Der große Aschinger. Heinz-Joachim Simon

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Der große Aschinger - Heinz-Joachim Simon


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gute Freunde«, sagte sie leichthin und sah dabei interessiert den Tanzpaaren zu.

      »Wohl sehr gute Freunde …«

      »Hör auf, Fritz!«, fauchte sie. »Ich habe vor dem großen Aschinger auch schon ein paar gute Freunde gehabt.«

      »Ist ja gut«, knickte Aschinger sofort ein.

      »In dieser Bar sollen Ernest Hemingway und Scott Fitzgerald so manche Flasche Whisky getrunken haben«, warf Sebastian ein, um die beiden abzulenken.

      Sie gingen nicht darauf ein. Aschinger schenkte sich immer wieder Whisky nach, und Sieglinde von Weinberg kommentierte die Toiletten der anwesenden Damen. Schließlich zog sie Sebastian auf die Tanzfläche.

      »Kommen Sie, Johnny! Fritz ist heute unleidlich. Ich will mir nicht den Abend verderben lassen. Paris ist keine Stadt für Trübsinn und Zankerei.«

      Sebastian sah ratlos Aschinger an. Dieser wedelte wegwerfend mit der Hand, und Sebastian nahm dies als Einverständnis. »Was soll das heute Abend werden?«, fragte er auf der Tanzfläche.

      »Was meinst du?«

      »Sie wissen genau, was ich meine.«

      »Hör auf, Johnny, ich weiß es doch auch nicht.«

      »Er ist jedenfalls auf hundertfünfzig.«

      »Dafür gibt es keinen Grund.«

      »Wirklich nicht?« Sie schwieg.

      Nun erschien Dieter von Staufenfels mit seiner Begleitung. Die Baroness winkte ihm zu und wies auf den Tisch.

      »Ach, gehen wir zurück zum Tisch, Johnny!«, sagte sie. »Wer weiß, was Fritz sonst noch anstellt.«

      Der Kellner brachte zwei Stühle, und so konnten Staufenfels und die Battenberg neben ihnen Platz nehmen.

      »Es sieht doch immer wieder lächerlich aus, wenn die Alten ihre Jugend zurückholen wollen, indem sie sich die Jungen kaufen«, sagte Staufenfels mit zynischem Lächeln, nachdem er das Publikum taxiert hatte.

      Aschinger zuckte zusammen, tat aber so, als studiere er die Karte, und bestellte nach einem fragenden Blick zur Baroness noch eine Flasche Champagner. Als der Klavierspieler einen Charleston spielte, zog Sieglinde von Weinberg den jungen Grafen auf die Tanzfläche, und sie legten einen wilden Tanz hin, worauf alle auf der Tanzfläche zu tanzen aufhörten, einen Kreis um sie bildeten und im Takt klatschten. Ihre Fröhlichkeit, ihre Ausgelassenheit und ihre Jugend nahmen alle gefangen und machte das Paar zum Mittelpunkt der Bar. Selbst die Kellner hörten einen Moment zu servieren auf und sahen den beiden zu. Als der Klavierspieler zu einem Paso doble überleitete, mimte Sieglinde von Weinberg eine Flamencotänzerin. Staufenfels umkreiste sie wie ein Torero den Stier, und die Baroness rief »Olé!« und schwenkte das Abendkleid, das Aschinger ihr am Nachmittag gekauft hatte, dabei sah sie noch schöner aus als die Pola Negri. Aschinger verfolgte das Bild mit brennenden Augen.

      Außer Atem kamen sie an den Tisch zurück. Nach einer eleganten Verbeugung zu seiner Partnerin sagte von Staufenfels: »Lasst uns ins Fuego gehen! Die haben eine phantastische Zigeunerkapelle und richtige Flamencotänzerinnen, die von einer Grazie sind, wie man es sonst nur in Sevilla sieht.«

      »Himmlisch!«, stimmte Sieglinde von Weinberg sofort zu und klatschte in die Hände.

      »Ich bin müde«, wehrte Aschinger ab. »Hier im Ritz gefällt es mir am besten. Die Getränke sind wenigstens anständig.«

      »Sei kein Frosch, Fritz, tu mir den Gefallen!«, drängte die Baroness und zog Aschinger hoch.

      Die Gräfin Battenberg schien auch nicht viel Lust zu haben, dem Vorschlag ihres Begleiters zu folgen. Erst auf einen energischen Blick Staufenfels’ hin willigte sie schließlich seufzend ein. Sie mussten zwei Taxis nehmen. Sieglinde von Weinberg schlug mit bewusst arglosem Lächeln vor, dass sie und Staufenfels im ersten, die Gräfin mit Aschinger im zweiten Taxi fahren sollten, denn sie und Dieter hätten sich so viel zu erzählen.

