Der große Aschinger. Heinz-Joachim Simon

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Der große Aschinger - Heinz-Joachim Simon


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der Basin Street Blues gespielt wurde, tanzten sie ganz langsam, und er spürte, dass sie ihm mit dem Becken entgegenkam. Er bekam eine Erektion und wollte von ihr abrücken, weil ihm dies peinlich war.

      »Bleib hier, das ist schon in Ordnung«, hauchte sie ihm ins Ohr und schob ihr Knie nach vorn. Ihre Schenkel hörten nicht auf, gegen sein Geschlecht zu drücken, lösten sich von ihm und drückten wieder und wieder. Sie rieb sich an ihm so heftig, dass ihr Atem schneller ging und sie ein rotes Gesicht bekam.

      »Wir sollten das dumme Sie lassen. Ich heiße Uschi«, keuchte sie in sein Ohr und drückte sich gegen ihn. Er entlud sich in die Hose und rückte von ihr ab, doch sie zog ihn an sich heran. »Das macht doch nichts, du hast mich eben gern.« Er wusste nichts darauf zu sagen, und sie streichelte seinen Hinterkopf. »Ist ja gut, mein Sebastian. Für mich ist es auch schön gewesen.«

      Ihre Bemerkung war nicht dazu angetan, seine Verlegenheit zu mindern. So offen sprach man zu Hause nicht über diese Dinge, und er war froh, als der Tanz zu Ende war und sie ihre Plätze einnehmen mussten. Er entschuldigte sich und ging auf die Toilette und reinigte sich. So etwas war ihm noch nie passiert. Bisher hatte er sich schon geschämt, wenn er die Folgen eines feuchten Traums mit dem Handtuch beseitigen musste, in der Hoffnung, dass die Mutter nicht zu früh die Betten machte und die Folgen erotischer Träume entdeckte. Aber sie hatte nie etwas gesagt.

      Als er zurückkam, sah er diesen Klaus neben Uschi stehen und beide in ein intensives Gespräch verwickelt. Es gefiel ihm nicht, wie sie sich dabei ansahen. Genauso lockend und herausfordernd hatte sie ihn vorhin auch angesehen. Er gestand sich ein, dass er den gutaussehenden jungen Mann mit seinem Mittelscheitel nicht mochte. »Da bin ich wieder«, sagte er hilflos, als er sich auf den leeren Stuhl neben ihnen fallen ließ.

      »Also, dann mach et jut! Es bleibt dabei, in Ordnung?«, sagte Klaus und sah Sebastian herausfordernd an, lachte verächtlich und ging.

      »Was wollte der denn? Kennst du ihn gut?«, fragte er hastig.

      »Nichts wollte er!«, erwiderte sie kurz. Als sie sein verstörtes Gesicht sah, fügte sie schnell hinzu: »Na jut, wir waren mal zusammen.

      Aber das ist aus, du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Für so einen, der noch nicht mal eine richtige Arbeit hat, bin ich mir zu schade.«

      Sebastian war erleichtert. Zwar gefiel ihm nicht ihre Begründung, aber er war doch froh, dass dieser attraktive und ältere Mann keine Gefahr für ihn war. Trotzdem ging ihm das »Es bleibt dabei« nicht aus dem Kopf, aber er wagte nicht zu fragen, wobei es blieb. Später begleitete er Uschi mit der letzten S-Bahn nach Steglitz. Sie stiegen an der Schloßstraße aus, und sie führte ihn zu einem großen Wohnblock in der Zimmermannstraße.

      »Hier wohne ich, oben im zweiten Stock«, sagte sie an der Haustür, zog ihn an sich und küsste ihn. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass man dazu den Mund aufmachen musste, und sie wühlte mit ihrer Zunge wie ein Quirl in seiner Mundhöhle, und er bekam wieder eine Erektion.

      »Soll ich dir Befriedigung verschaffen?«, fragte sie sanft und zog ihn in die Ecke der Haustür, öffnete seinen Hosenschlitz, holte sein Glied heraus und streichelte es routiniert.

      Noch machte er sich keine Gedanken darüber, wie selbstverständlich und gekonnt sie dies tat. Er keuchte bald, küsste sie und stammelte: »Es ist so schön, Uschi. Ich liebe dich!«

      »Warne mich, bevor du kommst, und spritz mir das Zeug nicht auf das Kleid! Hast du verstanden?«

      Als er merkte, dass er so weit war, wandte er sich schnell ab und entlud sich gegen die Hauswand. Sie streichelte seinen Kopf.

      »Na siehste, Sebastian, jetzt fühlst du dich besser!«, flüsterte sie.

