Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.habe ich nichts bemerkt, die ganze Reede ist noch voll von Schiffen.“
„Daß Sie davon nichts bemerkt haben“, sagte Hasard süffisant, „kann ich mir lebhaft vorstellen. Sie bemerkten ja auch nichts von dem Angriff der spanischen Kriegsgaleere, obwohl Sie mit Ihrer ‚Dreadnought‘ direkt hinter dem Flaggschiff lagen. Waren eigentlich Ihre Ausgucke besetzt, Mister Seymour?“
Der Kapitän fuhr von seinem Stuhl hoch. „Was erlauben Sie sich …“
„Ruhe!“ Der Admiral pochte energisch mit den Fingerknöcheln der rechten Hand auf die Eichentischplatte. „Ich bitte mir etwas mehr Zurückhaltung aus, Gentlemen, kann aber nicht verhehlen, daß der leise Tadel Kapitän Killigrews in vollem Maße zutrifft. Die Ausgucks Ihrer Schiffe, Gentlemen, haben in sträflicher Weise versagt und ihren Pflichten nicht genügt.“ Er räusperte sich, was bei ihm in der letzten Dreiviertelstunde besonders häufig geschah, und fügte hinzu: „Das gilt natürlich auch für die Ausgucks des Flaggschiffs, nicht wahr, Kapitän Fenner?“
Kapitän Fenner zog den Kopf ein und murmelte: „Jawohl, Sir, ich werde die Burschen zur Verantwortung ziehen.“
„So?“ sagte der Admiral gedehnt und starrte zur Decke hoch. „Ist es bei uns üblich geworden, daß auf unseren Schiffen nunmehr die Ausgucks die Verantwortung für die Schiffsführung übernommen haben, Mister Fenner?“
„N-nein, natürlich nicht, Sir.“ Kapitän Fenner duckte sich noch weiter und warf Hasard einen giftigen Blick zu.
„Sehr schön, Mister Fenner“, sagte der Admiral und schaute immer noch zur Decke hoch. „Dann frage ich mich wirklich, um was Sie sich als Kommandant der ‚Elizabeth Bonaventura‘ eigentlich kümmern, wenn nicht auch um die Überwachung der Pflichten eines Ausgucks.“ Der Admiral nahm den Blick von der Decke und ließ ihn über die betretenen Gesichter seiner Kapitäne wandern. „Ich sagte ‚Überwachung‘, Gentlemen, denn ein Kapitän kann unmöglich Stunde um Stunde jedes einzelne Detail an Bord seines Schiffes überprüfen. Dafür hat er seine Offiziere und seine Maaten, die sein verlängerter Arm sind. Aber wenn diese Männer bereits ihre Pflichten und Aufgaben vernachlässigen – ohne daß es der Kapitän bemerkt –, dann steht es schlecht um das Schiff. Und dann hat der Kapitän versagt, nicht seine Offiziere, Maaten und Seeleute.“
Die Kapitäne des Admirals stierten auf die, Tischplatte oder in ihre Rotweingläser, als gelte es, dort die Rätsel dieser Welt zu ergründen. Hasard saß ruhig zurückgelehnt und fixierte ein an der hölzernen Wandverkleidung fest verschraubtes kleines Ölgemälde, das Ihre Majestät, Elisabeth I., darstellte.
Spöttisch schien sie die sehr ehrenwerten Kapitäne samt Admiral aus ihren dunklen Augen zu mustern.
Na, dachte Hasard, schön bist du nicht, verehrte Lissy, aber doch irgendwie faszinierend, faszinierender als diese Runde von hochnäsigen Gockeln, von denen einige bis auf die Schultern reichende, in zierliche Locken gedrehte Perücken trugen, unter denen es ihnen jetzt bei der Strafpredigt ihres Admirals mächtig heiß wurde.
Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimme des Admirals.
„Oder meint einer der Gentlemen, ihr Admiral sei dafür zuständig, die Ausgucks zu kontrollieren?“
Schweigen, das Stieren auf den Tisch oder in die Rotweingläser wurde noch intensiver.
„Dieser sehr junge Kapitän Killigrew, Gentlemen“, fuhr der Admiral fort, „fragte mich vor etwa einer Dreiviertelstunde, ob die Schiffe Ihrer Königlichen Majestät von England jetzt mit Schlafmützen zur See führen. Mit Schlafmützen!“
„Unerhört!“ murmelte Kapitän Seymour.
„Wie bitte?“ fragte der Admiral.
„Äh – ich finde das unerhört, Sir“, erwiderte Kapitän Seymour gepreßt.
