Die Melodie des Mörders. Miriam Rademacher

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Die Melodie des Mörders - Miriam Rademacher


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hatte. Colin rieb sich die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Trotz des verschlafenen Vormittags war er noch immer müde. »Wer hat gehört, wie Clifford dich um dieses Gespräch gebeten hat? Hielt sich jemand in Hörweite auf?«

      »Alle haben es gehört«, sagte Norma und ließ die Hände sinken. Sie sah plötzlich enttäuscht aus. »Und zwar deshalb, weil Jasper es ausgeplappert hat. Er verwechselte im Anschluss an sein Gespräch mit Clifford bei einer Ansprache an die Darsteller Weihnachtsfest und Gemeindefest und entschuldigte sich im nächsten Satz damit, dass Clifford ihn völlig rausgebracht hätte.«

      »Was für ein Idiot man doch sein kann«, rief Jasper und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich habe den Mörder erst darauf gebracht, dass Clifford mir etwas anvertrauen wollte.«

      »Aber das konntest du doch nicht ahnen«, versuchte Norma ihn zu trösten.

      »Und danach schlich sich der Mörder auf den Orgelboden, griff sich den erstbesten harten Gegenstand und sorgte dafür, dass ein vertrauliches Gespräch mit dir niemals stattfinden würde«, schlussfolgerte Colin.

      »Richtig, aber wer war es?«, fragte Jasper und sank wieder in den Sessel. »Theoretisch könnte es jeder gewesen sein. Ich habe meine Augen ja nicht überall gehabt.«

      »Mich darfst du aber gern ausschließen«, erklärte Norma. »Und damit auch den Engel der Verkündigung. Wir haben gemeinsam an der Kostümkiste gestanden.«

      »Die ganze Zeit? Ich meine, du bist dir völlig sicher, dass Grace immer neben dir war?«, hakte Jasper nach.

      »Ja! Nein. Das heißt … na, also die meiste Zeit über war sie in meiner Nähe. Möglich, dass ich mal kurz abgelenkt war, weil Maria und Josef sich wieder so herrlich stritten. Also, die beiden können wir wirklich ausschließen, die haben die ganze Zeit miteinander gezankt. Außerdem waren Una und Ralph ja schon bei unserem ersten Mördertanz unschuldig.«

      »Das bedeutet gar nichts«, erwiderte Colin. »Aber wenn ihr zwei euch sicher seid, dass die beiden konstant miteinander gestritten und den Kirchraum nie verlassen haben, dann hätten sie ein Alibi. Seid ihr euch da sicher?« Colins Blick wechselte zwischen Norma und Jasper hin und her. Keiner der beiden sagte ein Wort. »Also nicht. Tja, dann können wir wohl vorerst keinen der Schauspieler ausschließen.«

      »Bis auf Norma natürlich«, sagte Jasper. »Wenn ein blinkendes Elchgeweih versucht wegzuschleichen, dann fällt das jedem auf.«

      Norma warf Jasper einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts.

      »Wie also finden wir unseren Mörder zwischen all den Schauspielern heraus?«, fragte Colin.

      »Das erfahren wir nur, wenn du von deinen Talenten Gebrauch machst. Du musst beim Krippenspiel mitmachen. Du musst die Akteure tanzen lassen und sehen, was sie dir unfreiwillig dabei verraten«, schlug Norma vor.

      »Das ist ein Krippenspiel und keine Revue«, entgegnete Colin.

      »Aber du bist doch ein Profi deines Fachs«, warf Jasper ein und schlug sich damit sofort auf Normas Seite. »Du wirst einen Weg finden, wie du während der Proben ermitteln kannst, ohne dass es auffällt.«

      »Ich habe noch nie von einem getanzten Krippenspiel gehört«, widersprach Colin. »Sollen Maria und Josef vielleicht auch noch singen? Möchtest du in deiner Kirche Jesus Christ Superstar Episode One inszenieren?«

      »Kaum«, entgegnete Jasper. »Aber wenn dir nichts Passendes einfällt, dann werde ich mir eben selbst etwas überlegen müssen. Auf jeden Fall solltest du bei der nächsten Probe am Montagabend anwesend sein. Das ist übrigens morgen. Und bring deine Tanzschuhe und ein paar Weihnachtslieder mit. Mir kommt da gerade ein Gedanke. Es wird großartig werden.«