      »Beim nächsten Mal darfst du bei mir auch ein bisschen spielen«, versprach sie, was ihn erneut erregte, und er legte die Hände auf ihre Brüste, aber sie stieß ihn sanft weg. »Nein, mein Lieber, schön langsam mit den jungen Pferden! Ich muss jetzt hoch, sonst haut mich Vater windelweich.«

      Sie verabredeten sich für den nächsten Samstag, und für den langen Weg bekam er noch einen Kuss mit, der feucht und so gequirlt war wie die vorausgegangenen und für das nächste Treffen einiges versprach. Da keine S-Bahn mehr fuhr und er sich die Kosten für ein Taxi sparen wollte, hatte er einen langen Fußmarsch vor sich. Erst fiel es ihm leicht, da er an die Küsse dachte und an ihre Hand an seinem Glied. Doch je länger der Fußmarsch dauerte, desto mehr beschäftigte ihn, was dieser Klaus gesagt hatte: »Es bleibt dabei, in Ordnung?« Und nun erinnerte er sich, dass sie dazu genickt hatte, und es kam ihm der Gedanke, dass sie mit dem genau das Gleiche getan hatte wie mit ihm. Aber ihre Küsse zeigten doch, dass sie nun ihn liebte. Und wenn doch nicht? Er versuchte, diese Gedanken zu verscheuchen, und war sehr verwirrt, als er im Morgengrauen am Kurfürstendamm eintraf.

      Am Sonntag ließ er es langsam angehen und rückte seine Möbel zurecht, die man am Samstag angeliefert und die der Onkel in Empfang genommen hatte. Er fand, dass er nun ein gemütliches Heim hatte, und war stolz auf sein kleines Reich. Am späten Nachmittag ging er auf den Kurfürstendamm und setzte sich bei Kempinski auf die Terrasse und trank Berliner Weiße mit Schuss. Es war ein schöner, fast sommerlicher Frühlingstag, und die Berliner strömten in ihren besten Kleidern durch die Straßen, um den Frühling zu begrüßen. O ja, die Städter wussten sich herauszuputzen, und er war froh, dass er sich als Erstes mit Kleidung versorgt hatte, die ihn nicht wie ein Landei aussehen ließ. Die Bemerkung von diesem Klaus hatte doch geschmerzt. Er hatte schon mitbekommen, dass die Berliner auf alle, die nicht aus Berlin waren, mit ein wenig Verachtung herabsahen. Wenn man in dieser Stadt zurechtkommen wollte, musste man die Spielregeln kennen.

      Auch im Café Kempinski erkannte er die Unterschiede: Die Reichen gingen höflicher miteinander um, hatten bessere Manieren und berlinerten zwar im Tonfall, sprachen aber grammatikalisch richtiges Deutsch. Er erkannte, dass die Sprache ein Herkunftsausweis war, und nahm sich vor, die berühmte Berliner Kodderschnauze nicht zu imitieren. Er bewunderte also die Frauen in ihren weißen fließenden Kleidern, die großen Hüte mit den Blumen darauf und die Lockerheit der Paare untereinander. Die Männer, die im Café Kempinski saßen, erschienen ihm alle sehr weltmännisch. Ihm war nicht bewusst, wie sehr er sich in dieser ersten Woche bereits verändert hatte. Es war, als hätte man einen Deckel vom Topf genommen oder ihn von Fesseln befreit.

      Am Abend ging er hinunter zu seinem Onkel, der ihm eine Klaviersonate von Brahms vorspielte. Dies behielten sie nun lange Zeit bei, und so bekam er von dem Kapellmeister eine Welt zu hören, die er bis dahin auch nicht gekannt hatte. Nach einem Vierteljahr konnte er mit Fug und Recht sagen, dass er sich als Berliner fühlte. Jeden Samstag traf er sich mit Uschi Venske, und sie tat jedes Mal zum Schluss das, was sie beim ersten Mal getan hatte, ließ sich auch von ihm ihre nackten Brüste streicheln und führte dann seine Hand unter ihr Kleid an ihr Höschen und ließ sich dort reiben, aber wenn er den Stoff beiseiteschieben wollte, entzog sie sich ihm.

      »So eine bin ich nicht. Ich bin ein anständiges Mädchen.« Sie stieg deswegen nur noch mehr in seiner Achtung, und er war sich sicher, sie zu lieben.

      Mittlerweile kannte Sebastian alle Jazzclubs in Berlin und die Namen der wirklich großen Jazzer wie Louis Armstrong, King Oliver und Bix Beiderbecke im fernen Amerika, und natürlich beherrschte er das »Hotten«, den richtigen Dreh beim Tanzen, und machte dies nicht schlechter als die anderen. Am Sonntag ging er mit Uschi zum Tanztee unter dem Funkturm, wo auch deutsche Kapellen fetzigen Jazz spielten.

      Seine Arbeit machte ihm immer noch Spaß, und da er in seinem Eifer nicht nachließ, schickte der Geschäftsführer der Bierquelle weiterhin gute Bewertungen über den hoffnungsvollen jungen Mann an die Zentrale. Ende Juli flaute das Geschäft ab, und Paul Dornbusch machte ein unzufriedenes Gesicht. »Schwidiwatzki, sind denn alle Berliner in Urlaub gegangen?«

      Sie standen oft untätig herum und langweilten sich. Auch Sebastian zerbrach sich den Kopf, wie man das Geschäft beleben konnte. Als er sah, wie sich vor Wertheim beim Sommerschluss die Menschen drängten, kam ihm die Idee, wie man auch bei Aschinger das Geschäft beleben konnte – eine Idee, die nicht ohne Folgen für ihn bleiben sollte …

      »Machen wir doch Aktionswochen!«, schlug


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