Seewölfe Paket 17. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.an und pirschten weiter. Sie arbeiteten sich an dem Verschlag vorbei, in dem die Pferde gestanden hatten, und dann langten sie an der hinteren Gebäudeseite an, die über ein einziges winziges quadratisches Fenster verfügte.
Hasard beobachtete die Fenster der Front. Er konnte weder eine Bewegung registrieren noch ein Geräusch wahrnehmen. Alles war still – zu still.
Er verließ die Deckung hinter dem Baumstamm, schlug einen Haken, lief zur Hütte und ließ sich fallen. Mit der Muskete im Anschlag überrollte er sich zweimal, dann lag er unmittelbar an der Mauer. Jetzt kroch er unter dem einen Fenster vorbei und erreichte die Tür. Er drehte sich zu Nils und zu Philip junior um, bedeutete ihnen durch eine Geste, daß noch alles in Ordnung sei, und drückte gegen die Tür.
Zu seinem Erstaunen war sie nicht verriegelt. Er konnte sie mit den ausgestreckten Fingern seiner rechten Hand aufstoßen. Sie quietschte in ihren rostigen Angeln – spätestens jetzt hätten die beiden Kerle alarmiert sein müssen.
Hasard federte vor, rammte die Tür mit der Schulter auf und warf sich in den Baum. Er ging zu Boden, rollte sich ab, sprang wieder auf und riß die Muskete hoch. Dann stieß er einen scharfen Pfiff aus.
Nils, Philip junior und Plymmie hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und stürmten auf die Front der Hütte zu. Nils hielt eine Muskete, der Junge hatte ein Tromblon in den Fäusten. Plymmie raste an ihnen vorbei, sprang ins Innere der Hütte und langte bei Hasard an, der jedoch keine Unterstützung brauchte. Es blieb immer noch alles ruhig.
Batuti, Matt und Hasard junior, denen der Pfiff in erster Linie gegolten hatte, waren an dem rückwärtigen Fenster und streckten ihre Waffen in den Raum. Knackend spannten sich die Waffenhähne.
Hasard blickte zu der offenen Kellerluke. Ein furchtbarer Verdacht stieg in ihm auf. Sollten die beiden Kerle von Panik erfaßt worden sein? Hatten sie sich ihrer Geiseln entledigt, um anschließend zu fliehen?
Die leeren Schnapsflaschen, die auf dem Boden lagen, entgingen ihm nicht. Im betrunkenen Zustand konnten die beiden Kerle die Beherrschung und die Kontrolle über ihre Reaktionen verloren haben. Sie waren zu allem fähig. Vielleicht hatten sie sich einen Spaß daraus bereitet, Dan und Piet niederzuschießen.
Entschlossen trat Hasard auf die Luke zu. Er blickte nach unten und konnte im Halbdunkel die Umrisse einer Gestalt erkennen, die reglos auf dem Boden des Kellers lag. Sein Herz schlug schneller und heftiger, der Atem drohte ihm zu stocken.
Mit einem Satz landete er im Keller, beugte sich über den Mann und drehte ihn auf den Rücken. Dann atmete er auf. Er untersuchte ihn genau, sah sich im Keller um, fand die Überreste von Stricken und begriff.
»Was ist?« rief Nils. »Hölle, so sag doch was, Sir!«
»Ich habe Bruno von Kreye gefunden«, sagte der Seewolf.
»Sehr gut«, sagte Matt Davies grimmig. »Er wird als erster hängen.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Hasard ruhig. »Es wäre auch eine überflüssige Mühe. Sein Genick ist bereits gebrochen.«
»Das geschieht ihm recht«, sagte Batuti. »Ob es wohl Dan war, der ihn erledigt hat?«
»Batuti, versuche doch mal, die Spuren zu lesen und den Fall zu rekonstruieren«, sagte Hasard.
Der Gambia-Mann ging an die Arbeit. Auch die anderen forschten überall nach Spuren. Und die gab es reichlich: Schon nach kurzer Zeit hatten sie alles untersucht und konnten sich zusammenreimen, was geschehen war.
»Dan und Piet haben sich von ihren Fesseln befreit«, sagte der Seewolf. »Es muß eine, verzwickte Arbeit gewesen sein, aber sie haben es dank ihrer Ausdauer geschafft. Und dann?«
»Dann überwältigten sie Bruno von Kreye, während Erich noch weg war«, erwiderte Nils. »Dabei muß die Kellerstiege zu Bruch gegangen sein.«
»Ja«, sagte der Gambia-Mann, der inzwischen draußen gewesen war und jetzt in die Hütte zurückkehrte. »Saxingen, der Schweinehund, traf auch ein und gab einen Schuß auf die Hütte ab. Dan oder Piet feuerte zurück. Dann haute von Saxingen ab in Richtung Wald, und Dan und Piet ritten ebenfalls mit zwei Pferden los: So muß es gewesen sein.«
»Na gut«, sagte der Seewolf, und seine Miene verhärtete sich wieder. »Dann wissen wir ja, was wir jetzt zu tun haben.«
»Soll ich die Pferde aus dem Wald holen, Dad?« fragte Philip junior.
