Seewölfe - Piraten der Weltmeere 99. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 99 - Roy Palmer


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war, jetzt ein Rettungsmittel. Anfeuernde Rufe tönten von der „Isabella“ herüber. Hasard hörte Carberrys, Ben Brightons und Dan O’Flynns Stimmen heraus.

      Es wäre heller Wahnsinn gewesen, ein Boot zur Übernahme der beiden Männer abzufieren. Es wäre sofort gekentert.

      Ben Brighton ließ deshalb beidrehen, soweit das im Orkan möglich war, und rief: „Werft Taue aus!“

      Der Seewolf sah, wie die Taue flogen und ins Wasser klatschten. Er ließ den Mast wieder los, weil er sich zu weit von der „Isabella“ entfernte, nahm Ferris in Schlepp und schwamm rücklings auf sein Schiff zu.

      Es wurde ein Unterfangen, das ihn beinah umbrachte. Er schluckte Wasser und spie es wieder aus, litt Atemnot und japste unter der Last des bewußtlosen Schiffszimmermanns. Ferris Tucker war ein wuchtiger Mann mit einem Kreuz „so breit wie ein Rahsegel“. Er drohte wie ein Bleigewicht in die Tiefe abzusacken und seinen Kapitän dabei mit zum Ersaufen zu bringen.

      Aber plötzlich lag da ein Tampen in Griffnähe, und Hasard streckte die Hand danach aus. Er kriegte ihn zu fassen und krallte sich fest. Das Tau war wie ein Lebensnerv, der, einmal verloren, einmal durchtrennt, nicht wiedererlangt werden konnte.

      „Aufhieven!“ brüllte Carberry. „Hievt an, ihr Himmelhunde, schuftet, daß die Schwarte kracht, oder ich zieh sie euch in Streifen ab! Jawohl, diesmal tu ich’s wirklich, das schwöre ich euch!“

      Ein Ruck lief durch das Tau, und der Seewolf brauchte plötzlich nicht mehr zu kämpfen, um an der Wasseroberfläche zu bleiben. Die Männer zogen ihn, er glitt auf die „Isabella“ zu. Brecher überspülten ihn und Ferris Tucker, aber es kümmerte ihn nicht mehr. Hier hatte nur noch das eine Wert: so schnell wie möglich an Bord der Galeone zu gelangen.

      Die Bordwand der „Isabella“ war eine tödliche Mauer, an der man zerschellen konnte. Ben Brighton ließ die beiden. Schiffbrüchigen zwar in Lee übernehmen, aber die Brecher rollten von allen Seiten gegen das Schiff an. Die Gefahr, sich die Knochen zu brechen, bestand also auch hier.

      Hasard gab den Männern ein Zeichen, dann knüpfte er das Tau kurzerhand um Ferris’ Oberkörper fest. Er war froh, daß er es fertiggebracht hatte, lachte wild und bedeutete der Crew durch eine Gebärde, den rothaarigen Riesen hochzuziehen.

      Ferris erhob sich wie ein Klotz aus den Fluten und baumelte über ihm. Unter Carberrys Hau-ruck-Rufen schwebte er ziemlich rasch hoch. Die „Isabella“ krängte nach Steuerbord, und er drohte hart gegen die Backbordseite zu schlagen, aber die Männer konnten die Bewegung im Tau auffangen und dämpfen. Ferris prallte zwar gegen die „Isabella“, wurde aber nicht verletzt. Hastig hievten die Männer ihn vollends hoch.

      Hasard hielt alle viere von sich gestreckt und rauschte auf die Bordwand seines Schiffes zu. Er setzte auf, begann zu kriechen und enterte auf diese Weise tatsächlich allmählich auf. Er rutschte aus, strauchelte fast, fluchte, gab aber nicht auf.

      Zwei Taue flogen, Ben Brighton hatte sie neu werfen lassen. Eins davon ergriff der Seewolf, als sich die „Isabella“ wieder auf die Backbordseite legte. Er klammerte sich fest, verlor den Kontakt zur Außenhaut, schwebte frei und drohte in die See hinabgestoßen zu werden.

      Die Crew feuerte ihn wieder an, und er klomm an dem Tau hoch, daß selbst Arwenack darüber gestaunt hätte. Hände schoben sich ihm entgegen, packten sein Tau, holten es hoch, griffen auch nach ihm, hatten ihn endlich im Griff und zogen ihn über das Schanzkleid auf die Oberdecksplanken.

      Sie banden ihn fest. Keine Sekunde zu früh, denn schon donnerte der nächste Brecher über Deck. Hasard setzte sich am Schanzkleid auf, hielt sich fest und blickte zu Ferris Tukker.

      Shane und Ben Brighton hatten Ferris rasch an einer Nagelbank festgezurrt und hielten ihn noch zusätzlich fest. Die Gestalt des Rothaarigen war nach wie vor schlaff. Er regte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Es schien kein Leben mehr in ihm zu stecken.

