Holzpantoffel und blutige Zehen. Maria Marka

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Holzpantoffel und blutige Zehen - Maria Marka


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in Mies

       Der Krieg ist aus

       Köchin auf einem Meierhof, Bedienung bei den Amerikanern

       Die Flucht

       Arbeit in der Porzellanfabrik

       Leben bei den Schwiegereltern auf der Burg Veldenstein

       Zurück nach Mies über die Grenze

       Burg Veldenstein

       Karl ist zurück

       Karl der Fußballer

       Die Bayreuther Zeit beginnt

       Das eigene Haus in Aichig

       Unser Enkelkind Gabi

       Unser Garten

       Bilderverzeichnis

       Literatur

      Vorwort

      Ein Lebenslauf ist es nicht, was ich hier schreibe. Lediglich eine Aufzeichnung von Zufällen und äußeren Einwirkungen, die alles Wollen, Wünschen und Planen im Leben über den Haufen warfen und dabei dennoch ein so genannter Lebens- (ver-) lauf zustande kam.

      Ich danke allen, die zum Vollenden dieser Lebenserinnerungen beigetragen haben.

      Für unsere Enkelkinder

      Ein herzlicher Dank geht an meine liebe Nichte, Dr. Silvia Schukraft, und an meinen Mann Karl. Sie standen mir bei der Realisierung dieses Buches stets tatkräftig zur Seite.

      Die Geburt Marias

      Heute ist es kalt. Und da fiel mir ein, was mir Mama erzählte über meine Taufe. Da war es auch so kalt: –15°C. Am Donnerstag, den 18.12.1924, in den Frühstunden wurde ich geboren. Wie es damals üblich war, musste die kleine Heidin am nächsten Tag getauft werden. Ich wurde zu einem „Büschel“ gebüschelt, heute würden wir Steckkissen sagen, säuberlich verschnürt und von der Hebamme und meiner Patin, der ältesten Schwester meines Vaters, zu der 4 km entfernten Stadt Mies getragen, wo die Taufkirche stand. Es war viel Schnee auf der Straße und der Wind pfiff auch. Mama, von der Geburt noch ziemlich mitgenommen, zitterte daheim in der warmen Stube mehr vor Angst, ich könnte da draußen erfrieren, als die beiden Frauen, die den „Büschel“ mit Inhalt in ihren Armen durch die Dezemberkälte trugen. Jedenfalls scheint es uns allen dreien nicht geschadet zu haben, denn wir kamen mit roten Nasen und einem neuen Namen nach Techlowitz zur Mama zurück. Solch ein Abenteuer schon am zweiten Lebenstag!

      Einen Namen hatte ich nun, einen Kinderwagen nicht. Wie damals üblich, lag ich „eingebüschelt“ bei Mama im Bett, allenfalls in einem Korb. Überhaupt war die Sache gar nicht so lustig. Denn als ich kam, war Mama gerade neunzehn Jahre alt geworden und nicht verheiratet. Wie denn auch? Mama war Vollwaise und mein Vater war einundzwanzig Jahre und das älteste von fünf Kindern. Seine jüngste Schwester war gerade sieben Jahre alt. Die nächste Generation, also meine, war noch gar nicht vorgesehen. Ich war lediglich das unbedachte Ergebnis einer seligen Stunde nach dem Feuerwehrball vom März.

      Mutters Kindheit

      Wie war das eigentlich mit Mamas Kindheit? Sie hatte einen Stiefbruder, einen Bruder und eine Schwester. Man hatte ihr als „Nachrutscherl“ den Namen Katharina gegeben und alle hatten sie lieb. Aber wie das Leben so spielt: Sie stand im zweiten Lebensjahr, als ihr Vater sich als Maurer nach einem heftigen Gewitter auf dem Bau erkältete und an einer Lungenentzündung starb. Meine Deimling-Großmutter musste also mit vier Kindern das kleine „Wirtschaftl“ allein versorgen. Feld, Vieh und Kinder waren abhängig von ihrer Lebenskraft. Freilich, Hans, ihr Erstgeborener, den sie mit in die Ehe gebracht hatte (den Namen seines Vaters erfuhren wir nie), konnte ihr schon zur Hand gehen. Er tat es auch. Josef, der Zweite, lernte Kaufmann im Konsum in Mies. Und die Schwester Anna konnte ja aufs Katherl aufpassen, während die anderen die Landwirtschaft versorgten.

