Eine verborgene Welt. Alina Tamasan

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Eine verborgene Welt - Alina Tamasan


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Abteilung, in der du bestens aufgehoben bist.“

      „Vergessen Sie es, ich gehe auf keinen Fall wieder in die Klappse!“

      „Ich verstehe deine Einwände. Nur, überlege einmal: Du bist so eine wundervolle junge Frau mit einem guten Abschluss und Aussicht auf einen Studienplatz. Anstatt dich mit Auren und Engelserscheinungen herumzuplagen, solltest du dich in eine Therapie begeben. Dann wirst du bald als geheilt entlassen und ein schönes Leben wartet auf dich!“

      „Sie meinen also, wenn ich es noch einmal auf mich nehme, dann hab ich’s los? Und ich kann ein normales Leben führen?“

      „Genau das meine ich. Martin liebt dich und ist an deiner Seite. Natürlich hat er dir versprochen, nichts weiterzuerzählen, aber er war so besorgt, dass er sich schließlich hilfesuchend an deine Eltern wandte … und diese dann an mich.“

      „Warum hatten mein so besorgter Partner und meine Eltern nicht den Mumm, mir das ins Gesicht zu sagen?“, rief Noromadi wütend aus und ballte ihre kleine Hand.

      „Hättest du denn auf sie gehört?“, fragte Dr. August sanft.

      „Nein, womöglich nicht …“, antwortete die junge Frau schlaff.

      „Siehst du?“ Dr. August erhob sich aus seinem Sessel, ging zu einem der Aktenschränke und holte einen dicken Ordner hervor. Er blätterte darin herum und zog schließlich ein Papier heraus. „Das hier“, sagte er, stellte den Ordner wieder an seinen Platz und setzte sich, „ist eine Einverständniserklärung, dass du dich behandeln lassen möchtest.“

      „Sie wollen, dass ich das jetzt sofort unterschreibe?“

      „Natürlich nicht“, antwortete der Psychiater. „Du kannst sie mit nach Hause nehmen und es dir dort noch einmal in Ruhe überlegen“, fügte er mit weicher Stimme hinzu. Noromadi entspannte sich etwas.

      „Ist die Sitzung heute beendet?“ Die junge Frau erhob sich wankend und verabschiedete sich mit einem knappen Gruß. Als sie die Treppen hinunterlief, musste sie sich an der Wand abstützen, so schwindlig war ihr. Die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf wie ein wildes Karussell.

      ‚Psychiatrie … du kommst in die Psychiatrie … da gehörst du hin, du kleines hässliches Ding! – Aber ich wollte mich doch gar nicht umbringen, und habe es auch nicht vor. Warum glauben mir die Menschen nicht? Ich bin normal, vollkommen normal, nur hellsichtig, mehr nicht. Ist Hellsicht ein Verbrechen? Eine Krankheit, die es auszumerzen gilt?‘

      Als sie ins Freie trat, fühlte sie sich schlagartig besser. Warmes Sonnenlicht schien auf ihre dunkle Haut. Die Luft war angenehm mild, und trotz der schweren Gerüche der Stadt konnte sie den Duft des zarten Grüns wahrnehmen. Irgendwo in einem der Ahornbäume an der Straße, die von eilig vorüber ziehenden Autos befahren wurde, saß ein Vogel und erfreute die Betonwelt mit seiner Melodie. Mit unsicheren Schritten überquerte Noromadi die Straße und nahm auf einer Bank Platz.

      „Hier sitzt du, kleiner Vogel“, flüsterte sie lächelnd, als sie ihn in der Krone erblickte. Ein Rotkehlchen sah sie mit seinen Knopfaugen aufmerksam an und musizierte weiter. Noromadi kam es vor, als wolle es sie aufmuntern. Sie lächelte dankbar und nickte ihm zu. Dann schloss sie die Augen und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Sie wollte noch nicht nach Hause gehen. Warum das so war, wusste sie auch nicht, doch als ihr die Einverständniserklärung einfiel, übermannte sie sofort ein unangenehmes Gefühl.

      „Es nützt alles nichts, kleiner Piepmatz“, flüsterte sie und öffnete die Augen, „ich muss nach Hause.“ Sie sah den Vogel an. Der neigte sein gefiedertes Köpfchen zur Seite und sah sie mit einem seltsamen Glanz in den Augen an, als hätte er ihre Worte verstanden. Noromadi erhob sich und schlenderte gemächlich zur Haltestelle. ‚Nur nicht hetzen‘, dachte sie. Im Bus überkam sie ein Schwindelgefühl. Ihr Magen krampfte sich zusammen, sie kämpfte gegen die aufkommende Übelkeit. Die Geräusche um sie herum verschwammen zu einem undefinierbaren Teppich, die Farben der vorbeiziehenden Landschaft verblassten.