      »Wir nehmen Johnny als Anstandswauwau mit«, sagte sie lachend. Sebastian fühlte sich während der Fahrt nach Montparnasse ungemütlich, aber die beiden beachteten ihn überhaupt nicht und erzählten sich Begegnungen und Ereignisse aus ihrer Jugendzeit und konnten sich vor Lachen kaum halten, während sie über Bekannte und Freunde herzogen. Sie kannten eine Menge wichtiger Leute mit großen Namen. Sie fuhren am Louvre vorbei, durch die Rue de Rivoli über den Place de la Concorde, wo die Fontänen wie silberne Säulen in der Nacht standen, und über die Brücke auf das linke Seineufer. Schon bald waren sie in Montparnasse, wo das Fuego dem Café Rotonde und dem Coupole gegenüberlag. Es war eine Kellerbar. Durch einen dunklen Schlauch ging es in einen Raum, dessen Wände mit spanischen Fahnen und roten Tüchern dekoriert war. Die Sitzgelegenheiten bestanden aus mit Stierhäuten überzogenen Bierfässern. Auf der Bühne neben der Bar zeigte eine Gruppe von Mädchen in prächtigen roten, grünen und blauen Kleidern, wie man in Andalusien Flamenco tanzt. Der Sänger stieß Schreie wie ein Muezzin aus.

      Als die Tanzfläche für die Gäste freigegeben wurde, nahm Dieter von Staufenfels die Baroness wie selbstverständlich an der Hand, und beide stampften im Rhythmus des Flamenco auf den Boden. Man sah, dass sie sich prächtig amüsierten. Aschinger hatte für die Damen Champagner und für sich, den Grafen und Sebastian Whisky bestellt.

      Wenn er so weitertrinkt, ist er bald hinüber, dachte Sebastian besorgt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Katastrophe kommen würde. Da Fritz Aschinger keine Anstalten machte, die Gräfin von Battenberg auf die Tanzfläche zu führen, und selbstquälerisch die beiden jungen Leute verfolgte, forderte er die Gräfin von Battenberg auf, als ein langsames Stück gespielt wurde. Er sah nun, dass Sieglinde von Weinberg ihren Kopf auf die Schulter des jungen Grafen gelegt hatte. Wie musste dies Aschinger kränken, der sich mit ihr an diesem Abend hatte verloben wollen! Die Gräfin von Battenberg verfolgte das Pärchen mit ähnlichen Blicken wie Aschinger.

      »Es ist ungehörig, wie die sich an Dieters Hals schmeißt!«, zischte sie böse.

      »Sie kennen sich eben seit Kindertagen«, versuchte Sebastian sie zu beschwichtigen.

      »Sie benimmt sich wie ein Flittchen. Nun ja, was kann man schon von einer Jüdin erwarten … Der Adelstitel ist nur gekauft. Es war ein Fehler von unserem Kaiser, so viele Parvenus, nur weil sie Geld hatten, in den Adelsstand zu erheben. Das Blut lässt sich nicht verleugnen.«

      »Sie sind doch nur junge Leute, die fröhlich sind.«

      »Sie hat es auf Dieter abgesehen.«

      Da nun ein weiterer Flamenco folgte und Sebastian sich nicht blamieren wollte, führte er nach einer Entschuldigung die Gräfin an den Tisch zurück. Besorgt sah er, dass Aschinger sich mittlerweile die halbe Flasche Whisky einverleibt hatte. Sein Blick war unstet, und er drehte das Glas so krampfhaft mit den Händen, als könne er sich nur mühsam dazu zwingen, sich nicht auf Staufenfels zu stürzen.

      Als dieser und die Baroness endlich außer Atem und lachend zurückkamen, sagte Fritz Aschinger: »Sagen Sie mal, Herr von Staufenfels, was für einen Skandal wollen Sie eigentlich anzetteln?« Seine Augen waren blutunterlaufen, und die Zigarre hatte Flecke auf seinem Smokinghemd hinterlassen. Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas und starrte den Graf herausfordernd an.

      »Wie soll ich das verstehen? Was für einen Skandal?«

      »Sie poussieren mit meiner zukünftigen Frau!«

      »Was soll der Unfug, Fritz? Wir sind weder verlobt noch einander versprochen. Du bist betrunken!«, fuhr Sieglinde von Weinberg dazwischen.

      »Also, mein Lieber, ich finde auch, dass du Herrn Aschingers Begleiterin etwas mehr respektieren solltest!«, stand die Gräfin von Battenberg Aschinger bei.

      »Was haben wir denn getan? Wir haben doch nur getanzt!«, wehrte sich der Graf. »Schließlich sind wir hierhergekommen, um uns zu amüsieren.«

      »Dieter und ich sind gute Freunde. Und du hast keinen Anspruch auf mich, und schon gar nicht lasse ich mir von dir vorschreiben, mit wem ich tanze!«, rief die Baroness erregt Aschinger zu.

      »Sie


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