Fröhliches Morden überall. Margit Kruse

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Fröhliches Morden überall - Margit Kruse


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besorgte Thomas wies sie darauf hin, dass es bereits dunkel wurde und sie zurückkommen möge.

      »Gleich, gleich komme ich«, vertröstete sie ihn, verspürte jedoch, als sie im Hintergrund die Stimmen der beiden Mütter hörte, absolut keine Lust dazu.

      Sie ließ den gestrigen Abend Revue passieren. Eleonore hatte mindestens 20 Mal das Aussehen des tollen Weihnachtsbaumes kommentiert, eine duftende Blautanne, ganz in Blau geschmückt. Ja, es war total nett von der Vermieterin, ihnen einen Weihnachtsbaum aufzustellen, doch irgendwann hatte Margareta es nicht mehr hören können und sich bereits gegen 21 Uhr in ihr Schlafzimmer verzogen, um zu lesen. Thomas war noch bei den Müttern geblieben. Er hatte wohl Angst gehabt, die seine könnte ausrasten, wenn auch er sich vom Acker machte. Margareta hatte Thomas angemerkt, dass er sehr zwiegespalten war. Oft wusste er nicht, für wen er Partei ergreifen sollte: für seine dominante Mutter, der er durchaus hin und wieder die Meinung sagte, oder für seine immerhin fünf Jahre ältere Freundin. Mit seiner Mutter hatte er aber auch kein leichtes Los, dachte sie schmunzelnd. Darf eine zur Witwe gewordene Mutter eigentlich alles?

      Von der ach so tollen neuen Strähnchenfrisur war am heutigen Morgen nicht mehr viel übrig gewesen. Eleonore hatte Margareta an einen alten Dachs erinnert.

      Waltraud hatte ständig ihren Blick gesucht. Mutter und Tochter waren noch nicht dazu gekommen, sich zu zweit auszutauschen.

      Als sie sich vom Wanderparkplatz aus auf den Rückweg am Wald entlang machte, fiel Margaretas Blick auf einen idyllischen Bauernhof im Wald. Magisch angezogen lief sie darauf zu. Inzwischen war es fast dunkel und die Heilige Nacht brach an. Das Wohnhaus lag rechts, die Fenster der unteren Etage waren weihnachtlich geschmückt und beleuchtet. Das Tor des großen Kuhstalls stand offen. Man hörte Metallstangen klirren und das Muhen der Kühe. Neonbeleuchtung schaffte dem Bauern und seiner Frau genügend Licht. Sie waren dabei, die Tiere zu füttern und zu melken sowie die Ställe zu säubern. Eine niedliche, dunkel getigerte Katze kam ihr schnurrend entgegen und rieb sich an ihren Beinen, als wollte sie sagen: »Nimm mich mit, irgendwohin, wo es warm ist.«

      Nach einer Weile betrat Margareta den Stall und sah sich neugierig um, nachdem sie die Bauersleute freundlich begrüßt hatte. Die nette Frau grüßte wohlwollend zurück und fragte, was Margareta hier um diese Uhrzeit mache, ob sie sich verlaufen habe.

      »Nein, nein, alles in Ordnung. Ich wohne mit meiner Familie in einem Ferienhaus oberhalb von Bödefeld und mache noch eine Abendrunde. Darf ich mir Ihre Tiere hier im Stall ansehen?«

      Äußerst zuvorkommend führte die Frau, die sich als Ellen Voss-Grobe vorstellte, herum und erklärte ihr alles. Ihr Gatte, der auf die Hilfe seiner Holden angewiesen war, sah das gar nicht gerne. Die Zeit drängte, schließlich war Heiligabend. Er wollte essen und dann bescheren.

      Margareta war von den neugeborenen Kälbchen begeistert, von deren unschuldigen Blicken regelrecht fasziniert. Zärtlich streichelte sie ihnen die warmen Nasen und das kuschelige Fell. Die beiden Ponys wurden bestaunt, anschließend die Ziegen begrüßt und schlussendlich die Hühner. Die Bäuerin verkaufte ihr auf Wunsch zehn Eier von den frei laufenden Tieren. Zufrieden verabschiedete sich Margareta von der Frau, bedankte und entschuldigte sich, ihr heute Abend die kostbare Zeit gestohlen zu haben. Sie trat in der Dunkelheit den Heimweg an, der jedoch gut ausgeleuchtet war. Sie liebte den Bauernhofgeruch von Heu und Stroh, Milch, warmen Tieren und Mist. Als Kind hatte sie etliche Urlaube auf Bauernhöfen verbracht und war die meiste Zeit im Stall anzutreffen gewesen.

      Gegen 18 Uhr erreichte sie ein wenig durchgefroren das gemütlich warme Ferienhaus und konnte nicht verstehen, dass Thomas sich Sorgen gemacht hatte. Wer sollte ihr hier in diesem friedlichen Ort etwas Böses antun? Hier, wo bei einbrechender Dunkelheit die Bordsteine hochgeklappt wurden und nur noch Ruhe und Frieden herrschten.

      Die beiden Mütter hatten nicht warten können und aßen bereits am spartanisch gedeckten Tisch den Kartoffelsalat, den Waltraud am Vormittag zubereitet hatte.

