Stein mit Hörnern. Liselotte Welskopf-Henrich

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Stein mit Hörnern - Liselotte Welskopf-Henrich


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haben?«

      »So ist es.«

      »King hat also bei Ihnen sein Gewehr abgeholt, das Sie auf seine Mahnung hin noch rasch repariert hatten.«

      »Repariert ist zu viel gesagt. So schnell ginge das nicht. Durchgesehen.«

      »Gleich darauf hat King Schüsse abgegeben.«

      »Zwei Probeschüsse.«

      »Wozu?«

      »Probeschüsse sind üblich, wenn man eine Waffe aus einer Werkstatt abholt.«

      »Auf welches Ziel hat King geschossen?«

      »Ich weiß nicht, ob er etwas treffen wollte.«

      »Sie haben dabeigestanden?«

      »Ich habe gearbeitet.«

      »Wann hat denn Field sein Gewehr wieder abgeholt?«

      »Am nächsten Tag, so um zwölf Uhr rum.«

      »Und wann ging King?«

      »Nachts um vier Uhr fuhr er weg.«

      »Nachts um vier Uhr?«

      »Ja.«

      »Ist das nicht eine ungewöhnliche Zeit?«

      »Er ist ja ’n junger Mann, und bis zur Reservation hatte er mehrere Stunden zu fahren.«

      »Woher wissen Sie denn das so genau, ›um vier Uhr‹?«

      »Weil der Kuckuck rief, und weil das Kind wach wurde.«

      »Der Kuckuck im Wald?«

      »Nein, der von der Kuckucksuhr.«

      »Haben Sie auch die Schüsse gehört?«

      »Was für Schüsse?«

      »Es ist nachts im Busch und im Wald geschossen worden.«

      »Weiß ich nicht.«

      Krause log. Er log nicht gern. Aber er war entschlossen, bei seinen Lügen zu bleiben, um seinen Wahlverwandten zu decken.

      »Aber Mr Krause, vom Hotel aus hat man noch spät in der Nacht Schüsse gehört.«

      Krause zwirbelte und zupfte an seinem ihm noch ungewohnten Bart.

      »So wird es eben mehr in der Nähe des Hotels gewesen sein, oder sie schlafen da nicht so gut wie ich, oder sie haben schlecht geträumt, oder es waren die Probeschüsse, und die vom Hotel verwechseln jetzt die Zeit.«

      »Sie selbst haben geschlafen?«

      »Paar Stunden, ja. Zwischen drei und vier war ich wieder wach. Seit ich alt geworden bin, werd ich manchmal früh wach.«

      »Danke, Mr Krause. Warten Sie bitte draußen.«

      Crawford holte den Jungen zu sich herein.

      Er modulierte seine Stimme weicher, väterlich.

      Der Junge schaute ihn mit seinen schwarzen Augen aufmerksam an.

      »Kannst du dich erinnern, Freddy, dass dein Onkel Joe am 23. Oktober bei euch war?«

      »Vorigen Herbst ist er noch einmal bei uns gewesen.«

      »Warum sagst du ›noch einmal‹?«

      »Weil er seitdem nicht mehr bei uns war.«

      »Wann ist er denn damals gekommen?«

      »Am Abend mit seinem Wagen.«

      »Magst du ihn gern?«

      »Ja.«

      »Warum?«

      »Weil er so gut reiten kann. Er ist ein Rodeoreiter.«

      »Wann ist er denn wieder weggegangen?«

      »Früh, aber es war noch dunkel.«

      »Bist du da schon im Bett gewesen?«

      »Ja, ich war schon lang ins Bett gegangen.«

      »Hast du dich nicht gefürchtet?«

      »Vor was denn?«

      »Vor Leonard Lee.«

      »Vor wem?«

      »Schaust du nicht in die Zeitung?«

      »Nein.«

      »Ich meine, vor Leonard Lee, dem Verbrecher. Hast du keine Angst, wenn im Wald geschossen wird?«

      »Wozu sind denn die Gewehre da? Wenn die Jäger nicht schießen, hat mein Vater Billy Krause keine Arbeit.«

      »Auch wahr. Wie war denn das, als in der Nacht damals geschossen wurde?«

      »In welcher Nacht?«

      »Als dein Onkel Joe bei euch gewesen ist.«

      Das Kind zuckte verständnislos die Achseln. Es log stumm; es empfand keinerlei Skrupel dabei, für die Sippe gegen den weißen Mann zu lügen, und es war entschlossen, bei seiner Lüge zu bleiben.

      »Hast du gut geschlafen?«

      »Ich hab mich geärgert, dass ich schon ins Bett musste, als Onkel Joe noch da war. Aber dann hab ich fest geschlafen.«

      »Da hast du den Kuckuck gar nicht mehr gehört.«

      »Den Kuckuck?«

      »Ja, den Kuckuck.«

      »Ich weiß nicht.«

      »Hat sich dein Onkel Joe nicht von dir verabschiedet?«

      »Doch, hat er. Es war noch dunkel. – Ja, da hat vielleicht auch die Kuckucksuhr gerufen.«

      »Vier Uhr?«

      »Das weiß ich nicht mehr. Der Kuckuck hat aber wohl gerufen. Ich kann es nicht genau sagen.«

      »Und dann ist dein Onkel weggefahren?«

      »Ja, dann ist er weggefahren.«

      Crawford rief Krause und den Protokollanten herein, diktierte ein den Fragen und Aussagen entsprechendes kurzes Protokoll und ließ Krause unterschreiben. Der Büchsenmacher zögerte keinen Augenblick, seinen Namen sauber unter das Schriftstück zu malen.

      Crawford lächelte nicht mehr. Mit allen möglichen Verdachtsmomenten in der Hand war er doch nicht weitergekommen. Krause und Freddy hatten wieder genau dasselbe ausgesagt, was schon in den alten Protokollen stand. Die zusätzliche Vernehmung Slighs und Queenie Kings hatte nichts Wesentliches erbracht.

      Von Esmeralda O’Connor, die laut Anzeige ihrer eigenen Tochter zum vierten Mal illegal eingewandert und mit Lee zusammen gesehen worden war, fehlte den Behörden jede weitere Spur. Leo Lee hatte sich der Polizeiaufsicht in Deadwood gestellt und angegeben, dass er vor Jahren ein Gewehr in New York verkauft und es nun bei Field in New City gesucht habe, um es zurückzuerwerben; die Jagdwaffe habe Liebhaberwert für ihn. Er habe sich in Deadwood mit einer Verwandten, einer älteren Person namens Rose Schwab, niederlassen wollen, die aber an Herzschlag verschieden sei. Diese Angaben erschienen laut ärztlicher Bescheinigung und polizeilicher Bestätigung einwandfrei.

      Crawford wandte sich einem scheinbar einfacheren Fall zu. Er rief das Stammesgericht auf der Reservation an und bat Mr Crazy Eagle um Auskunft, wann Robert Yellow Cloud, der Cowboy- Lehrling der King-Ranch, einmal zu ihm kommen könne.

      »Wegen ungehörigen, renitenten Verhaltens gegen einen Beamten für vierzehn Tage ins Stammesgefängnis, Mr Crawford.«

      »Halten Sie das für genug?«

      »Ja.«

      »Und der Vorwurf der Bandenbildung?«

      »Handelte sich nur um eine Redensart. Robert wollte sagen, dass die Sportsleute und Cowboys zusammenhalten.«

      »Wofür, gegen wen?«

      »Für das sportliche Training der jungen Reservationsindianer, gegen die Trinker.«


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