Der große Aschinger. Heinz-Joachim Simon
Читать онлайн книгу.ja! Wer kennt nicht den Namen? Ist es der kleine, dicke Kerl mit diesem viel zu jungen schönen Mädchen?«
»Ja. Leider ist sie nicht nur schön, sondern auch sehr kapriziös.«
»Ja, das sind schöne Frauen meistens. Sie scheinen sehr tüchtig zu sein, wenn Sie in Ihrem Alter bereits Sekretär eines so berühmten Mannes sind.«
»Vor kurzem war ich noch ein Bauernjunge, der nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte.«
»Erstaunlich! Das spricht für Sie. Schade, dass ich den Aschinger nicht persönlich kennengelernt habe. Wie soll man auch darauf kommen, dass der kleine, dicke Deutsche neben einem in der Ritzbar der große Aschinger ist! Wir haben auch ein Hotel in London. Es ist zwar nicht das Ritz, aber es hat eine gute Lage, gegenüber dem St. James’s Park. Es war früher einmal das Stadthaus der Burnberrys, in den guten alten Zeiten. Mein Vater, der Earl, muss ganz schön knapsen, damit wir heute über die Runden kommen.«
»Aber das Ritz in Paris können Sie sich noch leisten!«, erwiderte Sebastian lachend.
»Ja, dafür reicht es noch«, stimmte der Viscount lachend zu. »Aber über kurz oder lang werde ich reich heiraten müssen – oder meine Pferde gewinnen in Newmarket oder Ascot.«
»Sie züchten Pferde?«
»Was soll ein Gentleman sonst tun? Wir leben nicht mehr in den Zeiten der guten Queen Victoria. Selbst eine Karriere in der Army ist heute kaum noch erstrebenswert, dafür gibt es zu wenig Kriege.«
»Gott sei Dank! Nach dem Weltkrieg sollte man sich Krieg in Europa nicht mehr wünschen.«
»Euer Hitler scheint da wohl anderer Meinung zu sein. Eine Zigarette?« Er hielt Sebastian ein silbernes Zigarettenetui hin.
Sebastian schüttelte den Kopf. »Das Laster habe ich mir noch nicht angewöhnt.«
»Sehr löblich! Ich komme ohne die Glimmstängel nicht mehr aus.« Er zündete sich die Zigarette an und stieß den Rauch aus.
»Wieso können Sie so gut Deutsch?«
»Meine Mutter ist Deutsche, eine von Schulenfeld. Wir haben einige Güter in Mecklenburg, und ich bin wenigstens einmal im Jahr in Deutschland. Wir können uns ruhig duzen. Ich heiße Jack.«
Burnberry reichte ihm die Hand. Sebastian schüttelte sie erfreut, stellte sich vor und sagte: »Melde dich, wenn du mal in Berlin bist! Ich zeige dir das schöne Spree-Athen.«
»Mach ich, Sebastian! Und du meldest dich, solltest du mal in England sein.«
Als sie sich trennten, hatte er das Gefühl, einen Freund gewonnen zu haben. So geht es also auch, dachte Sebastian. Jack war der Sohn eines Earls und hatte keine Bedenken, mit ihm Freundschaft zu schließen. Er sah noch einmal zu dem Kaiser hoch, der seine Marschälle auch nicht nach der Ahnenreihe, sondern nach Verdienst gewählt hatte. Wenn Aschinger aufwachte, würde er sich der Tatsache stellen müssen, dass er sein Waterloo hinter sich hatte.
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