      »Wo warst du?«, fragte Waltraud vorwurfsvoll und griff nach einer dampfenden Wurst.

      Als Margareta von dem Besuch des ungefähr zwei Kilometer entfernten Bauernhofs berichtete und ihre Begeisterung über die vielen Tiere kundtat, zog Eleonore die Nase kraus. »Du warst in einem fremden Kuhstall?«

      »Ja, wieso nicht? Das war äußerst interessant. Der Bauer und seine Frau bewirtschaften ihn ganz alleine, wie es aussah.«

      »Du riechst nach Kuhmist!« Eleonore konnte sich den Kommentar nicht verkneifen. Sie warf einen abfälligen Blick auf den Eierkarton, den Margareta auf die Küchentheke gestellt hatte. »Eier habe ich bereits von Edeka mitgebracht.«

      »Diese Eier hier sind von frei laufenden Hühnern, die ich heute persönlich kennengelernt habe. Das kann man nicht vergleichen mit Eiern aus Käfighaltung.«

      »Pah«, schnaubte Eleonore.

      Margareta, bis zu dem Zeitpunkt in einer friedvollen Heiligabendstimmung, kam die Galle hoch. Dieses abfällige »Pah« brachte das Fass zum Überlaufen. Wieso haben wir die bloß mitgenommen, fragte sie sich, die verdirbt uns die schönen Tage. Sie schaute Thomas an, der ihr jedoch keine Hilfe war. Er aß seine Wurst und starrte auf den TV-Bildschirm. Immerhin hatte er während ihrer Abwesenheit den Kaminofen angeheizt, was nicht nur schön anzusehen war. Die knisternden Holzscheite waren Musik in Margaretas Ohren.

      »Lieber nach Kuhmist riechen als nach verschwitzter Oma«, hielt sie dagegen, obwohl sie sich von der Frau nicht provozieren lassen wollte und ihre Worte, kaum ausgesprochen, bereits bereute.

      »Ich rieche nach verschwitzter Oma?«, brüskierte sich Eleonore, stand von ihrem Stuhl auf und durchquerte nervös das Zimmer. »Thomas, nun sag doch was«, wandte sie sich an ihren Sohn und rüttelte ihn an der Schulter.

      »Margareta, du solltest dich bei meiner Mutter entschuldigen. Schließlich haben wir Heiligabend!«, sagte er kleinlaut.

      »Sag mal, tickst du noch richtig? Du schlägst dich auf die Seite deiner Mutter? Außerdem hat sie gestern und heute nicht geduscht. Diese Läppchenwascherei bringt doch nichts. Das ganze Zimmer stinkt nach Schweiß. Und schon wieder hat sie den gleichen Pullover an.« Margareta schämte sich. Musste sie sich auf dieses Niveau begeben? Sie war nicht besser als Eleonore. Nur Waltraud zuliebe blieb sie am Tisch sitzen.

      Mit hämischem Grinsen verließ Eleonore wenig später das Wohnzimmer und suchte ihr Zimmer auf. Anscheinend telefonierte sie. Hin und wieder hörte man sie abwechselnd laut auflachen und übel schimpfen.

      »Da steckt ein neuer Mann dahinter. Sie hat so Andeutungen gemacht«, brach Waltraud das Schweigen.

      »Wie kannst du so etwas sagen«, ärgerte sich Thomas. »Mein Vater ist erst ein knappes halbes Jahr tot. Meine Mutter steckt noch mitten in der Trauerphase.«

      »Davon merkt man nicht viel. Sie hat mir jedenfalls von einem Mann erzählt, den sie in der Kirchengemeinde kennengelernt hat. Vielleicht ist ja alles ganz harmlos.« Gedankenverloren trank Waltraud von ihrer Pfirsichbowle, die sie am Nachmittag zusammengeschüttet hatte.

      »Mit Sicherheit ist alles ganz harmlos.« Margareta horchte allerdings auf. Eleonore hatte einen neuen Mann? Das ging aber schnell.

      Thomas schien fix und fertig. »Mutti hat meinen Vater geliebt. Jawohl! Da sucht sie sich doch nicht so schnell einen neuen Kerl, kaum dass Papa kalt ist. So eine ist meine Mutter nicht!« Er holte sich eine Flasche Pils aus dem Kühlschrank, öffnete sie und trank direkt aus der Flasche.

      Margareta fragte sich, wo seine guten Manieren geblieben waren. Haute ihn diese Nachricht dermaßen aus den Latschen?

      »Ach, Junge, du hast keine Ahnung. In unserem Alter ist ein halbes Jahr eine lange Zeit. Wenn sie das Glück hatte, jemanden kennenzulernen, ist das doch was Tolles. Wer weiß schon, was morgen ist? Gönnst du ihr das nicht?« Waltraud traten Tränen in die Augen.

      »Nein, das Trauerjahr sollte sie einhalten.« Da hatte Thomas klare Vorstellungen.

      »Trauerjahr, Trauerjahr. In welchem Jahrhundert lebst du denn?« Waltraud füllte sich ihr Glas erneut mit der köstlichen Bowle und leerte es in einem Zug.


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