      Unter schwierigsten Bedingungen transportierten die Seewölfe Ferris Tukker unter Deck. Der Eile halber brachten sie ihn gleich ins Vorschiff, wo der Kutscher seinen Behandlungsraum eingerichtet hatte. Bevor sie Ferris auf einer Koje festbanden, beugte sich der Kutscher, der der Koch und Feldscher der „Isabella“ war, über ihn und lauschte an seiner Brust nach dem Herzschlag.

      „Er lebt“, sagte er. „Ich kann das Herz nur ganz schwach hören, aber, Hölle und Teufel, unser Zimmermann scheint durch nichts kleinzukriegen zu sein.“

      „Was machen wir mit ihm?“ sagte der Profos. „Wir können ihn doch nicht einfach so liegenlassen.“

      „Wir müssen ihn wiederbeleben“, entgegnete Hasard. Er hielt sich an der Koje fest. Er stand noch ein bißchen wacklig auf den Beinen, und die wilden Schlingerbewegungen des Schiffes drohten ihn umzureißen. „Er muß opfern, was er bei dem unfreiwilligen Bad in sich ’reinschlingen mußte. Stimmt’s, Kutscher?“

      „Stimmt, Sir.“

      „Hab ich doch gesagt!“ rief Carberry. „Und jetzt laßt mich mal ’ran, ich – ehm – ich wollte sagen, bitte um die Erlaubnis, Tucker wiederbeleben zu dürfen, Sir.“

      „Dann mal los, Ed“, sagte Hasard.

      Carberry hatte eine ganz rüde Methode, so was zu regeln, aber der Seewolf war sicher, daß nur eine so konsequente „Behandlung“ den Mann schnell ins Bewußtsein zurückholen konnte.

      Carberry legte sich den Rothaarigen bäuchlings übers Knie, was bei dem Tanzen und Rollen der „Isabella“ auch nicht gerade leicht war. Ferris reagierte, wie jeder andere es tut, wenn er ein fremdes Knie in der Magengrube hat: er opferte.

      Mehrere Gallonen Seewasser sprudelten in den Raum und verliefen durch die Türritze in Richtung auf den Vordecksgang. Und dann, ja, dann konnten die Männer auch plötzlich wieder lachen, trotz aller Gefahren und trotz des Sturms.

      Ein kleines, zappeliges Lebewesen schoß aus Ferris Tuckers Mundhöhle und landete auf den Planken. Es hüpfte, kam aber nicht vom Fleck.

      „Ein Fisch“, stieß Carberry hervor. „Ich werd verrückt, Ferris hat einen Fisch mit Haut und Gräten gefuttert, bei lebendigem Leib. Mann, muß der einen Kohldampf gehabt haben!“

      Sie lachten und bogen sich vor Vergnügen. Der Kutscher wollte sich den Fisch greifen, rutschte aber aus und stürzte. Er schlidderte quer durch die Kammer, bumste mit dem Kopf gegen die Tür und gab einen Wehlaut von sich.

      Die Männer wollten sich ausschütten vor Lachen, und der Seewolf fiel mit ein, denn dieser ungestüme Heiterkeitsausbruch war gleichzeitig eine Möglichkeit, einen Ablaß für die aufgestauten Sorgen zu finden.

      Der Kutscher drehte sich um, kroch zu dem Fisch und kriegte ihn jetzt doch zu fassen. Carberry schüttelte währenddessen Ferris Tucker wie einen Kartoffelsack, und der gab auch den letzten Rest aller Geheimnisse preis, die er in seinem Magen hütete.

      Auf Hasards Befehl hin ließ der Profos den Schiffszimmermann dann rücklings auf die Planken plumpsen. Der Kutscher kniete sich hin und wollte mit den Wiederbelebungsversuchen anfangen, die er von Sir Anthony Abraham Freemont gelernt hatte, aber Ferris schlug plötzlich die Augen auf.

      „Hey“, sagte er heiser. „Was ist denn hier kaputt? Was ist los, Kutscher? Bist du nicht ganz dicht?“

      Carberry grinste wie der Leibhaftige höchstpersönlich. „Das mußt du gerade sagen. Sieh doch mal, was du alles ausgespuckt hast.“ Al, der den Fisch vom Kutscher übernommen hatte, zeigte das hüpfende Etwas vor.

      Ed Carberry sagte: „Du bist nicht ganz dicht, Ferris. Du hast ein Faß Wasser mit ’nem Hering drin abgelassen.“

      Big Old Shanes Augen glitzerten. Er schaute von Carberry zu Ferris Tukker, sah Ferris’ einmalig verblüfften, fragenden Gesichtsausdruck, lief dunkel an – und prustete los. Es war der auslösende Impuls für die anderen, sie stimmten mit in die Lachsalve ein.

      Ferris zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er streckte die Hand aus, sah Al Conroy an, und der übergab ihm den Fisch. Eine Weile hielt der rothaarige Riese das Tierchen zwischen Daumen


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