Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.„Jawohl, Sir.“ Schritte entfernten sich.
Viceadmiral Borough grinste breit. Die anderen Gentlemen saßen wie Holzfiguren. Kapitän Seymour lehnte mit wackligen Knien an dem Stützpfosten. Der Schweiß zog neue, helle Bahnen auf seiner Kopfhaut, tropfte vom Kinn auf den weißen Rüschenkragen und hinterließ dort wiederum dunkle Flecken.
Keuchend sagte der Admiral: „Nehmen Sie diesen Mann fest, Mister Seymour!“
„Er – er bedroht uns mit einer Pistole, unser – unser aller Leben ist in – in höchster Gefahr.“ Jetzt kriegte der Kapitän auch noch Zuckungen im Gesicht.
„Meins nicht“, sagte Viceadmiral Borough gemütlich und streckte die Beine aus.
Der Admiral fuhr zu ihm herum. „Ich befehle Ihnen, diesen Mann festzunehmen, Mister Borough, Sir!“
Der Viceadmiral zuckte mit den Schultern. „Ich sehe keinen Grund, zumal ich der Ansicht bin, daß hier weiß Gott kein Anlaß vorliegt, den sehr ehrenwerten und tapferen Kapitän Killigrew vor ein Bordgericht zu stellen. Kapitän Killigrew ist ein freier Mann und untersteht nicht Ihrer Disziplinarordnung, Sir. Wenn er sich gegen eine Festnahme zur Wehr setzt, dann ist das sein gutes Recht. Ich finde es im übrigen ziemlich beschissen, einen Mann, der Sie und Ihr Flaggschiff gerettet hat, derart zu behandeln. Seymour müßte sich bei Kapitän Killigrew entschuldigen – nicht umgekehrt.“
„Wollen Sie mich etwa belehren?“ fuhr der Admiral hoch.
„So ist es, Sir“, erwiderte Borough ruhig, „denn Ihre Fehler beginnen sich in beängstigender Weise zu häufen …“
Erneutes Wummern unterbrach ihn.
„Carberry zur Stelle, Sir!“ ertönte die mächtige Stimme des Profos.
Hasard schob die beiden Riegel zurück und öffnete das Schott. Carberrys wuchtige Gestalt tauchte auf. Mit einem Blick sah er die Pistole in Hasards Faust – und schon zog er seine aus dem breiten Gürtel.
„Gibt’s Ärger, Sir?“ fragte er beachtlich leise.
„Ein bißchen, Ed. Der Admiral wollte mich festnehmen lassen und vor ein Bordgericht stellen.“ Hasard grinste.
„Der soll bloß“, sagte der Profos drohend und betrat die Admiralskammer. Er hatte keinerlei Hemmungen, und sein Blick war mörderisch, mit dem er die Runde der Kapitäne streifte, bis er den Admiral „ins Visier“ nahm. Da wurde sein Blick nicht nur mörderisch, sondern von greller Wildheit. Und seine massige Gestalt duckte sich, als sei er bereit, wie ein Tiger über den Tisch zu springen, um dem Admiral an die Gurgel zu gehen.
„Immer mit der Ruhe, Ed“, sagte Hasard sanft.
„Wie? Was? Der will dich festnehmen und vor ein Bordgericht stellen?“ grollte der Profos der „Isabella“. „Warum? Weil du und wir sein Scheißflaggschiff davor bewahrten, zur Hölle zu gehen, wo es hingehört?“ Der Profos schlich auf den Tisch zu, und die sehr ehrenwerten Kapitäne drückten sich in ihre Stühle zurück, als sei dieser fürchterliche Profos mit dem häßlichen, zernarbten Gesicht und dem Rammkinn ein Barbier, der mit gewetztem Messer auf ihre Kehlen losging. Und auch der Admiral rutschte mit seinem Stuhl zurück.
Aber Carberry sagte ganz leise und sehr besänftigend: „Hör zu, Mister Drake, Sir, für uns Arwenacks bist du ein paar Nummern zu klein. Uns schaffst du nicht, uns schaffst du niemals, denn sollte Kapitän Killigrew von deinen Rübenschweinen je auch nur ein Haar gekrümmt werden, dann wird jeder Mann der ‚Isabella‘-Crew zur Bestie. Und dann machen wir deine ‚Elizabeth Bonaventura‘ zur Wildsau, die in keine Suhle mehr paßt. Ist das klar?“
„O Gott“, ertönte die Stimme des Kapitäns Seymour, „o Gott, was ist das denn für ein Wüstling?“ Er umklammerte mit nach hinten verschränkten Armen den Sützpfosten, um nicht in die Knie zu gehen.
