Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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Papalagi hatte sein Dorf noch lange vor Ankunft der Fremden räumen lassen und war mit seinem Stamm in die Berge gezogen, wohin die Fremden nicht so schnell folgen konnten.

      Dieses Versteck in den Bergen direkt am Vaihiriasee kannte kein Fremder. Der See lag versteckt in einem Gebirgsmassiv mit messerscharfen Graten, schluchtartigen, dicht überwachsenen Tälern und war nur sehr schwer zugänglich. Man erreichte ihn nur von der Küste her über einen versteckten Pfad, der dem Lauf des Vaihiriaflusses folgte.

      Dieser See mit einer Tiefe von nur zehn Yards, war den Insulanern heilig. Von ihm ging die Sage, daß ihn ein riesiger Erdrutsch schuf, der das Hochtal des Vaihiriaflusses abgeriegelt hatte.

      In weiser Voraussicht hatte der Papalagi hier ein paar Hütten bauen lassen.

      Aber es war eben nur ein vorübergehender Zufluchtsort und keine Wohnstätte.

      Zwei junge Männer erklommen den höchsten Berg, von dem aus man den Strand beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Zwei andere Männer gingen mit, und sobald einer hinunterkletterte, um zu berichten, löste ihn der andere ab und nahm seinen Platz ein. So erfuhr der Papalagi immer sehr schnell die Neuigkeiten.

      Der erste Mann kehrte eine halbe Stunde später zurück und trat in den Kreis seiner Stammesbrüder und -schwestern, die sich im Halbkreis um den Papalagi versammelt hatten.

      Der Alte hockte auf dem Boden, hatte die Beine gekreuzt und den Blick auf de Erde gesenkt. Sein Gesicht war verwittert und sein Haar ergraut, aber seine Augen waren noch lebhaft, und sein Verstand funktionierte einwandfrei.

      „Das fremde Schiff läuft in die Okawaibucht ein, Papalagi“, berichtete er. „Es segelt in die Lagune, aber es wird die Einfahrt nicht finden. Ich glaube, es wird vor der Korallenbank liegenbleiben.“

      Der Papalage nickte und starrte weiterhin zu Boden.

      „Gefährlich für die Fremden, wenn der Wind aus Nord weht“, sagte der Papalagi. „Wir haben ihnen nichts getan, wir wollen nichts von ihnen, wir wollen friedlich leben. Jene Männer aber nehmen uns die Frauen und zerstören das, was wir uns aufgebaut haben. Sie stehlen unsere Brotfrucht und überlassen uns dem Hunger. Wir haben keinen Haß gekannt, denn wir sind Brüder, aber die Fremden haben den Haß in unsere Herzen gelegt, und dieser Haß wird auf sie zurückfallen. Ja, er wird auf sie zurückfallen“, wiederholte er ernst.

      „Die Worte des Papalagi sind weise!“ rief eine zahnlose Alte. „Laßt uns für den Papalagi den Segen der Götter erflehen.“

      Sie alle knieten nieder, flehten in einem monotonen Singsang die Inselgötter an und erbaten ihren Segen für den Papalagi.

      Danach erschien der zweite junge Mann und berichtete.

      Einen weiteren hatte der Papalagi zu dem anderen Dorf geschickt, um die Insulaner zu warnen.

      „Ich sah viele Männer mit Helmen auf dem Schiff“, erzählte der junge Mann ruhig. „Sie alle tragen Waffen. Sie haben ihre Segel weggenommen und liegen direkt vor der Korallenbank. Vielleicht wissen sie nicht um die Gefährlichkeit.“

      „Oder die beginnende Dunkelheit hat sie ihren Blicken verborgen“, sagte der Papalagi.

      „Was befiehlst du, Papalagi?“ fragte die zahnlose Alte, die um den Segen der Götter gefleht hatte.

      Das Gesicht des Stammesältesten verzog sich zu Runzeln und Falten. Er wollte etwas sagen, hob den Blick und schaute zum dunkel werdenden Himmel. Da lief ein Grollen durch den Berg, das immer lauter wurde. Der Wind trug den Knall weiter, bis er nach einer Weile schließlich verwehte.

      Die Insulaner sahen sich besorgt und erschrocken an.

      So klangen die Kanonen der Fremden und Piraten, jene Blitz und Rauch spuckenden Waffen, die mit ihrer schrecklichen Kraft alles zermalmten und so unbarmherzig töteten.

      Auch der Papalagi zuckte zusammen, als er dieses furchtbare Geräusch vernahm, das er schon oft gehört hatte.