      Als die Dämmerung hereinbrach, saß Colin wieder in seinem eigenen Sessel und drehte den Taschentresor erneut in seinen Händen. Er hatte ihn aus Cliffords Haus mitgehen lassen und nicht die Spur eines schlechten Gewissens. Das lag daran, dass Mrs Grey ihn bei seiner Heimkehr darüber informiert hatte, dass Hoffer erneut angerufen und daran erinnert hatte, dass Colin sich aus seinem Fall raushalten solle. Doch Hoffers Weihnachtswunsch würde sich nicht erfüllen. Dies war nicht allein Hoffers Fall. Colin hatte einen Auftraggeber. Jasper. Der Pfarrer wollte, dass sein Freund den Mörder seines Freundes fand. In die Polizei hatte er nicht genug Vertrauen und Colin konnte ihm das nachfühlen. Mike Dieber war nicht die hellste Kerze auf der Torte, und Hoffer war ein Ignorant, der noch das kleinste Feuer in seinem Sergeant ersticken konnte.

      Zum wiederholten Male versuchte Colin jetzt, den Taschentresor zu öffnen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Da klopfte es zaghaft an seiner Tür.

      »Es ist offen«, rief Colin und sah zu, wie Lucy eintrat. Sie wirkte gut gelaunt und brachte den Duft von heißem Einwickelpapier und Fett mit.

      »Chips zum Abendessen!«, rief sie und hielt demonstrativ ein Päckchen fleckiges Zeitungspapier in die Höhe. »Ich bin heute noch nicht zum Essen gekommen. Und du?«

      »Auch nicht. Brauchte deine Freundin Anne schon wieder seelischen Beistand?«, fragte er. »Die Arme muss ja wirklich große Sorgen haben.«

      »Die hat sie auch. Und beschwere dich nicht, dass ich dir keine Nachricht hinterlassen habe, ich konnte keinen Kugelschreiber finden. Und da du ja niemals dein Handy mitnimmst, konnte ich dir auch keine SMS schicken«, erwiderte Lucy, legte das Fresspaket auf die Küchenzeile und Hut und Mantel über eine Stuhllehne. Sie trug dasselbe rosafarbene Kleid wie am vorangegangenen Abend.

      »Du hättest mir über Mrs Grey etwas bestellen können«, bemerkte Colin und betrachtete den Würfel in seinen Händen. Lucy trat näher und nahm ihm den Taschentresor ab.

      »Das hätte ich auch getan, wenn sie bei meinem Weggang zu Hause gewesen wäre. Aber sie hat vermutlich den Gottesdienst besucht. Was ist das für ein Ding?« Lucy betrachtete den Würfel mit gespieltem Interesse.

      »Ein Taschentresor. Wer den Mechanismus kennt, kann ihn öffnen. Für jeden anderen ist es nahezu unmöglich, an seinen Inhalt zu gelangen.«

      »Ach wirklich? Ist ja ulkig«, erwiderte Lucy und drückte drei Ecken des Würfels gleichzeitig mehrmals kurz hintereinander. Sprachlos beobachtete Colin, wie eine der sechs Würfelseiten mit einem Klicken herunterklappte. »Leer. Wie schade. Ach nein. Doch nicht. Hier ist ein gefalteter Briefumschlag drin. Womöglich die Gebrauchsanweisung.« Lucy reichte ihm das Papier.

      Unwillkürlich hielt Colin den Atem an, als er den Umschlag öffnete. Er war leer.

      »Steht wenigstens was drauf?«, fragte Lucy und setzte sich auf seine Sessellehne.

      Colin nickte und starrte auf die beiden Worte, die jemand mit Kugelschreiber auf dem Umschlag notiert hatte: Mea Culpa. Wie seltsam. Er wusste nicht, was er zu finden gehofft hatte. Den Namen des Mörders sicher nicht. Aber irgendein brauchbarer Hinweis wäre nett gewesen. Oder handelte es sich hierbei etwa um einen brauchbaren Hinweis?

      »Mea Culpa? Das sagt mir nichts. Ist das der Herstellername? Kommt das Ding aus dem Ausland?«

      »Es ist lateinisch und bedeutet so viel wie: meine Schuld«, antwortete Colin.

      »Komisch. Wer legt denn einen leeren Briefumschlag in einen Taschentresor?«, hakte Lucy nach.

      »Das gilt es wohl herauszufinden.«

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