Der große Aschinger. Heinz-Joachim Simon

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Der große Aschinger - Heinz-Joachim Simon


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nicht!«, wehrte Fritz Aschinger ab.

      »Jedenfalls weißt du jetzt, wie Paris aussieht.«

      Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Als die Baroness zwischen den Gängen sich die Nase pudern ging, beugte sich Aschinger zu Sebastian. »Was meinst du, Johnny, soll ich ihr nach den Gängen den Verlobungsring geben oder erst später, wenn wir an der Bar sind?«

      »Haben Sie denn schon um ihre Hand angehalten?«

      Aschinger stutzte. »Du meinst, ob ich sie gefragt habe? Nein, dazu ist es auf dem Zimmer nicht gekommen. Ich wollte es, aber sie hat mich immer wieder abgelenkt.«

      »Ich würde abwarten. Wenn wir alle ein wenig getrunken haben, wird es Ihnen leichter fallen.«

      »Sie wird doch annehmen, nicht wahr?«, flüsterte Aschinger, und seine Augen bettelten um Bestätigung.

      »Sie wissen doch, dass ich für Frauen kein Experte bin. Schon gar nicht habe ich Erfahrung mit so reichen, vornehmen Frauen. Sie sind anders als die Frauen, die ich so kenne.«

      »Wie anders?«

      »Für sie ist alles wie ein Tanz, als wäre ständig Musik um sie herum und das Leben ein ununterbrochenes Fest.«

      »Hm, sie ist noch jung«, brummte Aschinger stirnrunzelnd.

      »Ja, das auch.«

      »Du bist sehr offen. Immerhin sprichst du von meiner zukünftigen Frau«, sagte er unzufrieden. Was Sebastian gesagt hatte, war ihm offenbar zu respektlos. Als habe der bloßgelegt, was er auch schon gedacht hatte, sich aber nicht einzugestehen wagte.

      »Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt. Aber wie gesagt, geben Sie nicht allzu viel darauf, ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus.«

      »So sind sie doch alle – nur nicht so schön.«

      »Ja, sie ist in der Tat sehr schön.«

      »Gib es zu, Johnny, du bist auch ein wenig in sie verliebt! Jeder muss sich in sie verlieben.«

      »Ja, das könnte das Problem sein.«

      »Wie meinst du das?«

      »Sie ist schön und nicht dumm, und ihre Erfahrung ist, dass sie alles bekommt, was sie will, was einschließt …«

      »… dass sie jeden bekommt, den sie will!«, sagte Aschinger dumpf. Sebastian schwieg.

      »So meinst du das doch?«

      »Ich meine, dass es für schöne reiche Mädchen schwierig sein muss zu erkennen, welcher der Richtige für sie ist. Sie braucht ja nur ein wenig ihre Augen rollen zu lassen, und schon umringt sie eine Horde heiratswilliger Kandidaten mit nichts anderem im Sinn, als das wundervolle Wesen ihr Eigentum nennen zu können.«

      »Du machst mir nicht gerade Mut.«

      »Ich rede Unsinn, ich sollte mich mit dem Trinken zurückhalten.«

      »Sie liebt mich. Wäre sie sonst mit mir nach Paris gekommen?«

      Die Baroness erschien und setzte sich. Der erste Gang wurde serviert. »Warum macht ihr beide so ein ernstes Gesicht?«, fragte die Weinberg.

      »Wir hatten ein philosophisches Gespräch«, erwiderte Aschinger.

      »Aber doch nicht heute Abend!«, protestierte die Baroness. »Wenn ich mir den Himmel vorstelle, dann ist er wie das Ritz, und hier grübelt man nicht nach über das Warum, sondern genießt das Jetzt!« Plötzlich flog ein Leuchten über ihr Gesicht, aber es galt nicht ihrem Gegenüber, sondern einem jungen Mann, der mit seiner Begleitung wartend am Eingang stand. »Mein Gott, das ist doch Dieter von Staufenfels!«

      Das junge Paar wurde nun von dem Kellner zu dem Tisch nebenan geführt. Die Baroness sprang auf, der neue Gast mit dem schmalen, gutaussehenden Gesicht stutzte und lächelte dann fröhlich.

      »Das ist doch Sieglinde! Was machst du hier in Paris?« Er stürmte auf sie zu und umarmte sie. Es dauerte eine Weile, ehe sie voneinander abließen. Erst dann stellte er seine Begleiterin vor, eine Gräfin von Battenberg, eine melancholisch aussehende schwarzhaarige Frau mit einem stolzen Profil, die die Szene mit süßsaurem Gesicht verfolgt hatte. In ihrer Begrüßung zeigte sie die Herablassung, die ein altes Adelsgeschlecht dem Geldadel entgegenbrachte.

