Seewölfe Paket 16. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Brighton, Jan Ranse und Paddy Rogers standen da, Pistolen in den Fäusten, und belauerten vorsichtshalber das Deck, denn da war ja immer noch die Mannschaft, auf die sie nicht zählen konnten und von der keiner genau wußte, wie sie sich verhalten würde.
Die Männer unternahmen jedoch nichts. Gelassen sahen sie der Auseinandersetzung zu, ohne eine Hand zu rühren.
„Der ehrenwerte Earl scheint sich großer Beliebtheit zu erfreuen“, sagte Roger Brighton höhnisch. „Keiner rührt auch nur einen Finger für ihn.“
„Nix wundern bei solche Saukerl“, meinte Batuti. „Behandeln alle Leute schlecht, drum Leute nix für ihn tun.“
Sie sahen wirklich mit einer fast heiteren Gelassenheit zu, wie das Achterdeckspersonal vermöbelt wurde. Ein paar der Kerle grinsten, andere drehten sich um, als hätten sie überhaupt nichts bemerkt, und ein paar weitere rieben sich schadenfroh die Hände und knufften sich vor Freude in die Seiten.
Auch die Kanoniere legten ihre Luntenstöcke weg. Viel mehr interessierte sie die „Isabella“, die gerade dabei war, aufzukreuzen, um der „Goliath“ wieder aufzusegeln.
„Feuert, ihr Hunde!“ rief der Earl mit kreischender Stimme, der immer noch in Shanes eisenhartem Griff hing, jetzt aber den letzten Versuch unternahm, seine Haut noch einmal zu retten.
„Jawoll, Meister“, sagte Luke respektlos, „wir feuern schon.“
Und dann explodierte seine Faust im durchlauchten Magen des Earls, der in Shanes mächtigen Pranken zusammenbrach. Von einem vornehmen Herrn konnte keine Rede mehr sein, denn nun sahen seine Kleider ziemlich mitgenommen aus, und sein Gesicht war käsig und leicht grünlich.
„Aber Luke“, sagte Shane vorwurfsvoll. „Beinahe hättest du mir eine geballert. So geht man doch nicht mit seinen Kameraden um.“
„Verzeihung untertänigst, Sir“, sagte Luke, „aber ich wollte immer schon mal einem adligen Stiesel von so miesem Charakter eine feuern.“
Einer der anderen Chargen regte sich ebenfalls auf, obwohl eine Pistole auf ihn gerichtet war und er mit halb erhobenen Händen in der Nähe des Ruders stand.
„Das wird euch das Leben kosten“, sagte er heiser vor Wut. „Ganz gewöhnlicher Schiffspöbel wagt es, die Hand gegen den Adel zu erheben. Ihr werdet alle in England am Galgen enden, ihr Halunken.“
„Wie belieben zu meinen?“ fragte Carberry drohend. „Habe ich eben Halunken gehört, du kraftloses Rübenschwein? Glaubt ihr durchlauchten Affenärsche eigentlich, daß wir ständig auf uns herumtrampeln lassen, was, wie, du kalfaterte Bilgenlaus, du vornehme?“
Bei jedem „Was, wie“ stieß er dem Uniformierten den Zeigefinger vor die Brust und brachte ihn zum Stolpern. Und immer, wenn der Kerl sich verzweifelt und den Tränen nahe wieder aufrichtete, stieß dieser Zeigefinger erneut zu, bis es nicht mehr weiterging und der Uniformierte mit dem Oberkörper auf dem Schanzkleid hing.
„Dir zieh ich gleich das Leder von deinem adligen Affenarsch“, fluchte der Profos. „Und ich bringe dir auch ein paar Ausdrücke bei, die du nur kichernd hinter vorgehaltener Hand flüstert, du quergeriggte Hofschranze, was, wie!“
Auch der Earl quiekte noch einmal, los, aber als Big Old Shane ihn ein ganz klein wenig anhob, da hörte das Quieken wegen Luftmangels auf, und der Earl nahm seine käsige Farbe wieder an.
Immer noch rührte kein Mann von der Besatzung einen Finger. Sie wußten noch nicht, wie dieses höllische Spiel enden würde, denn sie kannten Hasards Pläne nicht, und darum verhielten sie sich so, daß man ihnen später nicht allzuviel anlasten konnte, falls sich das Blättchen wendete.
Aber es wendete sich nicht, denn jetzt segelte die „Isabella“ immer weiter auf, mit ausgerannten Kanonen näherte sie sich von Backbord, bis zwei Enterhaken herüberflogen und sich im Schanzkleid verkrallten.
Gleich darauf wurden beide Schiffe vertäut, es gab einen kaum spürbaren Ruck, dann segelten sie langsam weiter.