Der Admiral runzelte die Stirn. „Ausnahmsweise haben Sie einmal recht, Mister Seymour. Es ist wirklich unerhört, daß unsere Ausgucks Schlafmützen sind. Es ist nicht nur unerhört, sondern eine Schande. Das meinten Sie doch, nicht wahr?“
Kapitän Seymour wurde rot wie eine überreife Tomate und stotterte: „Nanatürlich, Sir.“
„Natürlich“, sagte der Admiral, und der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören, „Ich danke Ihnen, Mister Seymour, daß Sie das als einziger in dieser Kapitänsrunde so klar und treffend ausgesprochen haben. Sagen Sie, Mister Seymour, wie würden Sie denn nun die Kapitäne bezeichnen, die eine Besatzung von Schlafmützen befehligen?“
Der Kapitän Seymour blieb stumm.
„Nun“, fuhr der Admiral fort und seufzte, „ich bemerke schon, daß ich Sie mit meiner Frage offensichtlich überfordere, Mister Seymour. Es ist ja auch peinlich, sich mit Trottel oder Oberschlafmütze oder Versager bezeichnen zu müssen, nicht wahr?“ Des Admirals Stimme wurde scharf. „Ich stelle folgendes fest, Gentlemen: Vor über einer Dreiviertelstunde verließ eine spanische Kriegsgaleere östlich unseres Standortes den Rio San Pedro und nahm Kurs auf das Flaggschiff. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie gesichtet werden müssen. Nichts davon! Kein Mann an Bord unserer Schiffe, kein Offizier und kein Kapitän hielt es für nötig, einen Blick nach Feuerlee – in diesem Falle nach Osten – zu tun. Ein Schiff, das nicht zu unserem Verband gehört, die ‚Isabella‘ des Kapitän Killigrew, sichtete die Galeere, nahm die Verfolgung auf und konnte buchstäblich im letzten Moment verhindern, daß die ‚Elizabeth Bonaventura‘ gerammt und nach dem Rammstoß geentert wurde. Die Überraschung wäre perfekt gewesen, und ich überlasse es dem Scharfsinn der Gentlemen, darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn die Spanier mich in ihre Gewalt gebracht hätten. Erpressung wäre wohl noch die mildeste Folge gewesen.“
Der Admiral schwieg und seine scharfen grauen Augen wanderten von einem Kapitän zum anderen.
Hasard wunderte sich insgeheim. Merkte keiner der anwesenden Kapitäne, daß der Admiral kräftig dabei war, seine eigene Wäsche weiß zu waschen?
Doch, einer hatte es bemerkt: Viceadmiral William Borough, Kommandant der „Golden Lion“ – nach Hasards Ansicht der beste Seeoffizier in dieser Kapitänsversammlung, ein Mann mit Rückgrat, klarem Verstand und seemännischem Geschick.
Borough sagte mit eisiger Stimme: „Ich darf meine Männer, Offiziere und mich wohl von Ihren Vorwürfen ausklammern, Sir. Zu dem Zeitpunkt, von dem Sie sprachen, stand die ‚Golden Lion‘ im Südkanal zwischen Las Puercas und Cadiz. Die Mündung des Rio San Pedro ist von dieser Position aus nicht sichtbar. Im übrigen haben meine Gefechtsbeobachter den strikten Befehl, den gesamten Rundumbereich ständig unter Kontrolle zu halten. Ich verwahre mich in aller Form dagegen, daß meine Offiziere und Männer als Schlafmützen, Trottel oder Versager bezeichnet werden!“
Der Admiral hatte die Augen zusammengekniffen. „Sie standen im Südkanal, während wir Cadiz beschossen? Verdammt, was hatten Sie da zu suchen, Mister Borough, Sir?“
Der Viceadmiral lächelte kalt. „Die ‚Golden Lion‘ kämpfte die Batterien des Forts San Sebastian nieder, Sir. Es liegt mir nicht, Frauen und Kinder und alte Leute zusammenzukartätschen oder deren Häuser in Schutt und Asche zu legen. Ich kämpfe gegen Soldaten, nicht gegen unschuldige Menschen. Außerdem darf ich Sie wohl daran erinnern, Sir, daß ich Sie bei den letzten beiden Kapitänsbesprechungen hier in diesem Raum danach fragte, wie unser Verband beim Angriff auf Cadiz vorgehen solle. Ihre letzte Antwort lautete: dem Flaggschiff folgen und auf alle Spanier feuern. Nach meiner Auffassung über ein solches Unternehmen ist das eine sehr magere Befehlsausgabe, wobei Ihr Aufmarsch weder voraus noch achteraus noch seitwärts gesichert war. Ich betone in diesem Falle das Wort ‚seitwärts‘, denn die spanische Kriegsgaleere griff Ihr Flaggschiff von der Seite her an.“
„Was soll das heißen?“ fragte der Admiral scharf.
„Das soll heißen, daß Sie es versäumten, für eine genügende Flankensicherung zu sorgen, Sir. Ihre Vorwürfe bezüglich der Ausgucks mögen berechtigt sein, aber wenn Sie in einer Formation segeln, in der Ihre eine Flanke – die Feuerleeseite – ungedeckt ist, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn der Gegner