      „Es wird etwas Schlimmes passieren“, flüsterte Noromadi benommen, während sie auf wackeligen Beinen zum Ausstieg wankte. Draußen wich die Übelkeit einer starken inneren Anspannung, das Karussell beruhigte sich. Langsam ging sie nach Hause.

      „Wie sagt meine alte Freundin immer? Noromadi, Contenance!“ Ja, Würde und Haltung, das brauchte sie jetzt. Sie betrat den Flur und hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer. Noromadi atmete tief ein, strich sich die Haare zurecht und spannte ihren Körper. Dann setzte sie eine heitere Miene auf und betrat das Wohnzimmer.

      „Was ist denn der Anlass dieses fröhlichen Zusammentreffens?“, fragte Noromadi lächelnd und sah von einem zum anderen. Ihre Eltern, die sich offensichtlich sehr angeregt mit Martin unterhalten hatten, wichen – genau wie er – ihrem offenen Blick aus.

      „Setz dich doch, mein Kind!“, wies ihr Vater Wilhelm sie ernst aber freundlich an. „Möchtest du auch einen Kaffee?“

      „Nein, danke!“ Noromadi nahm auf einem kleinen Hocker Platz, der etwas abseits stand. Jetzt vermied sie es, Martin anzusehen.

      „Also … du kommst ja gerade aus der Sprechstunde“, begann ihre Mutter Clara zögerlich, „was hat denn Dr. August gesagt?“

      „Warum fragst du ihn nicht selbst? Ihr kennt euch doch so gut“, spie ihr die junge Frau ins Gesicht. „Dort ist das Telefon! Wenn ihr schon so gut darin seid, mich hinter meinem Rücken bloßzustellen, kannst du ihn ebenso gut anrufen und nachfragen!“

      „Aber, Noromadi, du verstehst das nicht!“, fuhr Martin dazwischen.

      „Was versteh ich nicht? Dass du mich verraten hast, obwohl du mir hoch und heilig versprochen hast, es nicht zu tun? Dass du mein Vertrauen und meine Liebe missbraucht hast? Oh doch, ich verstehe sehr wohl. Ich verstehe euch alle sehr wohl!“ Sie blickte verächtlich in die Runde. „Anstatt mit mir zu sprechen, rottet ihr euch hinter meinem Rücken zusammen und schiebt mich in die Psychiatrie ab. Das ist ja auch viel einfacher, als sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, nicht wahr? Aus den Augen, aus dem Sinn. Weg mit dem Störenfried – eure heile Welt soll bloß nicht befleckt werden.“

      „Ich verbitte mir diese Worte!“, sprang Wilhelm wutentbrannt auf. „Wie kannst du es wagen, so mit uns zu sprechen? Du weißt genau, dass wir nur dein Bestes wünschen. Meinst du, uns macht es Spaß, dich so zu sehen? Niemanden schmerzt es mehr als uns, dich in diesem traurigen Zustand in der Psychiatrie zu sehen. Es war unser letzter Versuch, dich in die Realität zurückzuholen, damit du lebst! Ich habe dir immer beigestanden, und ich tue es noch, aber, meine junge Dame, ich unterstütze dich ausschließlich in gesunden Dingen, damit was aus dir wird!“

      „Aus mir wird nie was.“ Noromadi sank schlaff in sich zusammen und begann bitterlich zu weinen. „Ich bin einfach nicht so wie ihr …“, flüsterte sie.

      „Du sollst nicht weinen“, sagte Clara mitfühlend. Sie kniete sich neben sie und tätschelte sanft die Wange ihrer Tochter. „Es ist doch nur noch dieses eine Mal. Du warst doch auf einem so guten Weg, und bist es sicher noch! Bitte, lass dich behandeln. Es ist eine offene, freundliche Station, in der nicht diese Irren herumlaufen, sondern normale Menschen mit vorübergehenden Problemen. Der Stationsarzt ist ein sehr umgänglicher Mann. Er wird dich gut behandeln. Und wenn du als geheilt entlassen bist, wird bestimmt auch dein Studienplatz bewilligt sein, und du kannst ein neues Leben beginnen, ohne die Sorgen und Nöte, die jetzt auf deinen Schultern lasten.“ Noromadi fühlte sich von den Worten ihrer Mutter seltsam berührt.

      ‚Sorgen und Nöte, die auf meinen Schultern lasten‘, wiederholte sie in Gedanken. Dabei kam ihr wieder die Botschaft des Engels in den Sinn. Hatte er nicht von einer Prophezeiung gesprochen? Einer auserwählten Person … Währenddessen hatte sein Blick inständig auf ihr geruht. Ja, sie war die Auserwählte, die Gniri Noromadi … Die junge Frau erschrak und schob die Gedanken sofort beiseite. Wie viel aussichtsreicher war es doch, das einfache Leben einer Biologiestudentin zu führen, ohne die Bürde des ganzen Weltvereinigungskrams? Sie entspannte sich ein wenig und sah ihrer Mutter in die hellbraunen Augen.

      „Vielleicht habt ihr recht“, sagte sie langsam


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