Der Earl wurde noch bleicher, als er den Seewolf sah. Da keine Gefechtsbereitschaft bestand, weil sich von der „Goliath“-Besatzung niemand bewegte, verließ Hasard das Achterdeck und sprang auf die Kriegsgaleone hinüber.
Sie hatten das Häuflein Offiziere auf dem Achterdeck zusammengetrieben, ebenso die anderen Chargen wie Bootsmänner, Quartermaster und ein paar Midshipmen, die kleinlaut und verängstigt herumstanden.
„Sie wollten doch nur gutes und bestes Material“, sagte der Seewolf höhnisch zum Earl of Cumberland. „Das habe ich Ihnen geschickt. Hoffentlich waren Sie mit den Männern zufrieden. Laß ihn los, Shane“, sagte er im selben Atemzug.
„Ich hoffe“, sagte der Earl zitternd, „Sie sind sich der ganzen Tragweite dessen bewußt, was Sie getan haben. Man wird Sie über alle Meere der Welt jagen, Mister Killigrew, und wird …“
„Keine Diskussion, Verehrtester“, sagte Hasard. „Diesmal befehle ich, Sie haben nichts mehr zu melden. Von mir wird Gewalt, wie Sie sie ausüben, mit Gewalt beantwortet. Wir sind nicht die Hampelmänner einer adligen Clique. Sie werden jetzt Ihren Leuten befehlen, daß sie ein Boot zu Wasser lassen. In dieses Boot werden Sie sich selbst scheren und Ihre Chargen mitnehmen, alle, ohne Ausnahme. Dann werden Sie sich schnellstens entfernen. Pullen Sie nach Schweden oder sonstwohin, meinetwegen auch nach Deutschland, es interessiert mich nicht. Geben Sie jetzt Ihren letzten Befehl. Wie Sie das irgendwann einmal bei Hofe darstellen, interessiert mich ebenfalls nicht.“
„Das werden Sie nicht wagen“, sagte der Earl heiser. Er wich weiter zurück und sah Hasard fassungslos an.
Der Seewolf hatte mit einer kaum sichtbaren Bewegung den Degen aus der Scheide gezogen. Die Spitze stand direkt vor dem Gesicht des Grafen.
„Geben Sie diesen letzten Befehl“, sagte Hasard mit kalter klirrender Stimme, „oder soll ich Sie vor allen Leuten mit dem Degen hier Stück für Stück entkleiden? Also los!“
Dem Earl trat das Wasser in die Augen, als er mit kaum vernehmbarer heiserer Stimme den Befehl gab.
Diesmal flitzten seine Leute so schnell wie noch nie in ihrem Leben. Das Manöver „Boot zu Wasser“ ging fast noch schneller vonstatten als bei den Seewölfen, und das wollte etwas heißen.
„Die Midshipmen zuerst, du auch, du Schnösel!“ fuhr Hasard den hochnäsigen Midshipman an, der so arrogant über ihn weggesehen hatte.
Jetzt zitterte das Bürschchen vor Angst am ganzen Leibe und hatte schon die Hosen voll. Trotzdem glaubte er, den Helden spielen zu müssen, und riß noch einmal das Maul auf.
„Sie werden hängen!“ schrie er gellend.
Luke Morgan klebte ihm ganz vorsichtig eine. Der Schwung trieb den Burschen direkt bis ans Schanzkleid, und als Luke drohend auf ihn zutrat, da flitzte das Bürschchen zitternd ab und sauste ins Beiboot, wo es ganz artig auf der Ducht Platz nahm.
Die Mannschaft sah zu, diesmal nicht gelassen, sondern total begeistert. Mann, waren das Kerle! Ein Dutzend von ihnen räumte so mir nichts, dir nichts einfach mal eben das Achterdeck ab und hatte Minuten später schon das Schiff in der Gewalt. Das Ansehen der Arwenacks stieg deutlich sichtbar und sprunghaft an.
Shane hielt den Earl wieder fest, denn er wollte jetzt in seiner grenzenlosen Angst auskneifen, als er als letzter an Deck stand. Die anderen nahmen schweigend im Boot Platz wie eine Horde Aussätziger.
„Wird’s bald, mein Lieber?“ sagte Hasard. „Oder warten Sie auf eine Eskorte?“
„Sir, Sie dürfen das nicht tun. Ich werde mir den Tod holen. Sie müssen mich an Bord …“
Das waren des Earls letzte Worte, die er auf der „Goliath“ sprach, denn Hasard nickte Shane nur kurz zu, und der graubärtige Riese hievte den zappelnden Earl einfach hoch und warf ihn über Bord.
„Das spart ihm das mühevolle Abentern“, sagte Shane trocken.
Unten zogen sie den klatschnassen Grafen aus dem Wasser. Die Midshipmen griffen