      Aus diesen Kindertagen erzählte uns Mama ein paar Episoden.

      Zum Beispiel, dass ein Hund im Haus war und dass dieser am Abend schon immer lauerte, wenn Katherl ins Bett ging. Mama, müde vom Tag, schob ihr Kleid samt Strümpfe vom Körper, so dass beides als rundes Nest vor ihrem Bett lag, stieg in die Federn und schlief ein. Der Hund, er war ein Spitz und hieß auch Spitz, ringelte sich ins Kleiderbündel hinein, knurrte noch ein bisschen und schlief dann auch.

      Solange Katherl nicht zur Schule ging, wurde sie zu den Feldarbeiten immer mitgenommen. Sie hatte einen kleinen Buckelkorb bekommen, so einen, wie die Größeren ihn in groß auf dem Rücken trugen, wenn Viehfutter, Rübenblätter oder Einkauf aus der Stadt nach Hause getragen werden musste. Eines Tages holten sie Gras von der Wiese. Katherl hatte auch ihren Buckelkorb dabei. Mutter und Bruder mähten mit der Sense, Katherl füllte Gras in ihren Korb. Plötzlich fing sie gottsjämmerlich an zu schreien: „Seff, Seff, in mein Korb is a Schlonga, tu’s raus!“ Seff kam erschreckt angestürmt. Im Körbchen beeilte sich eine große, schwarz behaarte Schmetterlingsraupe, im Volksmund wird sie „Bärmouter“ = Tagpfauenauge genannt, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Zwar waren jetzt alle beruhigt, dass die Schlange nur eine Raupe war, aber meine Mutter hat ein Leben lang Raupen verabscheut.

      Als Mama zur Schule gehen musste (sie ging gern und erfolgreich), konnte sie die anderen nicht mehr zur Feldarbeit begleiten. Wenn die Schule nachmittags aus war, war sie allein. Sie spielte mit Freundinnen oder sie war im Stall oder in der Scheune. Irgendetwas fand sich immer. Sie durfte niemanden ins Haus lassen und sollte Hoftor- samt Haustürschlüssel versteckt halten. Da wurde es manchmal sehr spät und oft schon dunkel, bis die Großen heimkamen. In der finsteren Wohnstube war es ihr „andrisch“ (unheimlich); die Petroleumlampe durfte sie nicht anrühren, wegen der Brandgefahr. So setzte sie sich müde und hungrig auf einen der Streifsteine, die das Tor links und rechts vor den Wagenrädern schützen sollten, zog den Rock über die nackten Knie und wartete in die Dämmerung hinein. Kamen die Großen endlich heim, holte sie sich ein „Tipfel“ (Tasse) aus der Stube und ging hinter der Mutter her in den Stall. Die Kühe mussten gemolken werden. Die erste Milch bekam sie ins Tipfel, trank sie kuhwarm wie sie aus dem Euter kam, gänzlich aus und verschwand in ihr Bett. Das war das Abendessen. Keiner fragte: „Bist du satt oder hast du dich gewaschen?“ Sie waren alle viel zu müde, um sich über „Nichtigkeiten“ den Kopf zu zerbrechen.

      Ein anderes Ereignis aus Kathis Kindertagen: Als die Großen aufs Feld gingen, bekam sie einmal den Auftrag, ständig in den Stall zu schauen, denn eine der Kühe sollte kalben. Sollte es bei der Kuh wirklich losgehen, sollte Kathi über die Straße zur Tante laufen, damit die der Kuh helfe. Die fing wirklich das Kalben an und Kathi lief. Aber die Tante war auch grad nicht daheim. Was tun? Die Beine vom Kalb schauten schon in die Welt. Da nahm Kathi kurz entschlossen den Kälberstrick vom Haken, band ihn, wie sie es schon einmal den Großen abgeschaut


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