Carberry fuhr zu ihm herum. „Halt’s Maul, Mister, hier redet der Profos der ‚Isabella‘ …“ Er stutzte und schob den Kopf vor. „Bist du Kapitän oder was?“
„Kommandant der ‚Dreadnought‘, bitte sehr.“
„Scheißschiff, wenn der Kommandant einen Kopf wie eine Jauchetonne hat! Noch nie gewaschen, was, wie? ‚Dreadnought‘? ‚Dreadnought!‘ Lag die nicht hinter dem Flaggschiff, als die Dons mit der Galeere angriffen?“
„Jawohl“, sagte Kapitän Seymour gehorsam, und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte „Sir“ hinzugefügt.
Aber das tat Edwin Carberry, und er wurde plötzlich sehr förmlich.
„Sir“, sagte er, „als zweites Schiff der Linie, das ein Flaggschiff zu dekken hat, hätte man besser eine Kuh hinterhersegeln lassen sollen, die hätte schärfere Augen gehabt!“
Viceadmiral William Borough lachte dröhnend. Die Kapitäne saßen mit verstörten Gesichtern da. Und der Admiral begriff, daß er handlungsunfähig war. Dieser Killigrew hatte ihn elegant ausmanövriert. Nicht nur ihn – die Kapitäne waren wie gelähmt. Ein einziger Mann hatte über zwanzig Kapitäne in Schach gehalten! Nicht einer hatte gewagt, gegen ihn vorzugehen. Er, der Admiral, hatte einen Befehl gegeben und war nicht in der Lage, diesen Befehl auch durchzusetzen.
Und mit dem Erscheinen dieses furchtbaren Carberry hatte sich das Blatt endgültig gewendet. Oder nicht? Sollte er das ganze Schiff alarmieren, um diese beiden Kerle überwältigen zu lassen?
Dieser verdammte Killigrew schien Gedanken lesen zu können, denn er sagte: „Versuchen Sie nicht, uns aufzuhalten oder daran zu hindern, von Bord zu gehen, Sir. Es würde ein Blutbad geben. Nach dem, was mir hier von Ihnen geboten wurde, habe ich keinerlei Veranlassung mehr, auf jemanden Rücksicht zu nehmen. Das ist eine Warnung, eine ernste Warnung, denn im Gegensatz zu Ihren Schlafmützen sind meine Männer zur Zeit gefechtsbereit. Sag’s ihm, Ed, damit er nicht denkt, daß ich bluffe.“
Grinsend erklärte Carberry: „Unser Kapitän hatte so einen Riecher, daß es hier Stunk geben könne. Das ist so seine Art, Unvorhergesehenes möglichst auszuschalten. Nun, alle Waffen der ‚Isabella‘ sind feuerbereit und auf das Flaggschiff gerichtet – nicht auf die Besatzung wohlgemerkt, aber auf so heikle Stellen wie das Ruder oder den Bugspriet, den unser Stückmeister ja bereits einmal mit einem sauberen Schuß abrasierte …“
„Wie bitte?“ fragte Viceadmiral Borough verblüfft. „Sie hatten mit der ‚Elizabeth Bonaventura‘ Gefechtsberührung? Oder habe ich mich verhört, Mister Carberry?“
„Keineswegs, Sir …“
„Das war ein Versehen!“ fiel ihm Admiral Drake schroff ins Wort. „Schweigen Sie, Profos!“
Carberry wirbelte herum und funkelte den Admiral an. „Was soll ich? Schweigen? Hier soll wohl was vertuscht werden? Das könnte dir so passen, Sir! Aber alle sollen es hören, daß du oben bei den Berlenga-Inseln scharf darauf warst, die ‚Isabella‘ zu vernaschen. Aber da kriegte dein Flaggschiff fix was auf die Schnauze, und danach manövrierte dich Kapitän Killigrew auf die Sände, von denen wir dich dann herunterholen mußten, weil ihr es aus eigener Kraft nicht fertig brachtet. Jawohl, so war das, und mit Ruhm beklekkert hast du dich bestimmt nicht, Sir. Und vielleicht darf ich auch daran erinnern, daß die ‚Isabella‘ in der betreffenden Nacht, in der die ‚Elizabeth Bonaventura‘ auf Dreck saß und nicht loskam, vier spanische Galeeren in die Flucht jagte, die dem festsitzenden Flaggschiff zu Leibe rükken wollten!“ Carberry redete sich in Wut. „Seitdem sind wir ständig damit beschäftigt, für dieses verdammte Flaggschiff das Kindermädchen zu spielen und dabei unser Leben zu riskieren. Mir reicht’s, Mister Drake, Admiral, Sir! Bis hier oben steht mir das!“ Carberry deutete den Pegel seines Gemütszustandes in Höhe seines Rammkinns an. „Das schmeckt mir vielleicht! Das Maul aufreißen, meinen Kapitän vor ein Bordgericht stellen wollen! Mir den Mund verbieten!“ Und wieder wurde er förmlich, der Profos. „Was denken Sie eigentlich, wer Sie sind? Vielleicht der liebe Gott? Admiral! Daß ich nicht lache! Da ist mein Kapitän mehr Admiral als Sie. Und weil Sie das wissen, hakken Sie auf ihm herum, Sie Admiral, Sie! Nannten die Spanier Sie jemals ‚El