonen leider verbrannt.“
„Auch dafür haben Sie mein volles Verständnis“, sagte Hasard, „und aus eben jenem Grund bot ich Ihnen die ‚Hornet‘ an, eine seetüchtige Galeone, die da drüben liegt. Was hätten Sie denn getan, wenn ich jetzt zufällig kein Schiff gebaut hätte, verehrter Marquess? Dann wäre vermutlich Ihre ganze Mission gescheitert.“
Der Marquess blies die Wangen auf und schluckte. Es schien für ihn sehr schwierig zu sein, darauf eine Antwort zu finden, und so begann der erste Teil seiner Beherrschung langsam abzublättern wie alte Farbe.
„Spitzfindigkeiten, Spitzfindigkeiten sind das. Darum geht es doch gar nicht. Es geht um …“
Sein Mund blieb offen, als er Arwenack sah, den Bordschimpansen, der wegen der Kälte dickes Leinenzeug trug und aus der Ferne verblüffend einem Schiffsjungen ähnelte. Arwenack lief gerade aus der Kombüse und trug mit schaukelndem Seemannsgang eine Kokosnußhälfte in den Händen. Damit wollte er wahrscheinlich zur Messe. Als er jedoch die Abordnung an Land sah, blieb er stehen, und jeder der Seewölfe verwettete das Schiff darauf, daß Arwenack diese Abordnung ebenso unsympathisch fand. Er spürte deutlicher als Menschen Zuneigung oder Abneigung. Übertraf die Abneigung einen gewissen Punkt, dann feuerte er mit dem, was er gerade in die Hände kriegte.
Carberry verhinderte das Unglück gerade noch.
„Um Himmels willen“, stöhnte er unterdrückt, „du wirst doch dem Kerl die Nuß nicht an die durchlauchte Hirnschale feuern!“
Das daraufhin einsetzende Grinsen über Eds sonderbare Ausdrücke vermochte sich der Marquess nicht zu erklären, aber zum Glück bezog er es nicht auf sich persönlich.
Carberry brachte den Schimpansen schnell zur Messe, wo auch der Aracanga Sir John hockte und bei Eds Eintreten einen ellenlangen, obszönen Fluch vom Stapel ließ. Gelernt war eben gelernt, und der Lehrmeister sauste sofort wieder an Deck zurück.
„Ich brauche das Schiff“, erklärte der Marquess jetzt drastischer. „Und ich kann meine kostbare Zeit nicht länger verplempern. Trotzdem werden wir versuchen, uns gütlich zu einigen.“
Hasards Augen wurden langsam schmal. Er sah den frierenden Marquess und all die anderen ehrenwerten Herren, deren Gesichter vor Kälte langsam bläulich anliefen. Sie wollten das Verfahren abkürzen, denn vor der Kälte schützte auch eine durchlauchte Haut nicht.
„Und ich verwies Sie bereits ein paarmal auf die ‚Hornet‘, die sich in einwandfreiem Zustand befindet. Wir wollen auch nicht weiter hin und her reden, verehrter Marquess, denn das führt zu nichts. Ich gebe das Schiff nicht her, trotz aller schönen Worte nicht. Das ist, wie ich schon einmal erwähnte, meine letzte und endgültige Entscheidung in diesem Fall, und ich fühle mich nicht verpflichtet, Ihnen die Gründe darüber klarzulegen.“
„Ich requiriere hiermit aber das Schiff!“ schrie der Marquess. „Hier und auf der Stelle! Im Namen der Königin!“
„Sie haben nichts Schriftliches“, sagte Hasard kalt. „Auch ich kann mich auf die Königin berufen. Wir haben unseren Anteil der Krone immer abgeliefert, und aus dem uns zustehenden Rest haben wir dieses Schiff alle zusammen finanziert. Jetzt ist das Schiff fertig, und wir werden damit in See gehen. Sollten Sie mir jedoch ein Pergament mit dem königlichen Siegel zeigen können, das Sie ermächtigt, dieses Schiff in Ihre Flotte einzureihen, dann werde ich mich selbstverständlich dem Wunsch Ihrer Majestät beugen und gehorchen.“
Die Männer auf dem Kai wurden immer unruhiger. Die Kapitäne der Galeonen sahen verbiestert vor sich hin, während der Friedensrichter die Hände rang und voller Leid stöhnte.
„Sir Hasard!“ rief er. „So einigen Sie sich doch. Vielleicht erhalten Sie Ihr Schiff nach der Mission des Marquess wieder zurück. Wir versuchen, einen gütlichen Weg zu finden, der beiden Teilen gerecht werden kann.“
„Sprechen Sie nicht mehr von Gerechtigkeit, Friedensrichter“, sagte Hasard schroff. „Die ist längst aus Plymouth geweht, seit der edle Herr ein Auge auf die ‚Isabella‘ geworfen hat.“
„Aber bedenken Sie seine Reputation bei Hofe“, sagte der Friedensrichter,
„der Marquess gehört Kreisen an …
„Die sich alles herausnehmen können oder das jedenfalls glauben. Und bei aller Reputation haben Sie noch nicht einmal eine königliche Schriftrolle vorzuweisen. Sehen Sie das, wie Sie wollen, Friedensrichter. Ich sehe es von der Seite, daß sich der Marquess mit aller Gewalt in dieses Schiff verbissen hat wie ein störrisches Kind.“
„Wie wagen Sie den durchlauchten Marquess zu benennen!“ schrie nun der Stadtvogt. „Reden Sie ihn gefälligst mit den Titeln an, die ihm auch zustehen.“
„Aber gewiß doch“, sagte Hasard höhnisch. Und nun erlebten die Seewölfe ihren Kapitän einmal anders, allerdings so hohnvoll, daß die anderen rot anliefen.
„Verzeihen Euer Gnaden untertänigst“, sagte Hasard, „aber ich beliebe keinesfalls dem ehrenwerten vortrefflichen Herrn mein Schiff auszuliefern. Halten zu Gnaden, Sir. Mein Allervortrefflichster wird sich nun wohl hinwegbemühen müssen und seinen durchlauchten Leib in die Kutsche schwingen, denn es gibt nichts mehr zu besprechen. Halten zu Gnaden, Sir, auch wenn Euch nicht der Schalk im Auge sitzt.“
Der Marquess, der sich verhohnepiepelt fühlte, lief knallrot an.
„Das ist ja nur ein Haufen aufrührerischer und pöbelnder Halunken!“ schrie er voller Wut. „Das Maß ist jetzt voll! Voll, sage ich!“
„Voll sagt er“, wiederholte Smoky grinsend.
„Ganz