      Sieglinde von Weinberg ließ sich dadurch keinesfalls einschüchtern und stellte Fritz Aschinger als einen guten Bekannten vor, Sebastian als einen vielversprechenden jungen Mann, und diesem war das die Bestätigung, wie der Abend enden würde. Keinesfalls würde er das Ergebnis bringen, das sich Aschinger erhoffte, sonst hätte sie bei der Vorstellung Aschingers andere Worte gewählt.

      »Setzt euch doch zu uns!«, sagte die Baroness und sah dabei Aschinger an, damit dieser die Einladung wiederholte, und so blieb diesem, nach einem verstohlenen ratlosen Blick zu Sebastian hinüber, nichts anderes übrig, als ihrer Aufforderung Folge zu leisten.

      »Selbstverständlich, lassen wir doch die Tische zusammenrücken!«

      Auf einen Wink Aschingers kam der Ober diesem Wunsch nach.

      »Dieter und ich kennen uns von den Reitturnieren. Er ist ein phantastischer Parcoursreiter. Aber eigentlich kennen wir uns schon seit Kindertagen. Wir und die Staufenfels’ haben uns jahrelang auf Sylt getroffen, wo unsere Familien nebeneinander ein Sommerhaus haben.«

      Sofort tauchten die beiden, kaum hatten sie sich gesetzt, in die Kindheitserinnerungen ein, und die Baroness war wieder ganz das selbstverliebte, übermütige Mädchen wie am ersten Abend in Berlin. Aschinger und Sebastian waren für die beiden so interessant wie das Blumenbouquet auf dem Tisch. Selbst die Gräfin, die es sicher durch Herkunft und Erscheinung gewohnt war, im Mittelpunkt zu stehen, war abgemeldet, was diese mit blitzenden Augen beobachtete. Fritz Aschingers Miene versteinerte immer mehr. Der Verlobungsring musste ihm wie ein Stück glühender Kohle in der Tasche liegen. Schließlich wandte sich der elegante junge Mann mit jenem nachsichtigen Lächeln, das uralter Adel den gewöhnlichen Sterblichen entgegenbringt, wenn er zeigen will, dass man auch nichts Besseres sei, Aschinger zu.

      »Und was machen Sie in Paris? Wollen Sie noch ein Hotel kaufen?«

      »Nein, diesmal ist es rein privat.«

      »So?«, sagte dieser stirnrunzelnd und warf Sieglinde von Weinberg einen irritierten Blick zu.

      »Ich zeige Herrn Aschinger, wie schön Paris ist. Mein Vater hat mich darum gebeten. Sie sind gute Geschäftspartner«, erklärte sie schnell.

      Sie hatte einen roten Kopf bekommen, und Fritz Aschinger lief ebenfalls rot an, um dann kreidebleich zu werden. Sie war also seine Touristenführerin.

      »Wollen wir nachher nicht an die Bar gehen?«, schlug die Baroness hastig vor, um auf ein anderes Thema überzuleiten.

      »Gute Idee!«, stimmte ihr Staufenfels zu.

      »Geht nachher ruhig schon mal vor! Wir kommen nach. Dieter und ich haben noch was zu besprechen«, sagte die Gräfin kalt.

      Dann sprach man ganz allgemein über die Sehenswürdigkeiten von Paris, wie oft man im Jahr im Ritz wohnte und dass der Bubikopf nicht mehr en vogue war und sich wieder eine fraulichere Note in der Mode abzeichnete. Nach dem Dessert, der Spezialität des Hauses, von dem Aschinger kaum etwas zu sich genommen hatte, unterschrieb er die Rechnung und erhob sich.

      »Wir sehen uns nachher an der Bar«, zwitscherte die Baroness und winkte mit den Fingern.

      In der Bar drängte sich am Freitagabend tout Paris , aber die Kellner waren wohl informiert, wer Aschinger war, und sie bekamen einen Tisch gleich neben dem Klavierspieler. Die Männer waren meist älter und die Frauen sehr jung. Aber es gab auch ältere Frauen mit zu jungen Begleitern, und ihr Schmuck zeugte davon, dass sie sich die jungen Männer leisten konnten. Aschinger bestellte eine Flasche Whisky und musterte seine Umgebung mit unzufriedenem Gesicht.

      »Es ist heiß und stickig hier«, brummte er.

      »Ach, sei doch nicht so bärbeißig!«, schalt ihn


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