Fröhliches Morden überall. Margit Kruse

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Fröhliches Morden überall - Margit Kruse


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jedoch längst nicht so unerträglich wie die Kaminski. Eleonore hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, um von dieser kleinen Gruppe wahrgenommen zu werden und sich ihr anschließen zu dürfen.

      Nach Roberts Tod hatte sich Eleonore einer aufwendigen Rundumerneuerung unterzogen, wozu eine neue Frisur gehörte, die diese altbackene Haarpracht abgelöst hatte. Die gesamte Omagarderobe war in Säcken zum Roten Kreuz gewandert, die riesigen hautfarbigen Baumwollschlüpfer mit Bein hatte sie durch tolle Dessous in den schönsten Farben ersetzt. Sie hatte ein stattliches Sümmchen vom Sparkonto abgehoben und sich neu eingekleidet. Thomas und seine Margareta hatten Bauklötze über die Verwandlung gestaunt, jedoch nichts gesagt.

      Trotz ihres Alters von 72 Jahren, war Eleonore eine schöne Frau, fand sie. Das Leben als Hausfrau und Mutter hatte ihr viel abgefordert in den vergangenen Jahren. Sie hatte regelrecht gespürt, wie dieses Leben tagtäglich Unze für Unze ihres Sex-Appeals auffraß. Was war zum Schluss von ihr geblieben? Ein einsames, übel aussehendes, verkümmertes Mütterlein, das seine Zeit am Herd verbracht hatte.

      Nun erwachte wieder Leben in ihr. Nach der äußerlichen Veränderung fühlte sie sich mindestens zehn Jahre jünger. Grund für die Veränderung war jedoch nicht das hinterlistige Frauenquartett aus der Seniorenstube, das ging Eleonore sonst wo vorbei. Interessant war für sie einzig und allein das männliche fünfte Rad am Wagen: nämlich Fritz. Fritz brachte Saiten in ihr zum Klingen, die sie längst vergessen geglaubt hatte. Die vier Weiber betrachteten diesen Mann als ihr Eigentum und umgarnten ihn. Komischerweise waren sie dennoch nicht eifersüchtig aufeinander.

      Fritz genoss das. Bei jedem Kompliment, das aus einem der Frauenmünder kam, schwoll ihm der Kamm. Fritz Wennemann war 72 Jahre alt, groß und schlank, dunkelhaarig mit grauen Strähnen. Stets modisch gekleidet und wunderbar duftend. Unter seinen markanten Augenbrauen wachten braune Augen, die wie eine Überwachungskamera hin und her wanderten und denen nichts entging. Sein äußerst charmantes Lächeln setzte er ein, wo immer er es für angebracht hielt, dazu ein flotter Spruch, den er aus seinen schönen Lippen fallen ließ, und die Frauen schmolzen dahin. Er wusste, was weibliche Wesen, besonders die älteren grauen Mäuse, hören wollten. Das hatte er wahrscheinlich in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Kneipenwirt zigmal getestet. Doch er besaß noch etwas, auf das die Damen scharf waren, und zwar einen silbernen Volvo V70, mit dem er die pfundige Carola Blasius regelmäßig zum Wochenmarkt fuhr, obwohl sie selbst einen fahrbaren Untersatz hatte. Außerdem half er ihr beim Marmelade-Einkochen, die sie anschließend bei Veranstaltungen zugunsten benachteiligter Leute verscherbelte.

      Allein vom Äußeren her war die stets hilfsbereite Carola kein Frauentyp, der zu Fritz passte. Mit ihrem grauen fettigen Haarknoten im Nacken und der verwaschenen Trachtenkleidung am Leib passte sie eher in den Schwarzwald auf einen maroden Bauernhof als in den Kohlenpott.

      Die mollige Angelika Thomas, ebenfalls Trägerin einer Knotenfrisur, erkochte sich das Herz von Fritz mit Rindsrouladen und Stielkottelets. Ihr gehörten der Dienstag und der Donnerstag. Fritz kutschierte sie zum Einkaufen und zum Friseur, der ihr den gefärbten Wischmopp im Nacken aufbrezelte. Eleonores Vorstellungsvermögen reichte nicht aus, um sich Fritz vorzustellen, wie er die biedere Angelika über ihre geblümte Tagesdecke zog und dabei das Haarkunstwerk in Unordnung brachte.

      Die streitsüchtige Petra Halstenbach, die Mineralwasser soff, als bekäme sie dafür einen Preis, fuhr er zum Getränkemarkt und zum Tennis. Auf dem Tennisplatz war Fritz allerdings nur Zuschauer. Er durfte der tollen Petra zusehen, wie sie mit ihrer raspelkurzen grauen Kerlsfrisur altersschwache, sabbernde, arg zitternde Männer zum Match herausforderte. Warum Fritz sich das antat, erschloss sich Eleonore auch nach Monaten nicht.

      Dann wäre da noch die langnasige Ursula Kaminski, die Fritz einmal die Woche zu ihrer Tochter nach Dortmund fuhr. Als Belohnung lud sie ihn auf eine Bottroper Schlemmerplatte in der angeblich besten Pommesbude im Ruhrgebiet ein, in den Distel-Grill in Herten.