      Er wartete darauf, daß es sich wiederholen würde, doch dem ersten Knall folgte kein zweiter.

      Gleich erschien atemlos der junge Mann, der vom Berg aus den Strand beobachtet hatte.

      „Sie haben eine unserer Hütten zerstört, Papalagi“, berichtete er. „Es gab einen gewaltigen Blitz, und noch während ich ihn sah, flog Luawas Hütte auseinander.“

      Der Papalagi nickte bitter.

      „Sie treiben es bei uns wie auf Mooréa“, sagte er leise und senkte wieder den Kopf. „Bei Tagesanbruch werden sie die Insel überfallen und uns töten, wenn wir uns zur Wehr setzen. Wehren wir uns nicht, dann nehmen sie alles, was wir haben, ohne Rücksicht. Piratengesindel ist es, Lumpenpack.“

      „Aber was sollen wir tun, Papalagi?“ fragte eine Aualuma. Sie trug lange schwarze Haare, die ihr bis auf die Schultern fielen.

      „Sei still und frage nicht“, zischte die zahnlose Alte. „Der weise Papalagi denkt nach und wartet auf die Eingebung der Götter. Sein Ratschlag wird weise sein wie immer.“

      Schweigen breitete sich aus. Der Papalagi rührte sich nicht mehr. Wie erstarrt stand er da, den Blick zum dunklen Himmel erhoben, und so starrte er in die herannahende Wolkenfront, die sich von See her rasch näherte.

      „Der Gott des heißen Feuers wird heute nacht aus den Wolken sprechen und zürnen“, sagte der Papalagi mit erhobener Stimme. „Aber er wird die Diebe und Plünderer nicht selbst bestrafen für ihren Frevel.“

      Der Papalagi schwieg wieder und überließ es den anderen, mitzudenken. Er deutete immer nur an oder gab nur ganz selten Befehle, er gab Ratschläge, aber er gab sie so, daß die anderen von selbst dahinterkamen, was er meinte. So war es auch diesmal, aber anscheinend begriffen sie es noch nicht so richtig.

      „Der Gott des heißen Feuers hat nicht die Kraft, das Schiff der Plünderer auf die Korallen zu werfen. Er kann das Seil nicht treffen, welches das Schiff am Grunde festhält.“

      „Die Worte des Papalagi sind sehr weise“, sagte die zahnlose Alte wieder. „Begreift ihr denn nicht, was er meint? Wir müssen uns selbst helfen, haben die Götter gesagt. Wenn das Schiff auf die Korallen geworfen wird, zerbricht es und geht zugrunde. Aber das Seil, das es am Grunde hält, muß zerstört werden. Alles andere wird der Gott des Sturmes besorgen.“

      Jetzt wußten sie alle, was gemeint war, und sie begannen damit, dem Papalagi ihre Vorschläge zu unterbreiten. Ganz besonders taten sich dabei die jüngeren Männer hervor.

      „Wenn sie ihr Schiff nicht mehr haben“, sagte einer, „dann können sie auch nichts mitnehmen.“

      „Das ist richtig“, erwiderte der Papalagi, „aber wir haben sie dann auf der Insel und werden sie nicht mehr los. Einige werden in der See ertrinken, einige wird der Gott der Haie holen. Aber es ist die bessere Lösung. Sie haben ihre Kanonen nicht mehr, und wenn wir die Stämme der Insel zusammenrufen, sind wir stärker als sie.“

      Zwei Männer schlugen vor, hinauszuschwimmen, um das Seil des Schiffes zu zerschneiden. Sie waren die besten und geschicktesten Taucher, ausdauernde Schwimmer, und sie kannten vor der Insel jede Koralle.

      Der Papalagi willigte ein und freute sich, daß sein Vorschlag, sich der Fremden zu entledigen, auf fruchtbaren Boden gefallen war.

      „Sie werden Wachen haben“, warnte er, „und sie werden scharf aufpassen. Ihr müßt immer wieder tauchen, niemand der Plünderer darf euch sehen, sonst werden sie euch töten. So geht dann hin und vollbringt die Tat, ihr Söhne. Die Götter der Insel werden über euch wachen und mit euch sein.“

      Der Papalagi strich jedem über das Haar und entließ sie unter dem zustimmenden Gemurmel der anderen.

      Die jungen Männer zogen los, prüften ihre scharfen Muschelmesser und liefen den Pfad am Vaihiriafluß zurück, bis sie den Strand erreichten.

      Die Wolkenwand hatte sich immer dichter an die Insel herangeschoben. Jetzt stand sie fast darüber und brachte heulenden Sturm mit sich.

      Der


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