»Ja, und zwar sofort. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir brechen sofort wieder auf und folgen der Fährte.« Hasard trat zu Plymmie und tätschelte ihren Hals. »Wenn wir nicht mehr weiter wissen, wird unsere junge Lady uns schon helfen, nicht wahr?«
Plymmie blickte zu ihm auf und winselte. Sie war sich der Bedeutung ihrer Aufgabe bewußt, ihr geschärfter Instinkt verriet ihr, daß es um Leben und Tod ging.
9.
Wie Schatten huschten die Bäume des Waldes an Dan O'Flynn und Piet Straaten vorbei. Der Pfad, auf den sie gestoßen waren, führte sie nach Süden, sie hatten keinerlei Mühe, seinem Verlauf zu folgen. Manchmal schob sich das Dickicht von links und rechts dicht zusammen und ließ nur noch einen schmalen Spalt als Öffnung frei. Doch Dan und Piet ritten hintereinander, kamen immer wieder durch und behinderten sich gegenseitig nicht.
Ganz unvermittelt öffnete sich der Wald, und sie preschten auf freies Gelände hinaus. Es ging eine Anhöhe hinauf, deren Kuppe mit Büschen bestanden war. Dan hatte die Kuppe kaum erreicht, da sah er Erich von Saxingen auch schon vor sich. Er trieb sein Pferd nach Süden, war nur knapp eine halbe Meile entfernt und schickte sich eben an, von einer Senke aus einen flachen Hang hinaufzureiten, der wiederum einen Hügel bildete.
Dann winkte er Piet zu, sich zu beeilen. Piet traf ein, sie jagten in die Senke hinunter und versuchten, den Abstand zwischen sich und Erich weiter zu verringern. Sie dachten noch nicht daran, auf ihn zu schießen. Es war zu früh. Erst wenn die Entfernung auf weniger als hundert Yards zusammengeschrumpft war, konnten sie es versuchen, dann bestand die Aussicht, ihn mit einer gut gezielten Kugel aus dem Sattel zu holen.
Von Saxingen wandte sich zu ihnen um, mit einem Blick über seine rechte Schulter entdeckte er sie. Er hätte eine Reitpeitsche in der Hand und hieb auf die Hinterhand seines Tieres ein. Doch schneller vermochte das Pferd nicht zu laufen. Er hatte schon das Äußerste an Energie aus ihm herausgeholt, das Tier war erschöpft, sein Leib war schweißbedeckt, und erste Schaumflocken traten ihm vor das Maul und flogen an Erich vorbei.
Er fluchte, schrie und prügelte, aber er konnte das Schicksal nicht mehr beeinflussen. Zug um Zug holten die Verfolger auf. Als er sich wieder zu ihnen umdrehte, konnte er ihre Gesichter bereits in aller Deutlichkeit erkennen.
Sie saßen ihm jetzt hart auf den Fersen. Die Jagd führte quer durch das Gelände, weiter südwärts und dann, als Erich plötzlich einen Haken schlug, um sie abzuhängen, nach Osten.
Dan und Piet hatten den Vorteil, ausgeruhte Pferde unter sich zu haben. Sie konnten noch einiges an Kraft aus ihnen herausholen, aber sie warteten damit.
Das Ende der Jagd schien unmittelbar bevorzustehen. Von Saxingen stöhnte vor Panik und Entsetzen auf. Er konnte sich ausrechnen, was sie mit ihm tun würden. Er ritt durch Büsche und an Bäumen vorbei, schlug noch einen Haken, hatte aber wieder keinen Erfolg damit – sie blieben ihm hartnäckig auf den Fersen und ließen sich nicht irreführen.
Eine Falle konnte er ihnen nicht mehr stellen. Er hätte vorher daran denken sollen, als er noch im Wald gewesen war. Doch sein einziges Bestreben war darauf gerichtet gewesen, zunächst so viel Distanz wie möglich zwischen sich und die Hütte zu legen. Danach hatte er den Wald umrunden und von Norden her zu dem Köhleranwesen zurückkehren wollen.
Erst jetzt ging ihm richtig auf, wie falsch er sich verhalten hatte. Er verfluchte sich selbst, aber auch das nützte ihm wenig. Er jagte durch einen Bach und durchfurtete ihn, doch Dan und Piet blieben wieder dicht hinter ihm und verloren ihn nicht aus den Augen. Er tauchte in einem Gehölz unter, ritt im Schutz der Bäume und des Unterholzes nach Süden,