      Fritz tat das alles, ohne zu murren, man hatte tatsächlich das Gefühl, er mache das gern. Mit wem er sich heimlich, zu was auch immer, traf, blieb sein Geheimnis. Eleonore musste sich schwer zusammenreißen, um bei den Cafébesuchen, zu denen sie Fritz einlud, nicht über die vier Frauen abzulästern und Hass zu schüren. Kommt Zeit, kommt Hetzen, sagte sie sich. Also lächelte sie nur, starrte auf Fritz’ sehnige Hände mit den gepflegten Fingernägeln und sprach stets Gutes, wenn Fritz sie auszuhorchen versuchte. Immerhin gehörte ihr der Sonntag, was eine große Auszeichnung und den vier Gegnerinnen ein Dorn im Auge war. Stolz ließ sie sich in die schönsten Cafés am Rande des Ruhrgebiets kutschieren, um den Anekdoten des lebenserfahrenen Fritz zu lauschen und dabei herrliche Torten zu verspeisen. Im Blick immer seine schönen Hände, die sie gerne überall an ihrem Körper spüren würde.

      Eleonore wusste nicht, dass er für die Maniküre seiner langen Griffel jede Woche 35 Euro investierte, was seine Wirkung bei Frauen anscheinend nicht verfehlte. Dafür sparte er bei der Fußpflege. Seine Hornhauthacken, die man mittlerweile ordentlich mit dem Hobel bearbeiten konnte, sah sowieso niemand. Seine Devise lautete: Nachts sind alle Hacken grau, und notfalls kann man die Socken dabei anlassen.

      Der Schnee knirschte bei jedem ihrer Schritte. Ihr Weg führte sie durch verschneite Felder Richtung Ortsmitte, zur Pfarrkirche St. Cosmas und Damian in Bödefeld, zum Jahresabschlussgottesdienst. Ewig mit Thomas, Margareta und Waltraud abzuhängen, nervte sie. Die beiden Verliebten zu beobachten, gab ihr jedes Mal einen Stich und machte sie wütend. Waltraud, mit der sie sich in den letzten Tagen arrangiert hatte, konnte sie auch nicht immer um sich haben. Obwohl ihre Geschichten, die sie ihr in den letzten Tagen von Combo-Sepp erzählt hatte, sehr lustig waren. An den Nachmittagen zwischen den Jahren hatte sie täglich mit Waltraud in dem schönen Café in der Ortsmitte gesessen und sich durch das Tortenangebot geschlemmt. Zwei Sorten pro Tag. Waltraud war jedenfalls besser als diese ollen Weiber des Quartetts aus der Seniorenstube. Ob Fritz Waltraud attraktiv finden würde? Ihre lustige Art wäre was für ihn, da war Eleonore sich sicher.

      Sie hätte in den vergangenen Tagen gerne Ausflugsfahrten in die herrliche winterliche Gegend gemacht, doch dazu hatte sie ihren Sohn nicht überreden können. Er wolle seine Ruhe haben und seine Beine benutzen, hatte er auf ihre Bettelei nach einer Ortsveränderung geantwortet. Nein, er wolle nicht nach Winterberg. Viel zu voll, viel zu laut, zu viele Holländer, zu viel Alkohol, nichts für ihn.

      Einem Abstecher nach Schmallenberg in die Falke-Strumpffabrik hatte er nur zugestimmt, weil Margareta dort hinwollte und sie ihm einen Sehnsuchtsblick schenkte. Das riesige Warenangebot hatte Eleonore begeistert, aber auf der Rückfahrt hatte sie sich schwarzgeärgert über die Summe, die sie dort ausgegeben hatte. Und das für Strümpfe und ein paar Schlüpfer. Und einen blauen Pullover für ihren Sohn, das war der dickste Posten auf der Rechnung. Ob sie für Fritz auch so ein schickes Teil hätte kaufen sollen? Diese Frage hatte sie die ganze Rückfahrt über gequält. Nein, hatte sie sich letztendlich gesagt. So hoch war ihre Rente schließlich nicht.

      Vorhin beim Kaffeetrinken hatten die anderen sie aus großen Augen angeblickt, als sie verkündet hatte, dass sie gern den Gottesdienst besuchen würde. Waltrauds Angebot, sie zu begleiten, hatte sie abgelehnt. Eleonore wollte für sich sein, ihren Gedanken freien Lauf lassen. Gedanken, die sie immer wieder zu Fritz führten. Eben noch hatte sie mit ihm telefoniert. Bald würde sie wieder bei ihm sein. Er hatte sie zu sich in sein Heim eingeladen. »Fernsehabend, ein bisschen knabbern und so weiter«, hatte er am Telefon verlauten lassen. Was er mit »und so weiter« meinte, malte sie sich jetzt auf ihrem Weg zur Kirche aus, sah seine Hände vor sich und hoffte, die Worte richtig gedeutet zu haben.

      Wie er den heutigen Silvesterabend verbrachte, wollte sie nicht wissen. Ob mit seinem Sohn und dessen Familie oder mit einer dieser vier Weiber, was ihr gar nicht in den Kram passen würde. Händchenhaltend, Nüsse knabbernd und um Mitternacht Sekt trinkend. Vielleicht mit Angelika, diesem Besen? Oder mit der biederen Carola? Bloß nicht daran denken, schalt sie sich.

      Sie zog sich die rote Mütze tief ins Gesicht und schloss den blauen Thermomantel hoch am Hals. Es herrschten noch immer Minusgrade. Eleonore sehnte sich nach Frühjahr und Wärme, blühenden Blumen und mehr. Der Schneefall, der vor einigen Minuten eingesetzt hatte, nahm an Intensität zu. Die ansonsten schöne Eisenbahnlandschaft wirkte wenig einladend auf sie in dem harten Winter und zu dieser


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